8. Juni 2023: 120. Geburtstag des Widerstandskämpfers Eduard Brücklmeier

Am 8. juni 1903 wurde er geboren: Eduard Brücklmeier; aktiv war er beim Corps Bavaria München. Nach dem Stauffenberg-Attentat wurde er verhaftet, von Roland Freisler zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1944 gehenkt. Bereits 1938 war Brücklmeier in die Planungen für ein erstes Bomben- oder Pistolenattentat gegen Hitler involviert gewesen, er gehört damit zu den frühen und entschiedenen Widerstandskämpfern, die den Tyrannenmord unbedingt bereits vor dem Krieg wollten; später lag das Heft das Handelns bei den Militärs. Bereits ab 1928 hatte Brücklmeier sich dem diplomatischen Dienst zugewandt. Aus Anlaß des Geburtstages sei hier ein Text über Brücklmeiers Rolle im Widerstand gegen Hitler zitiert.

Am 2. Mai 1928 begann Eduard Brücklmeier seine Lauf­bahn als Diplomat. Seine Station war Bagdad, das damals der Gesandt­schaft in Teheran zugeordnet war; 26. Juni 1930 traf Brücklmeier dort ein. Teheran war sein nächster Einsatzort, am 9. Dezember 1930 trat er seinen Dienst dort an. Mit Albrecht v. Kessel, einem Studienfreund, war er ab 1933 in Kattowitz eingesetzt. Er war dort für die Unterstützung der Deutschen im kurz zuvor polnisch gewordenen östlichen Teil Oberschle­siens zuständig und geriet deswegen erstmals in Konflikt mit der NSDAP, und zwar mit deren Auslandsorganisation in Breslau-Carlowitz. Kessel sprach von einer „Kampf­gemeinschaft“ der beiden, und er fährt fort: „Da wir in vielem die gleichen Anlagen und Auffassungen hatten und alle Erlebnisse teilten, so standen Brücklmeier und ich bald unzertrennlich in einer Front.“ Beide erkannten schon damals einen „Krebsschaden, den Hitler dem Reich zufüge“.

Nach mehreren weiteren Verwendungen, darunter einer für ihn sehr erfüllenden Zeit an der Botschaft des Deutschen Reiches in London, trat Eduard Brücklmeier schließlich am 11. Juli 1938 einen Posten im Büro des eben ernannten Reichsaußenministers Joachim v. Ribbentrop an. Er tat dies höchst ungern, weil er strikter Gegner der National­sozialisten war. Formal wurde er der Politi­schen Abteilung des Auswärtigen Amtes zugeordnet, und zwar dem Referat I, das für Völkerbund, Militär und Rüstungs­fragen zustän­dig war. Viel war er mit dem spanischen Bürgerkrieg befasst.

Brücklmeier bildete schon bald mit Diplomaten wie Albrecht v. Kessel, Hans-Bernd v. Haeften, Hasso v. Etzdorf, Gottfried v. Nostitz sowie den Brüdern Theo und Erich Kordt eine Widerstandsgruppe. Im September kam schließlich noch als Verstärkung Botho v. Wussow hinzu, für den Brücklmeier, der eine Art Koordinatorenfunktion gehabt zu haben scheint, eine Stelle in der eben gegründeten Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes gefunden hatte, worüber sowohl er selbst als auch Wussow „selig waren“. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang sicher auch Otto Kiep und Albrecht Graf v. Bernstorff. Diese Gruppe, die als „Septem­berverschwörung“ bekannt ist, war im Herbst 1938 der wichtigste Teil eines größeren Netzwerks aus Militärs und Zivilisten, das Hitler nicht nur stürzen wollte, sondern das erstmals auch erkennen ließ, dass der Diktator umge­bracht werden sollte. Dies wird aus den 1950 veröffentlichten Erinne­rungen Erich Kordts deutlich: „Es gab daher auch 1938 keine andere Gruppe als unsere, die Aussicht haben konnte, Hitler zu stürzen.“ Diese September­ver­schwörung brach, als sich Ende September 1938 das Münchner Abkom­men durch Chamberlains Politik des „appeasement“ abzeichnete, binnen Stunden quasi geräuschlos zusammen.

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Nach dem Kriegsausbruch im September 1939 wurden sofort erneute Vorbereitungen für ein Attentat gegen Hitler getroffen. Erste Pläne für ein Pistolenattentat in der Reichskanzlei waren gediehen. Doch am Abend des 6. Oktober 1939 ging im Auswärtigen Amt ein Anruf der Gestapo ein. Brücklmeier, der noch in seinem Büro arbeitete, wurde aufgefordert, direkt – noch am Abend – im Gestapo-Haupt­quartier zu erscheinen. Der Grund war eine Denunzia­tion durch seine Hausarzt Fritz Karnitschnig. Dort angekommen wurde er sofort verhaftet – schließlich war er schon vorher verschiedentlich  als Regimegegner aufgefallen, zum Beispiel in Kattowitz. Die Verhaftung schlug bei den Mitverschworenen ungeachtet dessen ein wie eine Bombe. Sein direkter Vorgesetzter, Erich Kordt, schreibt in seinen Memoiren: „Was war geschehen? Waren unsere Bestrebungen verraten worden? Für Brücklmeier blieb keine andere Wahl, als der Aufforderung nachzukom­men.“ Die Staatstreichvor­bereitungen, die gleichwohl noch nicht weit gediehen waren, brachen aufgrund dieser Verhaftungen abermals zusam­men. Zwar verlief die Haft im Gestapo-Gefängnis glimpflich. Zwar hatte Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheits­hauptamtes, am 10. Oktober 1939 vorgeschlagen, Brücklmeier die „Erziehungsab­teilung“ – also die SS-Strafkompanie – des KZ Sachsenhausen einzu­weisen, Brücklmeier hatte jedoch mehrere ungenannte Fürsprecher, zu denen bereits auch Roloff gehört haben könnte. Damit konnte seine Einweisung ins KZ knapp vermieden werden. Ribbentrop verfügte aber die sofortige Entlassung Brückl­meiers, seine Verstzung in den einstweiligen Ruhestand – und verbat sich für die Zukunft die Erwähnung „dieses Namens“ in seiner Gegenwart.

Über Botho v. Wussow könnte Roloff erstmals im Jahre 1938 mit Eduard Brücklmeier in Kontakt gekommen sein. Sicher ist, dass sich die beiden Anfang 1940, nach Brücklmeiers Entlassung aus dem diplomati­schen Dienst, auf Vermittlung von Eduard Waetjen trafen. Roloff war zu diesem Zeitpunkt zum Sachverstän­digen für Ernährung im Heeresverwal­tungsamt des Oberkommandos des Heeres in Berlin ernannt worden. Brücklmeier wurde dann am 10. Oktober 1940 an die Westfront, nach Frank­reich, eingezogen. Im Januar 1941 wurde er jedoch bereits wieder aus der Wehrmacht ent­lassen, aber es gibt keinen Beleg dafür, dass Roloff hier die Fäden zog. Allerdings ist bekannt, dass sich im Laufe des Jahres 1940 zwischen Brücklmeier und Roloff ein freundschaftlicher Kontakt entwickelt hatte.[79]Sicher ist auch, das Brücklmeier ab dem 20. April 1941 für das OKH arbeitete, und zwar im Rang eines Kriegsverwaltungsrats. Roloff war sein direkter Vorgesetz­ter.

Brücklmeier war für die Beschaffung von tiefgekühltem Fisch zuständig. Er wurde jedoch aufgrund dieser Tätigkeit im Mai 1941 ein weiteres Mal von der Gestapo überprüft. Möglicherweise war er abermals denunziert worden, denn Roloff hatte ihm dieses Tätigkeit im OKH ja tatsächlich verschafft, um seine konspirative Tätigkeit zu decken und ihn für den Widerstand „günstig“ zu platzieren. Und irgendetwas muss bekanntgeworden sein; das Ergebnis der Überprüfung fiel mitnichten zur Zu­friedenheit des NS-Regimes aus, denn direkte Folge war, daß er aus der SS, in die er nie hineingewollt hatte, aus­geschlossen wurde. Doch die Gestapo ließ auch jetzt nicht locker. Über Brücklmeiers Ein­stellung war im Laufe der Jahre genug bekanntgeworden, um ihn für das NS-Regime ver­dächtig zu ma­chen. Er ver­lor seine Stellung im OKH zum 31. Oktober 1942; als Grund wurde „politi­scher Unzuver­lässigkeit“ ange­geben. Dies geschah, obwohl Reichsaußen­minister v. Ribbentrop, nochmals mit der Personalie Brücklmeier befasst, am 26. Oktober 1942 mitteilen ließ, er habe gegen eine „rein wirt­schaft­liche“ Verwendung Brückl­meiers auf dem Ge­biet der Tiefkühltechnik keine Einwände.

Nach seiner Entfernung aus dem OKH sollte Brücklmeier an die Ostfront eingezogen werden; im November 1942 wurde er zum Landesschützen­ba­taillon ein­gezogen. Wilhelm Roloff, dem Direktor der Fischereikonzerns Nordsee, ge­lang es je­doch, in letzter Minute zu errei­chen, daß er „u.k.-gestellt“ wurde, und auch der zum engeren Kreis des militärischen Wider­stands zählende General Friedrich Olbricht hatte sich für Brücklmeier verwendet. Nicht offenbar wurde indes, dass Roloff seinerseits aktiv im Wi­derstand engagiert war. Über Roloff erhielt Brücklmeier eine Stellung als Leiter des Berliner Büros der „Nord­see“, was unauffällig gelang, weil der auch zuvor beim OKH für die Be­schaffung von tief­gefrorenen Lebensmitteln zu­ständig gewesen war. Roloff schreibt über diesen ganzen Vorgang: „Der (…) besonders eng mit mir verbundene Dr. Brücklmeier, welcher Anfang 1940 wegen seiner opposi­tionellen Einstellung aus dem Auswärtigen Amt entlassen worden war, wurde von mir zunächst im Heeresverwaltungsamt, später in der ‚Nordsee’ angestellt, um ihm auf diese Weise Gelegenheit zu geben, seine aktive Tätigkeit gegen Hitler und die Partei fortzusetzen und weiterhin für die Verschwörer tätig zu sein.“ Das rettete Brücklmeier zunächst, und seine intensive Tätigkeit für den Wider­stand blieb auch in den Folgejahren bis zum Juli 1944 unentdeckt. Gegenüber Goerdeler, der ihm einen Posten in der deutschen Außenpolitik angeboten hatte, wahrscheinlich den eines Staatssekretärs, erklärte er, lieber das Auswärtige Amt in einem gehobenen Innendienstposten – im Personalwesen – von den ihm zutiefst ver­hassten Nazis „reinigen“ zu wollen.

Erst das Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli mit seinen polizeilichen Ermitt­lungen, in deren Verlauf bald die Kabinettsliste von Carl-Friedrich Goerdeler gefunden wurde, machte die Beteiligung Brücklmeiers wie Roloffs an der Verschwörung zum Tyrannen­mord offenbar. Unmittelbar nach dem versuchten Staatsstreich wurden alle polizeilichen Kräfte in Bewe­gung gesetzt, vor allem die Gestapo, um Tausende seiner Gegner – auch Zivilisten – zu verhaften. Insbesondere ging es den Gestapo-Leuten darum, die Männer zu finden, die auf Goerdelers Kabinettsliste standen. Und so wurde der 27. Juli 1944 zum Schicksalstag für den Wider­standskämpfer Brücklmeier. Er wurde von der Gestapo verhaftet, in Prag, wo er nicht nur Anteileigner zweier Häuser am Altstädter Ring war, sondern wo er auch den Sohn seines an der Ostfront gefallenen älteren Bruders als Vormund betreute.

Wichtig war in den Folgewochen die Unterstützung der Ehefrau. Klotilde Brücklmeier brachte ihrem Mann täglich Verpflegung an das Gefängnistor. Von drinnen erfuhr sie nichts. Auch das längst durch den furchtbaren Roland Freisler persönlich gefällte Todesrteil wurde ihr nicht bekannt. Als ihr aber am 20. Oktober 1944 die Brote, die sie ihrem Mann belegt hatte, wie sie jeden Tag tat, von der Gefängniswache nicht abgenommen wurden, da wusste sie, was geschehen war. Brücklmeiers Schicksal ist uns heute und in Zukunft Mahnung und Grund ewigen Andenkens.

Sebastian Sigler

Das Titelbild dieses Beitrags zeigt das Rezeptionsbild Eduard Brücklmeiers im Couleur des Corps Bavaria München; es ist nach heutigem Kenntnisstand das einzige Bild überhaupt, das in mit Band und Mütze zeigt; Sammlung Sigler, Steinhagen.

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