Bürgerlich-konservativer Widerstand: Korporierte gegen Hitler

Eduard Brücklmeier Bavariae München und Wilhelm Roloff, Derendia Tübingen: Mitverschwörer im Kampf gegen Hitler. Brücklmeier war an den Planungen für ein Bombenattentat im Herbst 1938 beteiligt, Roloff deckte ab 1940 seine arkanen Aktivitäten bis 1944. In Gestapo-Haft überlebte Roloff knapp, Brücklmeier wurde von Roland Freisler zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1944 gehenkt.

Von Sebastian Sigler.

Im Norden der Hansestadt Bremen, in Schönebeck, befand sich zur Zeit des Nationalsozialismus ein bislang weitgehend unbekann­tes Zentrum des Widerstands gegen Hitler und sein Regime: der Fichtenhof. Hier wohnte damals Wilhelm Roloff, der Direktor der Nordsee Deutsche Hochseefischerei AG, oben im Bild als Aktiver in Tübingen. Sein engster Mitarbeiter – und zentraler noch als er im Widerstand aktiv – war der Diplomat Eduard Brücklmeier, der in Berlin 1938 während der Septem­ber­krise einen Staatsstreich gegen Hitler mitplanen und später zu den Stauffenberg-Mitver­schwörern gehören solle. Beson­deres Augenmerk soll in diesem Beitrag auf die konspirative Zusammenarbeit Roloffs mit Brücklmeier gelegt werden, denn ab 1940 bis zu seiner Hinrich­tung in Berlin-Plötzensee am 20. Oktober 1944 war Brücklmeier so eng mit Roloff verbunden war wie fast niemand sonst.[1]

Der Beginn der Hinwendung zum Widerstand gegen Hitler fand bei Wilhelm Roloff und seiner Frau Alexandra, einer geborenen v. Alvens­leben, im Fichtenhof statt. Roloffs Schwiegervater, Werner v. Alvensle­ben, war ein strikter Gegner Hitlers.[2] Ludwig Beck, Gerhard Graf v. Schwerin, Kurt v. Ham­merstein-Equord, Hans Oster, Nikolaus Christoph v. Halem Saxo-Borussiae Heidelberg,[3] Heinrich Graf  v. Lehndorff-Steinort, Albrecht Graf v. Bernstorff, Eduard Waetjen,[4] Eduard Brücklmeier Bavariae München[5] – viele handelnde Personen des Widerstands waren ab 1936 regelmäßig im Fichtenhof und berieten sich in Fragen des Widerstands mit Roloff.[6] Der ist jedoch heute als Widerstandskämpfer; als Ver­schwörer des 20. Juli und auch als Korpo­rierter – und all dies war er – kaum in der Literatur präsent.[7]

Glanzvolle Fassade, geheimer Widerstand

Am 28. März 1900 wurde Wilhelm Berthold Thorvald Roloff in Hamburg als erster Sohn des dänischen Zahnarztes Thorvald Frederick Christian Roloff und dessen Frau Paula Henriette Johanna Elvers geboren. Die Fami­lie war durchaus wohl­habend, bewohnte ein repräsentatives Anwesen in Hamburg-Ottensen und unter­hielt gute Beziehungen zu einigen Honoratio­renfamilien in Hamburg, darunter zur Bankiersfamilie Warburg.[8] Wilhelm besuchte das Realgymnasium in Altona, er galt dort als eine Art Wunder­kind und übernahm aushilfsweise sogar gelegentlich den Unterricht. Seine Leistungen in naturwissenschaftlichen wie musischen Fächern waren weit überdurchschnittlich.[9] Im Frühjahr 1918 legte er in Altona das Abitur ab.[10] Seine Militärzeit leistete er als Seekadett bei der kaiserlichen Kriegsmarine ab, im Herbst 1918 war er in Hamburg in die Kämpfe gegen die aufstän­dischen Matro­sen verwickelt.

Wilhelm Roloff als Aktiver im Kreis seiner Bundesbrüder in Tübingen

Zunächst studierte Roloff zwei Semester lang Medizin in Hamburg, wechselte dann jedoch zum Wintersemester 1919/20 nach Tübingen und wurde bei der 1877 gegründeten Burschenschaft Derendingia aktiv.[11] Der Grund für seinen Wechsel an den Neckar und vor allem die Wahl seiner Verbindung erschließt sich aus einer Personalie – der seines Leibburschen. Das war Arthur Wunderlich, ebenfalls aus Hamburg, und der war bereits im Sommersemester 1919 bei Derendingia aktiv geworden. Wunderlich war später Kaufmann in Hamburg; er und Roloff „unterhielten zeitlebens einen engen Kontakt“.[12] Roloff blieb weitere bis zum Ende des Wintersemesters 1920/21 bei Derendingia aktiv, focht in seiner Aktiven­zeit acht Partien, bestand sein Physikum und wechselte dann zum Sommer­semester 1921 inaktiv mit Band nach München.[13] Die Derendingia war nicht als Bur­schenschaft gegründet worden und pflegte auch zu der Zeit, als er dort aktiv war, ein liberales, offenes und nicht der dogmatischen Idee der Jenaischen Burschen­schaft verpflichtetes Weltbild. Gefochten wurde jedoch damals eifrig, was man Roloff auch zeitlebens ansah. Heute ist die Tübinger Deren­dingia – nach wie vor einem liberalen Weltbild ver­pflichtet – nicht mehr mensurbeflissen.

Möglicherweise war Roloff auch schon vor seiner Zeit in der akademischen Burschenschaft in Tübingen – damals Primaner oder Abiturient – Mitglied einer Hamburger Schülerverbindung. Der einzige Hinweis darauf ist, dass er bei seinem Vater in einem erhaltenen Brief aus dem Sommer 1918 – also mehr als ein Jahr vor seiner Zeit bei Derendingia – für den nicht abgesprochenen Kauf einer „Kommerszeitung“ um Entschuldigung bittet.[14] Solche Zeitungen, in aller Regel Privatdrucke, waren im gesamten Spektrum des Verbindungs­wesens in jenen Jahren en vogue.

1922 war Roloff zurück in Hamburg. Er gab auf Rat von Max Warburg, dem bekannten Bankier, mit dem auch er persönlich trotz seiner Jungend befreundet war, nunmehr die medizinische Laufbahn auf,[15] ab dem 1. Mai 1922 arbeitete er stattdessen als Kaufmann.[16] Am 17. Mai 1923 heiratete er – gewissermaßen „folgerichtig“ – eine Kauf­mannstochter, die Hamburgerin Käthe Marie Robinow; die Familien Robinow und Warburg waren befreun­det. Am 30. März 1924 wurde das Töchterchen der beiden, Gisela Emily Thora, in Hamburg geboren.

Nach Rotterdam führte Roloffs beruflicher Weg. Bei der Firma Neder­landschen Handelsassociatie N.V. war er zunächst Vorstandsassistent, dann rückte er in den vorstand auf. Die nächste berufliche Station war bei den Vereinigten Seidenwebe­reien AG in Krefeld. Auch dort hatte er einen Vorstandsposten inne. Danach wurde Roloff, kaum 31 Jahre alt, als stell­vertretender General­direktor in den Vor­stand der Deut­sche Hochsee­fischerei AG, kurz „Nordsee“, in Bremen berufen. Diese Blitzkarriere könnte damit zusammenhängen, dass das Bankhaus Warburg große Anteile an der Nordsee hielt;[17] aber auch Roloffs Verschwägerung mit den Robinows, die ja ebenfalls auf gewisse Weise mit den Warburgs zusammen­hing, könnte eine Rolle gespielt haben.[18] Als wenig später diese erste Ehe der Wilhelm Roloffs zu kriseln begann und im Februar 1934 schließlich geschieden wurde,[19] war der bei der Nordsee bereits etabliert.

Der Fichtenhof in Schönebeck bei Bremen

Der Fichtenhof in Bremen-Schönebeck, gelegen vor den Toren der ruhm­reichen Hanse- und Hafenstadt, war im Jahre 1914 für einen prominenten Mediziner, den Direktor der städtischen Klinik für Frauenheilkunde, Dr. Otto Schmidt, erbaut worden.[20] Nachdem der Besitzer das Anwesen nicht mehr nutzen konnte, war es zur Vermie­tung ausgeschrieben worden. Am 1. Mai 1934 zogen Wilhelm Roloff und Alexandra Anna Karin v. Alvensleben in das im Stil eines norddeutschen Bauernhofes errichtete, weitläufige Haus in Schönebeck, knapp 20 Kilometer weserabwärts vom Stadtzen­trum gelegen. Die Hochzeit der beiden erfolgte am 1. Juni 1934 in München. Sie war zu diesem Zeit­punkt 23 Jahre alt, er 34. Am 19. Dezember 1935 kam ihr Sohn Michael Werner Konstantin in Berlin-Dahlem zur Welt.[21] Michael sollte das einzige Kind bleiben, das aus dieser Ehe hervorging.

Zwischen dem persönlichen Erfolg Roloffs und den von Wirtschaftskrise und politischer Zerrissenheit geprägten Zeitläuften zu Beginn der 1930er Jahre hätte der Kontrast kaum größer sein können. Trotz der durchaus privilegierten Stellung als Vorstandsvorsitzender der „Nordsee“ verschloss Roloff seine Augen nicht. Mit „Lexi“ war er sich dabei völlig einig, was die Haltung gegenüber dem NS-Regime betraf, und sie unterstützte ihn darin. Der Zeit­zeuge und spätere Mitverschwörer Gerhard Graf v. Schwerin attestierte nach dem Ende des Nationalsozialismus: „Schon aus unseren ersten Ge­sprächen im Jahre 1936 ging klar hervor, daß Herr Roloff ebenso wie ich ein entschiedener Gegner der nat[ional]soz[ialistischen] Regimes war, das er als überzeugter Demo­krat und Pazifist innerlich völlig ablehnte. (…) Wiederholt kam es im Laufe der Jahre zu politischen Verfahren gegen ihn durch die Gestapo.“ [22] Damit hat Graf Schwerin die damalige Haltung Roloffs treffend geschildert.

Roloff musste allerdings spätestens im Rahmen der Festivitäten zum 50jährigen Bestehen der Deutschen Hochseefischerei Nordsee erkennen, dass er dem nationalsozialistischen Regime gegenüber nicht neutral taktie­ren konnte – seine Position war zu herausge­hoben; sein Eintritt in die NSDAP vom 28. Mai 1937, der rückwirkend zum 1. Mai jenes Jahres wirk-sam wurde, sollte vor diesem Hintergrund gesehen und bewertet werden. Roloff erhielt als „Parteigenosse“ die Nummer 4.012.521.[23]

Doch das war nur die eine Seite. Parallel zur Vereinnahmung Roloffs durch die NSDAP begannen sich die Treffen mit Regimegegnern im Fichtenhof zu verste­tigen. Über die Treffen im Fichtenhof schreibt er: „Von den massgeblichen Führern der Oppositionsbewegung waren mir befreundet oder verkehrten regelmässig in meiner Wohnung: Generaloberst Beck, General­oberst v. Hammerstein, General Oster, Reichsgerichtsrat v. Dohnanyi, Herr Nico­laus Christoph v. Halem, Graf Lehndorff-Steinort, Dr. Gisevius, Herr Fabian v. Schlabrendorff, Otto Hübener, Graf Albrecht Bernstorff, Dr. Pechel sowie vor allem Eduard Waetjen und Dr. Brücklmeier.“[24] Auch die Grafen Schwerin,[25] Wilhelm Canaris sowie Carl-Friedrich Goerdeler[26] waren im Fichtenhof. Zu Waetjen be­stand, wie sich schriftlichen Zeugnissen entnahmen lässt, sogar „eine freund­schaft­liche Verbin­dung“.[27]

Stark sind angesichts dessen die Anmutungen an das „Berghaus“, das zum Beritt des Moltke-Gutes Kreisau in Niederschlesien gehörte; nach dem Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 sollten es die Treffen in diesem Haus sein, nach dem der Terminus „Kreisauer Kreis“ im Nachhinein geprägt wurde.[28] Roloff nutzte hier die Kontakte seines Schwiegervaters Werner v. Alvens­leben. So darf von einem gehoben-bürgerlichen, teils adeligen Personenkreis ausgegangen werden, der den Fichtenhof zu seinem Treffpunkt auserkoren hatte. Auffällig ist dabei aber, dass über diesem Treffpunkt des Widerstands bei Roloff keine zeitge­nössischen Aufzeichnungen existieren, wie eine Analyse der einschlägigen Literatur ergeben hat, und dass sich erst knapp sieben Jahrzehnte nach dem Ende der Hitler-Diktatur für den Fichtenhof der Schleier lüftete – die 2013 veröffentlichten Erinnerungen der Krankenhausärztin Charlotte Pommer haben dieses Kapitel des Widerstands für die Forschung deutlich sichtbar gemacht.[29]

Dass die Treffpunkte von Widerstandkämpfern geheim waren und auch blieben, ist indes keine Ausnahme. Der Kreisauer Kreis mag hier als prominentes Beispiel dienen.[30] Nur wenige größere Treffen fanden auf diesem in Niederschlesien gelegenen Gut der Grafen Moltke statt; der Widerstandskreis um Helmuth James Graf v. Moltke und den Bonner Preußen Peter Graf Yorck v. Wartenburg, dessen Mitglieder sich selbst wahr­scheinlich nur als „der Freundeskreis“ titulierten,[31] traf sich ungleich öfter in Yorcks Wohnhaus in der Hortensienstraße in Berlin-Lichterfelde oder bei Moltke in der Derfflingerstraße nahe des Tiergartens.[32] Zudem fanden die Treffen der Kreisauer generell erst ab 1940 statt, diverse Widerstandszirkel existierten deutlich früher.

Bereits im Herbst 1938, parallel zur Sudetenkrise, wurde Roloff möglicherweise zu einem geheimen Mitarbeiter von Ludwig Beck, der im August vom Posten des General­stabschefs des Heeres zurückgetreten war. Diese Angabe stammt von Rudolf Pechel, dem Herausgeber der bedeutenden konservativen Zeitschrift „Deutsche Rundschau“. [33] Beck plante den Versuch einer Verständigung zwischen dem deutschen Widerstand und Großbri­tannien, und Roloff kontaktierte den in London lebenden Pieter Hendricks, seinen engsten Vertrauten im Unilever-Vorstand. Hendricks war für das Deutsch­land-Geschäft von Unilever und damit auch für die Nordsee Deutsche Hochseefischerei AG verantwort­lich.[34] Es gelang Roloff, einen Kontakt zum briti­schen Außenmini­sterium herzustellen,[35] er schrieb jedoch in der Rückschau: „Die Verhand­lungen sind allerdings erfolglos geblieben, weil die Beseitigung der NSDAP sich als Voraussetzung zur Verwirklichung der Friedenspläne noch als un­möglich erwies.“ [36] Diese Tätigkeit weist Roloff als zen­trale Figur des Widerstands in jenen Monaten aus. Sie wäre geeignet gewesen, ihn und alle seine Mit­wisser an den Galgen zu bringen.

Der Histori­ker Gerd Wöbbeking resümiert mit Blick für diese Lebensphase Roloffs: „In jedem Falle ist sein Leben glanzvoll und tragisch zugleich. Er hat sich mutiger als viele, gerade viele Manager, gegen Nazi-Deutschland positioniert.“ [37] Doch in Krei­sau wurde kein kohärentes Modell für ein Nachkriegsdeutschland ohne Hitler ent­wickelt [38] – und ebenso wenig darf für die Treffen „bei Roloff“ im Fichtenhof von einem festgefügten Themenkanon oder einem fest umrissenen Entwurf ausgegangen werden.

Im Folgejahr spitzte sich die Kriegsgefahr abermals zu; Hitler hatte im April die Vorbereitung des Angriffs auf Polen befohlen.[39] Eine Gruppe Gerhard Graf v. Schwerin plante im Frühjahr 1939 eine erneute Mission nach England, bei der hochrangige Vertreter aus Militär und Wirtschaft den Versuch unternehmen woll­ten, den Krieg zu verhindern. Zu dieser Mission, die aufgrund höchst notwendiger Tarnmaßnahmen als „private Reise“ tituliert worden war, brachen Adam v. Trott zu Solz,[40] Helmut James Graf v. Moltke, Erich Kordt,[41] Fabian v. Schlabrendorff sowie Gerhard Graf v. Schwerin auf.[42] Roloff stellte im Vorfeld wichtige Kontakte her, denn der direkt im Stab v. Weizsäcker arbeitende Kordt wollte zusammen mit seinem Bruder Theo, der an der deutschen Botschaft Dienst tat, Kontakt zu dem Diplomaten Robert Baron Vansittard aufnehmen.[43] Rückblickend schrieb Roloff, dass er den Grafen Schwerin „unter Umgehung der Botschaft mit einer Reihe füh­render Männer in der englischen Politik und Wirtschaft in Verbindung gebracht“ habe.[44] Dies sei geschehen in der Absicht, „maßgebende englische Stellen auf die Notwendigkeit einer klaren und entschiedenen Manifestation ihrer Entschlossen­heit, Hitler Politik der Rechts­brüche nicht länger zu dulden, hinzuweisen“.[45] Botho v. Wussow gab Schwerin zwei Empfehlungsschreiben mit.[46] Eduard Waetjen bestä­tigt: „Unter anderem hat Roloff es durch seine Beziehungen ermöglicht, daß noch einmal zwischen damaligen Führern der deutschen Wirtschaft und führenden Persönlichkeiten Englands nach letzten Möglichkeiten gesucht wurde, den Welt­krieg zu verhindern.“ [47] Für die zwölf Monate vor dem Aus­bruch des Zweiten Weltkriegs kann damit gesagt werden, dass das Ehepaar Roloff zu einer der wich­tigen Gruppen im Widerstand gegen Hitler gehörte.[48]

Während Roloff privat ein ums andere Mal nach England kabelte, Botschaften sandte und auf Antwort wartete, wahrte er nach außen hin die Fassade des stellver­tretenden Generaldirektors eines für den NS-Staat wichtigen Betriebs. Vor allem in der Entwicklung neuer Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln war er erfolgreich, und natürlich wurde das von führenden NS-Größen, die einen Krieg möglich hielten oder sogar anstrebten, sehr aufmerksam beobachtet. 1938 reiste er in die USA und erkannte, dass das dort praktizierte „Birdseye“-Verfahren zum Tiefgefrieren von Lebensmitteln – und durchaus nicht nur für Fischfilets – dienen konnte.[49] Seit Anfang 1939 wurden von einer Nordsee-Tochter, der „Fisch ins Land GmbH“, die Produktion von Gefrierfisch aufgenommen.

Aus­gehend vom Handel mit gefrorenen Fischfilets wuchs die Tiefkühlwirt­schaft enorm schnell,[50] was einerseits dem unternehme­rischen Geschick Roloffs geschul­det war, denn die Nordsee entwickelte einen neuen Typus des Filialsystems nach dem Vorbild aus den USA mit einheit­lichen Einrich­tungen in allen Filialen von Aachen bis Beuthen und hatte damit großen Erfolg bei der Kundschaft. Anderer­seits lag diese Entwicklung in der begin­nenden Kriegswirtschaft begrün­det,[51] die im Bereich der Lebensmittel vor allem eine Vorratswirtschaft war.   

Bereits im November 1938 hatte Wilhelm Roloff den Fichtenhof erworben, und im März 1939 kaufte er auch das Grundstück, auf dem das Haus – bisher in Erbpacht – erbaut worden war.[52] Das könnte in der Absicht geschehen sein, seine Frau und den Sohn zu versorgen, denn am 17. Febru­ar 1940 schenkte er Haus und Grund seiner Frau. Er blieb nach außen hin auch weiter unauffällig und wahrte die Fassade eines im Nationalsozialismus angepassten Firmenchefs. Doch das wurde immer schwieriger, denn einer­seits wuchs der Druck für den Widerstand mit der zuneh­menden Radikali­sierung des NS-Staates, und andererseits wurde er zunehmend – wenn auch indirekt – in das beginnende Kriegsgeschehen involviert. Die Deutsche Hochseefischerei AG war nun, spätestens seit Kriegsausbruch, „kriegswichtig“ und wurde nicht zuletzt von der Vierjahresplan-Behörde, der Hermann Göring vorstand, zunehmend strenger überwacht. Große Teile der Fischfangflotten wurden kon­fisziert und zu militärischen Zwecken umgebaut, und Roloff begann bereits im September 1939, mit seinen Fangflotten auf Norwegen auszuweichen. Er war beteiligt am Aufbau eines europaweiten Systems zur Versorgung von Militär und Bevölkerung mit Tiefkühlfisch, das bis nach Westfrankreich und in die Türkei reichte.[53] Zu seiner konformen Fassade gehört auch, dass er vom August 1940 bis zum 30. April 1943 als Sachverständiger für Ernährung im Heeresverwaltungsamt des Oberkommandos des Heeres in Berlin eingesetzt war. Und in dieser Funktion sollte ihm der Mann begegnen, dem dieser Aufsatz ebenfalls gewidmet ist.

Unermüdlich für Hitlers Sturz: Eduard Brücklmeier

Eduard Brücklmeier: einziges erhaltenes Bild in Couleur; Privatbesitz des Autors

Eduard Robert Wolfgang Brücklmeier[54] kam am 8. Juni 1903 in München als zwei­tes von sieben Kindern des erfolgreichen Rechtsanwaltes Dr. Bruno Brücklmeier zur Welt.[55] Das Abitur legte er zu Ostern 1923 an der Haupt­kadettenanstalt in Berlin-Lich­ter­felde ab. Zum folgenden Sommer­semester, ab Mai 1923, kam Brücklmeier nach München. Er wurde zum Winterseme­ster 1923/24, seinem zweiten Studienseme­ster, vom Corps Bavaria München als Fuchs akzeptiert. Für 1924 ist seine Rezep­tion vermerkt,[56] im Mai 1925 wurde er inaktiv.

Am 2. Mai 1928 begann Eduard Brücklmeier seine Lauf­bahn als Diplomat. Er wurde beim Aus­wärti­gen Amt in Berlin im Dienstrang eines Attaché angestellt, die Einberufung datiert vom 28. April. Am 21. Dezember 1929 wurde Brücklmeier vom Auswärtigen Amt bescheinigt, daß er seine konsu­la­risch-diplomati­sche Prü­fung mit der Note „genügend“ bestanden habe.[57] Die erste Station des Diplomaten war Bagdad, das damals der Gesandt­schaft in Teheran zugeordnet war;[58] 26. Juni 1930 traf Brücklmeiers dort ein.[59] Teheran war sein nächster Einsatzort, am 9. Dezember 1930 trat er seinen Dienst dort an.[60]Mit Albrecht v. Kessel, einem Studienfreund, war er ab 1933 in Kattowitz eingesetzt.[61] Er war dort für die Unterstützung der Deutschen im kurz zuvor polnisch gewordenen östlichen Teil Oberschle­siens zuständig und geriet deswegen erstmals in Konflikt mit der NSDAP, und zwar mit deren Auslandsorganisation in Breslau-Carlowitz.[62] Kessel sprach von einer „Kampf­gemeinschaft“ der beiden, und er fährt fort: „Da wir in vielem die gleichen Anlagen und Auffassungen hatten und alle Erlebnisse teilten, so standen Brücklmeier und ich bald unzertrennlich in einer Front.“ [63] Beide erkannten schon damals einen „Krebsschaden, den Hitler dem Reich zufüge“.[64]

Nach mehreren weiteren Verwendungen, darunter einer für ihn sehr erfüllenden Zeit an der Botschaft des Deutschen Reiches in London,[65] trat Eduard Brücklmeier schließlich am 11. Juli 1938 einen Posten im Büro des eben ernannten Reichsaußenministers Joachim v. Ribbentrop an. Er tat dies höchst ungern, weil er strikter Gegner der National­sozialisten war. Formal wurde er der Politi­schen Abteilung des Auswärtigen Amtes zugeordnet, und zwar dem Referat I, das für Völkerbund, Militär und Rüstungs­fragen zustän­dig war.[66]

Brücklmeier bildete schon bald mit Diplomaten wie Albrecht v. Kessel, Hans-Bernd v. Haeften, Hasso v. Etzdorf,[67] Gottfried v. Nostitz sowie den Brüdern Theo und Erich Kordt eine Widerstandsgruppe. Im September kam schließlich noch als Verstärkung Botho v. Wussow hinzu, für den Brücklmeier, der eine Art Koordinatorenfunktion gehabt zu haben scheint, eine Stelle in der eben gegründeten Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes gefunden hatte, worüber sowohl er selbst als auch Wussow „selig waren“.[68] Zu nennen sind in diesem Zusammenhang sicher auch Otto Kiep und Albrecht Graf v. Bernstorff. Diese Gruppe, die als „Septem­berverschwörung“ bekannt ist, war im Herbst 1938 der wichtigste Teil eines größeren Netzwerks aus Militärs und Zivilisten, das Hitler nicht nur stürzen wollte, sondern das erstmals auch erkennen ließ, dass der Diktator umge­bracht werden sollte. Dies wird aus den 1950 veröffentlichten Erinne­rungen Erich Kordts deutlich: „Es gab daher auch 1938 keine andere Gruppe als unsere, die Aussicht haben konnte, Hitler zu stürzen.“[69] Diese September­ver­schwörung brach, als sich Ende September 1938 das Münchner Abkom­men durch Chamberlains Politik des „appeasement“ abzeichnete, binnen Stunden quasi geräuschlos zusammen.

Nach dem Kriegsausbruch im September 1939 wurden sofort erneute Vorbereitungen für ein Attentat gegen Hitler getroffen. Erste Pläne für ein Pistolenattentat in der Reichskanzlei waren gediehen. Doch am Abend des 6. Oktober 1939 ging im Auswärtigen Amt ein Anruf der Gestapo ein. Brücklmeier, der noch in seinem Büro arbeitete, wurde aufgefordert, direkt – noch am Abend – im Gestapo-Haupt­quartier zu erscheinen. Der Grund war eine Denunzia­tion durch seine Hausarzt Fritz Karnitschnig.[70] Dort angekommen wurde er sofort verhaftet – schließlich war er schon vorher verschiedentlich  als Regimegegner aufgefallen, zum Beispiel in Kattowitz. Die Verhaftung schlug bei den Mitverschworenen ungeachtet dessen ein wie eine Bombe. Sein direkter Vorgesetzter, Erich Kordt, schreibt in seinen Memoiren: „Was war geschehen? Waren unsere Bestrebungen verraten worden? Für Brücklmeier blieb keine andere Wahl, als der Aufforderung nachzukom­men.“ [71] Die Staatstreichvor­bereitungen, die gleichwohl noch nicht weit gediehen waren, brachen aufgrund dieser Verhaftungen abermals zusam­men. Zwar verlief die Haft im Gestapo-Gefängnis glimpflich. Zwar hatte Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheits­hauptamtes, am 10. Oktober 1939 vorgeschlagen, Brücklmeier die „Erziehungsab­teilung“ – also die SS-Strafkompanie – des KZ Sachsenhausen einzu­weisen,[72] Brücklmeier hatte jedoch mehrere ungenannte Fürsprecher,[73] zu denen bereits auch Roloff gehört haben könnte. Damit konnte seine Einweisung ins KZ knapp vermieden werden. Ribbentrop verfügte aber die sofortige Entlassung Brückl­meiers, seine Verstzung in den einstweiligen Ruhestand – und verbat sich für die Zukunft die Erwähnung „dieses Namens“ in seiner Gegenwart.[74]

Über Botho v. Wussow könnte Roloff erstmals im Jahre 1938 mit Eduard Brücklmeier in Kontakt gekommen sein.[75] Sicher ist, dass sich die beiden Anfang 1940, nach Brücklmeiers Entlassung aus dem diplomati­schen Dienst, auf Vermittlung von Eduard Waetjen trafen.[76] Roloff war zu diesem Zeitpunkt zum Sachverstän­digen für Ernährung im Heeresverwal­tungsamt des Oberkommandos des Heeres in Berlin ernannt worden.[77] Brücklmeier wurde dann am 10. Oktober 1940 an die Westfront, nach Frank­reich, eingezogen.[78] Im Januar 1941 wurde er jedoch bereits wieder aus der Wehrmacht ent­lassen, aber es gibt keinen Beleg dafür, dass Roloff hier die Fäden zog. Allerdings ist bekannt, dass sich im Laufe des Jahres 1940 zwischen Brücklmeier und Roloff ein freundschaftlicher Kontakt entwickelt hatte.[79]Sicher ist auch, das Brücklmeier ab dem 20. April 1941 für das OKH arbeitete,[80] und zwar im Rang eines Kriegsverwaltungsrats. Roloff war sein direkter Vorgesetz­ter.[81]

Brücklmeier war für die Beschaffung von tiefgekühltem Fisch zuständig. Er wurde jedoch aufgrund dieser Tätigkeit im Mai 1941 ein weiteres Mal von der Gestapo überprüft. Möglicherweise war er abermals denunziert worden, denn Roloff hatte ihm dieses Tätigkeit im OKH ja tatsächlich verschafft, um seine konspirative Tätigkeit zu decken und ihn für den Widerstand „günstig“ zu platzieren. Und irgendetwas muss bekanntgeworden sein; das Ergebnis der Überprüfung fiel mitnichten zur Zu­friedenheit des NS-Regimes aus, denn direkte Folge war, daß er aus der SS, in die er nie hineingewollt hatte, aus­geschlossen wurde. Doch die Gestapo ließ auch jetzt nicht locker. Über Brücklmeiers Ein­stellung war im Laufe der Jahre genug bekanntgeworden, um ihn für das NS-Regime ver­dächtig zu ma­chen. Er ver­lor seine Stellung im OKH zum 31. Oktober 1942; als Grund wurde „politi­scher Unzuver­lässigkeit“ ange­geben. Dies geschah, obwohl Reichsaußen­minister v. Ribbentrop, nochmals mit der Personalie Brücklmeier befasst, am 26. Oktober 1942 mitteilen ließ, er habe gegen eine „rein wirt­schaft­liche“ Verwendung Brückl­meiers auf dem Ge­biet der Tiefkühltechnik keine Einwände.[82]

Nach seiner Entfernung aus dem OKH sollte Brücklmeier an die Ostfront eingezogen werden; im November 1942 wurde er zum Landesschützen­ba­taillon ein­gezogen. Roloff, der längst zu einem Freund geworden war, ge­lang es je­doch, in letzter Minute zu errei­chen, daß er „u.k.-gestellt“ wurde,[83] und auch der zum engeren Kreis des militärischen Wider­stands zählende General Friedrich Olbricht hatte sich für Brücklmeier verwendet.[84] Nicht offenbar wurde indes, dass Roloff seinerseits aktiv im Wi­derstand engagiert war.[85] Über Roloff erhielt Brücklmeier eine Stellung als Leiter des Berliner Büros der „Nord­see“, was unauffällig gelang, weil der auch zuvor beim OKH für die Be­schaffung von tief­gefrorenen Lebensmitteln zu­ständig gewesen war.[86] Roloff schreibt über diesen ganzen Vorgang: „Der (…) besonders eng mit mir verbundene Dr. Brücklmeier, welcher Anfang 1940 wegen seiner opposi­tionellen Einstellung aus dem Auswärtigen Amt entlassen worden war, wurde von mir zunächst im Heeresverwaltungsamt, später in der ‚Nordsee’ angestellt, um ihm auf diese Weise Gelegenheit zu geben, seine aktive Tätigkeit gegen Hitler und die Partei fortzusetzen und weiterhin für die Verschwörer tätig zu sein.“[87] Das rettete Brücklmeier zunächst, und seine intensive Tätigkeit für den Wider­stand blieb auch in den Folgejahren bis zum Juli 1944 unentdeckt. Gegenüber Goerdeler, der ihm einen Posten in der deutschen Außenpolitik angeboten hatte, wahrscheinlich den eines Staatssekretärs, erklärte er, lieber das Auswärtige Amt in einem gehobenen Innendienstposten – im Personalwesen – von den ihm zutiefst ver­hassten Nazis „reinigen“ zu wollen.[88]

Ein Mitverschwörer des 20. Juli – 60 Jahre lang quasi unerkannt

1944 erklärte sich Roloff sich dann gegenüber den führenden Köpfen des Kreisauer Kreises bereit, in einem Deutschland nach Hitler eine führende Rolle im Ernährungsministerium einzunehmen, so, wie das Brücklmeier wohl schon etwas früher getan hatte. Gottliebe Gräfin v. Lehndorff formulierte in ihren Erinnerungen, dass Roloff „nach dem Gelingen des Coup“ die Stellung eines „Cheftechnokraten, verantwortlich für die Ernährung des (buntscheckigen?)[89] deutschen Volkes“ einnehmen sollte.[90] Roloff stellte sich dabei zur Verfügung, obwohl er ein Gegner eines gewaltsamen Umsturzes war. Er schrieb dazu: „Zur völligen Klarstellung meiner eigenen politischen Haltung möchte ich dabei be­merken, dass ich (…) mit den beiden Grafen Schwerin zu der kleinen Minderheit gehörte, die an sich gegen einen Gewaltstreich war.“ Brücklmeier wollte den Tod Hitlers, aber Roloff meinte, dass der Nationalsozialismus „bis zum bitteren Ende ausgekostet werden müsse, um ganz überwunden zu werden“.[91] Doch diese divergierende Meinung scheint nicht problematische gewesen zu sein, denn Gerhard Graf v. Schwerin konnte testieren: „Herr Roloff hat der Oppositions-Bewegung, die zum Staatsstreich des 20. 7. 1944 führte, aus tiefinnerster Über­zeugung gedient, unter Aufsichnahme per­sönlicher Nachteile, Verfolgung, Inhaftie­rung, Gefahr an Leib und Leben und schweren gesundheit­lichen Haftschäden.“ [92]

Kurz bevor er verhaftet werden sollte, im Juli 1944, wurde Roloff zum Wehrwirt­schaftsführer ernannt. Daraus ist ersichtlich, dass es ihm gelungen war, seine wahren Ansichten und Aktivitäten bis zum Zeitpunkt des Stauffen­berg-Attentats wirksam hinter einer regimekonforme Fassade zu verbergen. Heinrich Lohmann will in dem nach außen hin unauffälligen Verhalten Roloffs erkennen, das „durchaus opportunistisch und regimekonform“ gewesen sei.[93] Für eine solche innere Haltung fehlt jedoch der Beleg, denn das hätte bedeuten müssen, dass Roloff von seiner Untergrundtätigkeit zusammen mit den anderen Verschwörern gegen Hitler innerlich abgelassen hätte. Das war jedoch nicht der Fall, im Gegenteil – je länger der National­sozialismus dauerte, desto entschiedener wurde Roloff in seinem Engage­ment. Den Wider­spruch, in den sich Gegner des NS-Regimes begeben mussten, beschreibt auch Lohmann selbst, wenn er attestiert, dass Roloff „immer wieder bereit war, den Widerstand zu unterstützen, wenn er darum gebeten wurde“.[94]

Dann begann die heiße Phase vor dem Stauffenberg-Attentat. In seinen Erinnerungen schreibt Roloff: „Im Mai und Juni (1944 – d. Autor) fanden dann weitere Besprechun­gen zwecks Vorberei­tungen des Attentats statt. Am 30. 6. 1944 teilte mir Dr. Brücklmeier offiziell mit, daß ich mich am 15. Juli für die Übernahme meines Amtes bereithalten müsse, da für diesen Tag das Attentat angesetzt sei.“ [95] Diese Schilderung zeigt nicht zuletzt, wie unmittelbar Brücklmeier in die Vorbe­reitungen zum Staats­streich gegen Hitler eingebunden war: Seine Nachrich­ten wur­den unter den Verschwörern als „offiziell“ eingestuft. Bereits 1938 war er in ähn­lich zen­traler Position an Putsch­vorbereitungen gegen Hitler beteiligt gewesen.[96] Nach wie vor scheint er eine koordinierende, führende Rolle gehabt zu haben. Weder Brücklmeier noch Roloff waren dann aber an der unmittel­baren Ausführung des Stauffen­berg-Attentats beteiligt. Der Grund dafür darf darin gesehen werden, dass im Sommer 1944 ausschließlich Militärs Zugang zu Hitler hatten – beide waren sie Zivilpersonen.

Erst das Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli mit seinen polizeilichen Ermitt­lungen, in deren Verlauf bald die Kabinettsliste von Carl-Friedrich Goerdeler gefunden wurde, machte die Beteiligung Brücklmeiers wie Roloffs an der Verschwörung zum Tyrannen­mord offenbar. Unmittelbar nach dem versuchten Staatsstreich wurden alle polizeilichen Kräfte in Bewe­gung gesetzt, vor allem die Gestapo, um Tausende seiner Gegner – auch Zivilisten – zu verhaften. Vordringlich ging es den Gestapo-Leuten darum, die Männer zu finden, die auf Goerdelers Kabinettsliste standen. Und so wurde der 27. Juli 1944 zum Schicksalstag für die beiden Wider­standskämpfer Roloff und Brücklmeier. Ersterer wurde gegen 22 Uhr im Duisburger Hauptbahnhof von der Gestapo verhaftet,[97] Letzterer am selben Tag in Prag,[98] wo er nicht nur Anteileigner zweier Häuser am Altstädter Ring war, sondern wo er auch den Sohn seines an der Ostfront gefallenen älteren Bruders als Vormund betreute.[99]

Während die Verhaftung für Roloff letztlich eher überra­schend gekommen sein muß, hatte Brücklmeier – wohl durch seine enge Einbin­dung in die Berliner Verschwörerkreise – eine deutlich Vor­ahnung. Das Angebot von Freunden, ihn zu verstecken, hatte er zuvor abgelehnt. Das war nicht nur der Sorge geschul­det, seine Familie könnte in der Folgezeit unter Sippenhaft zu leiden haben, son­dern es war Ausdruck seiner christlichen Haltung. Als praktizierender Katholik war er seit seiner Hinwendung zum Widerstand dazu bereit, für seinen Glauben – und damit für seine Überzeugungen – zu sterben.[100]

Eine Ärztin gibt Zeugnis

Eine bedeutende Quelle für die Geschichte des Widerstands gegen Hitler ist das „Aerogramm an Lexi im Elysium“, das die Berliner Ärztin Charlotte Pommer nach Krieg und Diktatur verfasst hat,[101] Barbara Orth hat es in ihrem wichtigen Buch „Gestapo im OP“ gewürdigt und ausgewertet. Am 15. August sind sich „Lexi“ und Charlotte Pommer zum ersten Mal begegnet – ein dramatisches Ereignis war vorausgegangen. Am 4. August war Wilhelm Roloff mit lebensgefährlichen Verletzungen durch die Gestapo in das Staatskrankenhaus der Polizei eingeliefert. Er hatte sich selbst die Pulsadern aufgeschnitten. Dank seiner medizinischen Kenntnisse, durch die er die Schnitte sehr tief setzte, schwebte er in absoluter Lebensgefahr.[102] Dem Suizidversuch ging aus­weislich der Krankenakte ein Herzanfall voraus, der eine Bedrohungs- und Vernichtungsgefühl mit sich brachte.[103] Roloffs Motiv für den Selbstmord­versuch war höchstwahrscheinlich die Überlegung, dass seine Frau und sein Sohn sein Erbe antreten könnten, wenn er ohne Verurteilung wegen Hochverrats gegen das NS-Regime aus dem Leben scheide. Die Gestapo indes sah den Suizidversuch als ein Schuldeingeständnis an.[104] Roloff erlitt in den Folgewochen mehrere weitere Herzanfälle sowie eine Thrombose im Unterschenkel; [105] die schwerste gesundheit­liche Attacke ereignete sich, als er von der Verhaftung seines Freundes und Mit­verschwörers Gerd Graf v. Schwerin erfuhr.[106]

Wichtig war für beide in der Folgezeit die Unterstützung der jeweiligen Ehefrau. Klotilde Brücklmeier brachte ihrem Mann täglich Verpflegung an das Gefängnistor. „Lexi“ Roloff ließ sich selbst durch die Gestapo verhören und schließlich sogar verhaften, um entlastende Informationen über ihren Mann zu streuen. Charlotte Pommer vermittelte den Kontakt zwischen den Eheleuten Roloff, und für die Familie Brücklmeier fuhr sie von Berlin nach Schliersee, um für Monika, die Tochter, unter falschem Namen einen Platz in einem Kinderheim zu reser­vieren, um damit dem Kind mögliche Verschleppung in ein Kinderheim im Rahmen der Sippenhaft des NS-Staates zu ersparen.[107]

Roloff wurde am 20. November 1944 in das Gefängnis Lehrter Straße verlegt,[108]dort war inzwischen auch sein Schwiegervater Werner v. Alvens­leben inhaftiert. Durch Bestechung des Wachpersonals gelang es Alexandra Roloff, beide zu besuchen, Lebensmittel hineinzuschmuggeln und Flucht­pläne vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt war Brücklmeier bereits nicht mehr am Leben. Er war am 20. Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee gehenkt worden.[109] Die schicksalhafte Begegnung der beiden Widerstandskämpfer hatte mit dem Stauffenberg-Attentat ihr Ende gefunden.

Die Gestapo versuchte in den drauffolgenden Wochen, Zu­sammenhänge zwischen der konspirativen Tätigkeit Brücklmeiers und der Rolle Roloffs herzustellen – was auch diesen an den Galgen gebracht hätte. „Lexi“ Roloff provozierte schließlich ihre eigene Verhaftung durch die Gestapo, wo sie in den unvermeidlichen Verhören heraushören konnte, was ihrem Mann vorgeworfen wurde. Diese Er­kenntnisse gab sie an die Ärztin Charlotte Pommer, die dann wiederum Roloff informieren konnte.[110] Diese Informa­tionen verschafften dem Inhaftierten genü­gend Möglich­keiten für eine geschickte Verteidigungsstrategie, was mutmaßlich entscheidend dafür war, dass er ein Todesurteil vermeiden konnte. Durch Charlotte Pommer und deren Vorgesetzten, den Arzt Albrecht Tietze, konnte „Lexi“ ihren Mann mehrmals besuchen, doch nicht nur das: Sie konnte dadurch das Weih­nachtsfest 1944 mit ihrem gleichfalls inhaftierten Vater verbringen.[111] Durch beharrliches Intervenieren gelang es ihr in den Folgewochen, die Kontakte zum Wachpersonal zu verstetigen. Lexi Roloff nutzte dabei offen­bar ge­schickt die Verunsicherung, die sich im Frühjahr 1945 unter denjenigen breitmachte, die Nazi-Mordbefehle ausführten. Es wird zu einem Gutteil diese Hart­näckigkeit sein, der Wilhelm Roloff seine Freiheit verdankte. Er wurde formlos laufengelassen.[112] Das geschah am 22. April 1945, wohl in den Abendstunden, während der chaotischen Auflösungsphase des Gefäng­nisses. Dutzende anderer Gefangener wurden dagegen in dieser und der folgenden Nacht von Gestapo und Wachpersonal ermordet – ein Beispiel dafür ist der Rechtsanwalt Hans Koch,[113] dessen Frau auch bei Charlotte Pommer Erwähnung findet.[114]

Wilhelm und Alexandra Roloff gelang aus den Wirren des Einmarsches der Russen nach Berlin in den letzten Apriltagen 1945 zunächst mithilfe guter Freunde auf Fahrrädern die Flucht nach Bremen und bis auf den Fich­tenhof.[115] Wilhelm Roloff wurde zunächst wieder als Generaldirektor der Nordsee eingesetzt, dann aber im Sommer 1946 vorübergehend durch die Briten im einst von den Nazis errichteten Lager Sandbostel im Kreis Bre­mervörde interniert. Der Grund war, dass er formal, also aufgrund seiner Position, den Posten eines Wehrwirtschaftsführers erhalten hatte. Für Ro­loff, den Mitverschwörer des 20. Juli, dürfte eine zusammengebro­chen sein.[116] Zwar erfolgte eine erste Entlastung durch die Stadtvertretung der Stadt Wesermünde am 25. November 1946, und die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit wurde ihm vorläufig gestattet.[117]Erst am 21. April 1948 wurde er jedoch durch die Spruch­kammer Bremen rehabilitiert: „gemäß Art. 13 des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Milita­rismus vom 9. 5. 1947“ wurde das seit 1946 anhängige Verfahren gegen ihn „ein­gestellt, da er entlastet ist“.[118]

Doch die Entspannung war wohl nur äußerlich. Wie es um Alexandra und Wilhelm Roloff stand, lässt sich möglicherweise aus der Tatsache ermessen, dass im Novem­ber 1947 ihre Ehe geschieden wurde.[119] Bis min­destens 1949 war Wilhelm Roloff nur teilweise fähig, einer Arbeit nachzu­gehen.[120] Die Stimmung jener Jahre be­schreibt Charlotte Pommer in ein­drücklichen, verdichteten Worten: „Bis heute habe ich aber keinen Weg gefunden, wie man sich unter den gegebenen Umständen erfolgreicher hätte gegen die Gewalt stellen können. (…) Abschied. – Nunmehr ging jeder seiner Wege, und keiner fand mehr in die alte Ordnung zurück.“ [121]

Roloff übersiedelte nach Äthiopien, wo er im Frühjahr 1950 bereits ansässig war,[122]zog dann in die Schweiz und lebte schließlich in Kanada, wo er am 27. Februar 1979, 78 Jahre alt, verstarb.[123] Erst 2014 ist er von der Gedenk­stätte Deut­scher Widerstand in Berlin geehrt und als Widerstands­kämpfer wahrgenommen worden.

Das Titelbild dieses Beitrags zeigt links Wilhelm Roloff als Fuchs der Burschenschaft Derendingia Tübingen; Archiv der Derendingia Tübingen; rechts Eduard Brücklmeier im Couleur des Corps Bavaria München; es ist nach heutigem Kenntnisstand das einzige Bild, das in mit Band und Mütze zeigt; Sammlung Sigler, Steinhagen.


[1]     Dieser Aufsatz ist erschienen im Jahrbuch Einst & Jetzt des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Bd. 64, 2019, S. 337 – 354; zu Brücklmeier: Sigler, Sebastian, Eduard Brücklmeier – Netzwerker gegen Hitler, in: ders., Corps­stu­denten im Widerstand gegen Hitler, Berlin 20152, S. 91 – 114.

[2]     Pechel, Rudolf, Deutscher Widerstand, Zürich 1947, S. 299 f.; Bielenberg, Christabel, Als ich Deutsche war: 1934 – 1945. Eine Engländerin erzählt, München 1969, S. 230.

[3]     Lucius, Robert v. (Hg.), Weiß-Grün-Schwarz-Weiß. Beiträge zur Geschichte der Saxo-Borussia zu Heidelberg, Band 2: 1934 – 2008, Heidelberg 2008, S. 16 ff.; ders., Speere werfen und die Götter ehren – Nikolaus von Halem, in: Sigler, Sebastian (Hrsg.), Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler, Berlin 20152, S. 141 – 158, insbes. S. 144 f., 149, 151.

[4]     Waetjen war der zweite Widerstands­kämpfer, der mit Roloff so eng verbunden wie Brückl­meier; vgl. dazu: Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen (künftig: StA Bremen), Entnazi­fizierungsakte Wilhelm Roloff, 4,66-I, Senator für politische Befreiung, Signatur 9186 (künf­tig: Entnazi­fi­zie­rungsakte Roloff, 4,66-I), darin: Roloff, Wilhelm, State­ment, 5. September 1946, Blatt 3.

[5]     Gerlach, Otto (Bearb.), Kösener Corpslisten 1960, Kassel 1961, (künftig: KCL), Nr. 104-1690.

[6]     StA Bremen, Entnazifizierungsakte Roloff, 4,66-I: Roloff, Wilhelm, State­ment, 5. September 1946, Blatt 3.

[7]     Erst 2014 wurde Roloff in Berlin offiziell geehrt, eine formelle Aufnahme in die Liste der Wider­standskämpfer der Berliner Gedenk­stätte Deutscher Widerstand steht noch aus. Vgl.: httpss://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/gesamtliste-personen, Abruf: 17. Novem­ber 2018.

[8]     Wunderlich, Arthur, Nachruf auf Wilhelm Roloff, Bundeszeitung der Burschenschaft Deren­dingia 1979/I, S. 42 – 44, Archiv der Burschenschaft Derendingia Tübingen. Wunderlich war Roloffs Leibbursch.

[9]     Ebd.

[10]    Roloff, Wilhelm, eigenhändiger, handgeschriebener Lebenslauf, Archiv der Burschenschaft Derendingia Tübin­gen.

[11]    Mitgliederverzeichnis der Burschenschaft Derendingia zu Tübingen, 1967, Stamm­rollen-Nr. 578.

[12]    Mitteilung des Archivars der Derendingia zu Tübingen, Patrick Hoferer, 19. November 2018.

[13]    Ebd.

[14]    Lohmann, Heinrich, Der Bremer Fichtenhof und seine Bewohner, Bremen 2018, S. 27, nennt als Aufbewahrungsort des Briefes das Familienarchiv Dehnerdt, Bielefeld. Sabine Dehnerdt ist eine Nichte Wilhelm Roloffs.

[15]    Lohmann, Fichtenhof, S. 28 f.; ders., S. 34, beruft sich auf ein persönliches Gespräch mit Roloffs Nichte Katharina.

[16]    StA Bremen, Entnazi­fizierungs­akte Roloff, 4,66-I, selbstverfasster Lebenslauf.

[17]    Lohmann, Fichtenhof, S. 30.

[18]    Lohmann, Fichtenhof, S. 29 f., zitiert die Lebenserinnerungen von Roloffs jüngerem Bruder, Thorvaldt Roloff, Familienarchiv Sabine Dehnerdt, Bielefeld: „Mein Bruder kam schon Anfang der zwanziger Jahre durch seine erste Heirat in die Firma Robinow hinein und von dort über (…) entsprechende Verbindungen zur Firma Nederhanas in Rotterdam.“

[19]    Meldekarten Wilhelm Roloff, StA Bremen.

[20]    Lohmann, Fichtenhof, S. 15 – 22.

[21]    Meldekarten Wilhelm Roloff, StA Bremen. Zu vermuten ist, dass Alexandra sich zu Nieder­kunft zu ihren Eltern, deren ständiger Wohnsitz in Berlin war, zurückgezogen hatte.

[22]    StA Bremen, Ent­nazifi­zie­rungsakte Roloff, 4,66-I: Schwerin, Gerhard Graf v., Ty­poskript, 10. Oktober 1946; vgl.: Lohmann, S.77.

[23]    StA Bremen, Ent­nazifi­zie­rungsakte Roloff, 4,66-I: Ahlers, Richard Dr., Eides­stattliche Versi­cherung, 24. Oktober 1945.

[24]         Ebd., Blatt 3.

[25]    Lohmann, Fichtenhof, S. 82, nennt: StA Bremen, Wiedergut­machungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509: Waetjen, Eduard, Eidesstattliche Erklärung, 10. Okto­ber 1946.

[26]    Lohmann, Fichtenhof, S. 88.

[27]    Lohmann, Fichtenhof, S. 83.

[28]    Exemplarisch: Geyken, Frauke, Freya v. Moltke: Ein Jahrhundertleben 1911 – 2010, München 20112, S. 209; Brakelmann, Günter, Helmuth James von Moltke 1907 – 1945. Eine Biographie, München 2007, S. 332; Winterhager, Wilhelm Ernst, Der Kreisauer Kreis – Porträt einer Wider­standsgruppe, Kat. Berlin 1985, Bildunterschrift zu Tafel 2 (nach S. 16): „Das Haus der Familie Yorck in der Hortensienstraße 50 – die zentrale Begegnungsstätte des Kreisauer Kreises in Berlin“

[29]    Orth, Barbara, Gestapo im OP – Bericht der Krankenhausärztin Charlotte Pommer, in: Stu­dien und Dokumente zu Alltag, Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus, Bd. 2, Berlin 2013.

[30]    Schilderungen zu den Ereignissen in Kreisau waren noch in den 1960er Jahren absolute Man­gelware. Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier musste auf englische und französische Autoren, vor allem aber auf den Niederländer Gerrit van Roon verweisen, die sich dieses Themas damals bereits angenommen hatten: Gerstenmaier, Eugen, Der Kreisau­er Kreis – Zu dem Buch Gerrit van Roons „Neuordnung im Widerstand“, in: Vierteljahresheft für Zeit­geschichte, 3, 1967, S. 221 – 246, insbes. S. 223; Roon, Gerrit van, Neuordnung im Widerstand, München 1967, passim; dies änderte sich in den beiden folgenden Jahrzehnten stark. Vgl. dazu exemplarisch: Moltke, Freya v., Erinnerungen an Kreisau 1930 – 1945, Mün­chen 1987, viele wei­tere Auflagen, passim.

[31]    Die Titulierung wurde erst im Nachhinein vorgenommen. Möglicherweise hat der Wider­standskämpfer diese Bezeichnung während seiner Vernehmung durch die Gestapo verwen­det; vgl.: Schwerin, Franz v., Helmuth James Graf von Moltke: im Widerstand die Zukunft denken. Zielvorstellungen für ein neues Deutschland, Paderborn / München / Wien / Zürich 1999, S. 24, Anm. 28.

[32]    Brakelmann, Günter, Christsein im Widerstand: Helmut James von Moltke, Berlin 2008, S. 186; ders., Peter Yorck von Wartenburg 1904 – 1944, München 2012, S. 136.

[33]    StA Bremen, Wie­dergut­machungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509: Pechel, Rudolf, notari­ell beglaubigte Erklärung vom 10. September 1946; vgl. Lohmann, Fichtenhof, S. 87 f.; diese Angabe fehlt allerdings bei Müller, Klaus-Jürgen, Generalobert Ludwig Beck. Eine Biographie, Pa­derborn / Wien / München / Zürich 2009, vgl. dort: S. 389 ff.

[34]    Lohmann, Fichtenhof, S. 89 f.

[35]    Auf deutscher Seite waren der frühere Chef der Reichskreditgesellschaft Otto C. Fischer direkt und Staatssekretär v. Weizsäcker informell beteiligt; die britische Seite wurde von den Herren d’Arcy-Cooper und Rykens vertreten.

[36]    StA Bremen, Entnazifizierungsakte Roloff, 4,66-I: Roloff, Wilhelm, State­ment, 5. Sep­tember 1946, Blatt 5.

[37]    Gerd Wöbbeking an Heinrich Lohmann, Typoskript, im Besitz des Empfängers, Mai 2015.

[38]    Hoffmann, Peter, Widerstand, Staatsstreich, Attentat – Der Kampf der Opposition gegen Hit­ler, Mün­chen 19702, S. 247 f; Brakelmann, Günter, Der Kreisauer Kreis als christliche Widerstandsgruppe, in: Brakelmann, Günter / Keller, Manfred (Hrsg.), Der 20. Juli 1944 und das Erbe des deutschen Wi­derstands, Münster 2005, S. 67 f.; Brakelmann, Yorck, S. 115 – 119.

[39]    Schwerin, Detlef Graf v., Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt, München 19942, S. 175.

[40]    Trott gehörte dem Corps Saxonia Göttingen an, vgl. dazu: KCL, Nr. 45-787.

[41]    Erich Kordt war zusammen mit Eduard Brücklmeier, der dem Corps Bavaria München angehörte, im Stab von Reichsaußenminister Joachim v. Ribbentrop im Auswärtigen Amt eingesetzt.

[42]    Zu dieser diplomatischen Mission: Fest, Joachim, Staatsstreich, S. 79; vgl.: Lohmann, Fichtenhof, S. 91.

[43]    Kordt, Erich, Nicht aus den Akten, Stuttgart 1950, S. 301.

[44]    StA Bremen, Entnazifizierungsakte Roloff, 4,66-I: Roloff, Wilhelm, State­ment, 5. Sep­tember 1946, Blatt 5.

[45]    Ebd.

[46]    Schwerin, Köpfe, S. 175.

[47]    StA Bremen, Wieder­gut­machungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509: Waetjen, Eduard, Eides­stattliche Erklärung, 10. Oktober 1946.

[48]    In der offiziellen geschicht­lichen Wahr­nehmung der Freien und Hansestadt Bremen hat das bemerkenswer­terweise nach 1945 keine Rolle gespielt. Wurde dort vielleicht einseitig nach linken, gewerkschaftlichen und kommu­nistischen Menschen im Widerstand geforscht? Wurden die bürgerlich-konservativen Kreise dagegen gezielt ausgeblendet? Es drängt sich der Verdacht auf, das lange Schweigen zur Widerstandstätigkeit Roloffs könnte politische Ursachen haben. Nach Kommunisten, Ge­werkschaftern und den vielen jüdischen Opfern des NS-Regimes zu suchen, scheint dagegen hohe Priorität gehabt zu haben – zurecht. Dieselbe Sorgfalt sollte aber auch zu finden sein, wenn es sich um bürger­liche und adlige, teils dezidiert kon­servative Angehörige des Wider­stands gegen Hitler han­delt. Dass der Fichtenhof als wichtiges Zentrum dieses Widerstands unerkannt blei­ben konnte, ist kein Ruhmesblatt für die Bremer Regionalgeschichte.

[49]    Hilck, Erwin; Auf dem Hövel, Rudolf, Jenseits von minus Null – Die Geschichte der deutschen Tief­kühlwirtschaft, Köln 1979, S. 33; vgl.: Lohmann, Fichtenhof, S. 95.

[50]    Vgl. dazu: Lohmann, Fichtenhof, S. 56 – 64: Hier ausführliche Hintergründe zum Aufstieg der Nordsee AG und dem Ausbau des Filialsystems für Endverbraucher.

[51]    Gerd Wöbbeking an Heinrich Lohmann, Typoskript, im Besitz des Empfängers, Mai 2015, Hamburg; Hilck / auf dem Hövel, Jenseits von minus Null, S. 35; vgl. auch: Loh­mann, Fichtenhof, S. 96.

[52]    Lohmann, Fichtenhof, S. 100, gibt als Lagerort des Kaufvertrags an: Amtsgericht Bremen-Blumenthal, Band 13, Blatt 462.

[53]    Ausführlich dazu: Lohmann, Fichtenhof, S. 101 – 106.

[54]    Zum Lebenslauf Brücklmeiers und seiner Tätigkeit im Widerstand bis 1940 vgl.: Sigler, Sebastian, Eduard Brücklmeier (Corps Bavaria München) – ein Mann des Widerstandes am 20. Juli 1944, Hist. JB Einst & Jetzt, Bd. 52, 2007, S. 313 – 334.

[55]    Bruno Brücklmeier war aktiv beim Corps Bavaria München, vgl. dazu: Gerlach, Otto, Kösener Corpslisten 1930, Frankfurt am Main 1930, Nr. 106 – 1173. Brücklmeier war als Anwalt am Reichsgericht in Leipzig akkreditiert, er erlangte Bekanntheit als Verteidiger des angeblichen Brandstifters Rinus van der Lubbe, dem 1933 der Reichstagsbrand zur Last gelegt wurde und der deswegen zum Tode verurteilt wurde. Eine Monographie über die Familie Brücklmeier, in der dieser Sachverhalt näher be­leuchtet wird, ist beim Verfasser dieses Aufsatzes in Arbeit.

[56]    Gerlach, Kösener Corpslisten 1960, Nr. 104-1690.

[57]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1896.

[58]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1896; Geldakten: Aus den in diesem Akten­ordner verwahrten Schriftstücken sind auch alle weiteren finanziellen Transaktionen ersichtlich. Ihr Inhalt entspricht, wenn nicht anders vermerkt, dem Regelfall.

[59]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1893, Dok. 095.

[60]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1893, Dok. 103.

[61]    Brücklmeier, Klotilde, kommentierter Lebenslauf 1947, Nachlaß Brücklmeier, Lon­don, S. 2.

[62]    Schwerin, Köpfe, S. 453.

[63]    Kessel, Albrecht v., Verborgene Saat – Aufzeichnungen aus dem Widerstand 1933 – 1945, Berlin / Frankfurt am Main 1992, S. 61.

[64]    Kessel, Verborgene Saat, S. 63.

[65]    Interview des Autors mit Monika Gräfin Antonelli, London, 4. Dezember 2007.

[66]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1893, Dok. 246.

[67]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1893, Dok. 247, Dok. 248; Zeller, Eberhard, Geist der Freiheit – der zwanzigste Juli, München 19655, S. 83 f.

[68]    Brief am 16. September 1939 aus Berlin an seine Frau, Nachlaß Brücklmeier, London.

[69]    Kordt, Nicht aus den Akten, S. 252.

[70]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1894 (unpaginiert, nur wenige Dokumente).

[71]    Kordt, Nicht aus den Akten, S. 341.

[72]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1894.

[73]    Interview des Autors mit Monika Gräfin Antonelli, London, 4. Dezember 2007.

[74]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1894: Brücklmeier teilt am 20. Januar 1940 mit, seine Urlaubs­adresse sei „Grundlsee bei Bad Aussee, Gau Oberdonau, Archkogel 14“; ergänzend: Gespräch des Verfassers mit Monika Gräfin Antonelli, 4. Dezember 2007, London.

[75]    Schwerin, Köpfe, S. 175.

[76]    Schwerin, Köpfe, S. 214. Brücklmeier war zuvor bei der Wehrmacht gewesen.

[77]    Lohmann, Fichtenhof, S. 107, spricht vom 1. August. Für einen früheren Dienstbeginn in Berlin spricht auch, dass Roloff bereits am 17. Februar 1940 den Fichtenhof seiner Frau übereignete; sein Sohn Michael nannte später ebendiese Übersiedlung des Vaters nach Berlin als Grund für diese Transaktion.

[78]    Auswärtiges Amt, P.A., Personalakte 1894.

[79]    A.a.O.; Schwerin, Köpfe, S. 175 u. S. 214 f., spricht ausdrücklich von einer „Freundschaft“.

[80]    Oberkommando des Heeres.

[81]    StA Bremen, Wiedergut­ma­chungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509: Roloff, Wilhelm, Eides­stattliche Versicherung, 24. Oktober 1945; ebd.: Waetjen, Eduard, Notariell beglaubigte Erklä­rung, 10. Oktober 1946; vgl. Lohmann, Fichtenhof, S. 110 – 117.

[82]    Auswärtiges Amt, PA, Personalakte 1894.

[83]    „u.k.“ bedeutete „unabkömmlich“, also aus kriegswichtigem Grund nicht einsetzbar für die Wehr­macht und damit auch nicht für den Kriegseinsatz. Für Viele waren diese beiden Buchstaben die Le­bensrettung.

[84]    Friedrich Olbricht war Leiter des Allgemeinen Heeresamts im Oberkommando der Heeresleitung (OKH). Ihm oblag die Verantwortung für den gesamten materiellen und personellen Ersatz der Land­streitkräfte, er konnte also eine Entscheidung wie die Versetzung Brücklmeier ohne weiteres treffen. Auch Olbricht gehört zum engsten Kreis des Widerstands gegen Hitler, von ihm stammten wesent­liche Teile des Planes für den Umsturz am 20. Juli 1944. Zu Olbricht: Page, Helena P., General Friedrich Olbricht. Ein Mann des 20. Juli, Bonn und Berlin 1994².

[85]    Roloff, Wilhelm, Bericht über Eduard Brücklmeier, datiert Oktober 1946, Nachlaß Brückl­meier, London; vgl.: Cartarius, Ulrich, Opposition gegen Hitler. Ein erzählender Bildband, Berlin 1984, S. 231 f.; Hoffmann, Widerstand, S. 655.

[86]    Schwerin, Köpfe, S. 214 f.

[87]     StA Bremen, Entnazifizierungsakte Roloff, 4,66-I: Roloff, Wilhelm, State­ment, 5. Sep­tember 1946, Blatt 5.

[88]    Gespräch des Verfassers mit Monika Gräfin Antonelli, 4. Dezember 2007, London. 

[89]    Lesart unsicher.

[90]    Roloff, Michael, „Erinnerungen“, handschriftlicher Text, 17. März 2014, im Archiv Heinrich Lohmann, Verden an der Aller; vgl.: Lohmann, Fichtenhof, S. 129.

[91]    StA Bremen, Wiedergutmachungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509: ders., Schreiben an den Oberbürgermeister von Bremerhaven, 24. Oktober 1945.

[92]    StA Bremen, Wiedergutmachungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E-2509, Blatt 10: Schwerin, Ger­hard Graf v., Eidesstattliche Versicherung, datiert 10. Oktober 1946; Lohmann, Fichten­hof, S. 77.

[93]    Lohmann, Fichtenhof, S. 85.

[94]    Vgl. dazu: Lohmann, Fichtenhof, S. 86. Dazu sei jedoch angemerkt: Lohmann erfasst hier die Lage nicht zur Gänze. Wer von Goerdeler als Staatssekretär oder in anderer leitender Funk­tion für das Ernährungsministerium in die Liste seines Schattenkabinetts aufgenommen wurde, und für Roloff trifft dies zu, der unterstützte nicht nur den Widerstand gegen das NS-Regime, son­dern der war integrer Teil in dessen engerem Führungszirkel. Das kann als ein bedeutender Unterschied gesehen werden.

[95]    StA Bremen, Wiedergut­machungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E – 2509: ders., Niederschrift, 26. Oktober 1953.

[96]    Sigler, Eduard Brücklmeier – Netzwerker gegen Hitler, in: ders., Corpsstudenten im Wider­stand, S. 91 – 114, insbes. S. 97 – 103.

[97]    Lohmann, Fichtenhof, S. 134.

[98]    Schwerin, Köpfe , S. 553, Anm. 3: Schwerin erhielt diese Infor­mation am 19. Februar 1982 von Brücklmeiers Witwe, Klotilde v. Dziembowska.

[99]    Schwerin, a.a.O., S. 414.

[100] Vgl. dazu: Sigler, Eduard Brücklmeier – Netzwerker gegen Hitler, in: ders., Corpsstudenten im Widerstand, S. 94 f.; Interview des Autors mit Monika Gräfin Antonelli, London, 4. Dezember 2007. Brücklmeier fragte demnach seine Frau anlässlich seiner Verlobung im Jahre 1937, ob sie ihn heiraten wolle, selbst wenn sie wenige Jahre später durch die Gestapo zur Witwe gemacht werde.

[101] Charlotte Pommer war Ärztin. Die entschiedene NS-Gegnerin schloss sich dem Widerstand gegen Hitler an, nachdem sie am 22. Dezember 1942 die Leichen der Widerstandskämpfer Nikolaus v. Halem, Harro Schulze-Boysen und weiterer Mit­glieder der sogenannten „Roten Kapelle“ in der Pathologie gesehen hatte. Vgl: Orth, Barbara, Gestapo im OP, Berlin 2013, S. 10, S. 45.

[102] Orth, Gestapo, S. 41.

[103] Bundesarchiv, R19/2875, Krankenblatt Wilhelm Roloff.

[104] Orth, Gestapo, S. 42.

[105] Bundesarchiv, R19/2875, Krankenblatt Wilhelm Roloff.

[106] Orth, Gestapo, S. 41; ebd., S. 55.

[107] Orth, Gestapo, S. 8.

[108] Bundesarchiv, R19/2875, Krankenblatt Wilhelm Roloff.

[109] Die Hinrichtungen wurden auf Hitlers Befehl gefilmt und später in NS-Führungszirkeln vorgeführt. Im Exekutionsraum im Gefängnis Plötzensee ist noch heute der Galgen mit den Haken zu sehen. Daran waren in jenen Tagen dünne Drähte – Klavierseiten – befestigt, an denen die Widerstandskämpfer aufgehängt wurden. Der Tod war dadurch überaus qualvoll; vgl. dazu: Film „Verräter vor dem Volksgericht“, insbes. Rolle II, Bundesarchiv Berlin.

[110] Orth, Gestapo, S. 42.

[111] Ebd., S. 64.

[112] Zu den Fakten: Hoffmann, Peter, Widerstand, Staatsstreich, Attentat – Der Kampf der Opposition gegen Hit­ler, München 19702, S. 655; zur Stimmung: Orth, Gestapo, S. 110. f.

[113] Sigler, Sebastian, Hans Koch – ein deutsches Schicksal im Widerstand, in: Hist. JB Einst & Jetzt, Bd. 57, 2012, S. 339 – 350, hier: S. 346; ders., Hans Koch – ein deutsches Schicksal im Widerstand, in: ders., Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler, Berlin 20152, S. 54 f.; Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat, S. 655.

[114] Orth, Gestapo, S. 110.

[115] Ebd., S. 114 – 118.

[116] Siehe dazu: Lohmann, Fichtenhof, S. 234 – 238.

[117] StA Bremen, Entnazifizierungsakte Roloff, 4,66-I: Mitteilung des Oberbürgermei­sters der Stadt Wesermünde vom 25. November 1946.

[118] Ebd.: Mitteilung des öffentlichen Klägers Lutterbeck bei der Spruchkammer Bremen vom 21. April 1948.

[119] StA Bremen, Meldekarten Wilhelm Roloff; vgl.: Lohmann, Fichtenhof, S. 258.

[120] StA Bremen, Entnazifizierungsakte Wilhelm Roloff, 4,66-I, Blatt 14: Tietze, Albrecht,  dirigie­ren­der Arzt des Staatskrankenhauses Berlin, Amtsärztliche Bescheinigung, 23. April 1945.

[121] Orth, Gestapo, S. 117.

[122] StA Bremen, Meldekarten Wilhelm Roloff, Eintrag vom 29. April 1950: „jetzt in Abessinien“.

[123] Kopie der Sterbeurkunde: StA Bremen, Wiedergutmachungsakte Wilhelm Roloff, 4,54-E, 2509.

Ein Kommentar zu “Bürgerlich-konservativer Widerstand: Korporierte gegen Hitler”

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