82. Tagung des AKSt: „Blauer Himmel, gold‘ne Sonne über grünem Rebenhang …“

Aus allen Himmelsrichtungen waren sie herbeigeeilt, um die 82. deutsche Studentenhistorikertagung und den Festakt „100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Hochschulkunde in Würzburg“ zu erleben – jüngere wie betagtere Studentenhistoriker, sehr interessiert und wissenschaftlich qualifiziert, zumeist korporiert.

Am 16. Februar 1922 gründete sich unter Leitung von Paul Ssymank in Göttingen die Deutsche Gesellschaft für Hochschulkunde (DGfH), sie ging in dem am 26. Mai 1939 auf der Festung Marienberg eröffneten Institut für Studentengeschichte auf; wiedergegründet wurde sie am 26. November 1955 in Frankfurt/Main. Dies war der heutigen DGfH anlaß genug, ihr 100jähriges Bestehen zu feiern. Sie tat dies in guter Kooperation mit dem 1924 gegründeten Arbeitskreis der Studentenhistoriker (AKSt), der parallel seine 82. Tagung mit wissenschaftlichen Vorträgen und studentisch-kulturellem Rahmenprogramm veranstaltete. Dr. Sebastian Sigler (KSCV), der weitplanende Leiter des Arbeitskreises, hatte geworben – und über 100 Studentenhistoriker waren zur „Perle am Main“ gepilgert, nicht zuletzt, weil hier auch kunsthistorisch eine Menge Studentengeschichte zu bestaunen ist.

Vollbesetzter Kneipsaal zum Auftakt: Vorträge und Kommersliedersingen der Studentenhistoriker

Zum Auftakt am Freitag, dem 28. Oktober, der Begrüßungsabend mit Büffet und Bocksbeutel; die Landsmannschaft Teutonia in der Greisingstraße fungierte als Gastgeber. Viele bekannte Gesichter sah man hier wieder, und so erfreulich wie wichtig war der persönliche Austausch ohne Verbote. Wohlgestärkt lauschten die rund 80 Teilnehmer im Anschluß den Ausführungen von Dr. Stefan Greiwe (CC) über die Gattung der Studentenromane von 1880 bis 1925, gefolgt von Reinhard Prölß (WB) über den Heidelberger Franken Viktor von Scheffel und seinen ersten Biographen Johannes Prölß. Der Abend klang aus unter der unnachahmlichen Leitung von Prof. Raimund Lang (MKV, CV), der neben verschiedenen Beiträgen einen bunten Strauß mehr oder weniger bekannter studentischer Weisen zur gemeinsamen Intonation vorbereitet hatte, trefflich begleitet am Klavier von einem Mitglied der Akademisch-Musikalischen Verbindung, deren Dirigent, der über Würzburg hinaus weitbekannte Valentin Eduard Becker, das von Scheffel verfaßte Frankenlied im Jahr 1861 vertonte. Die Stunden flogen dahin, und die letzten Aufrechten zechten zu später Nacht noch auf dem Huttenschlößchen fort, wo am Samstag nach Morgenkaffee, Begrüßung und Totengedenken ein ambitioniertes Vortragsprogramm seinen Gang nahm.

Nach dem einleitenden Vortrag von Prof. Dr. Matthias Stickler (CV), wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Hochschulkunde, über die Geschichte von Gesellschaft und Institut in 100 Jahren, folgte Dr. Gerd Mohnfeld (BC) mit seinem Rückblick auf die jüdisch-paritätischen Verbindungen des Burschenbunds-Convents, dessen letzte aktive Vertreterin, die Alsatia-Thuringia Marburg, sich leider im Gefolge der linken Studentenbewegung 1973 vertagen mußte, vielleicht für immer. Anschließend Dr. Bernhard Grün (CV) über die Schwierigkeiten der Mitgliedsverbindungen des CV im Umgang mit dem  Vaterlandsprinzip, das als viertes Prinzip seit 1907 immer wieder neu interpretiert worden ist. Ein heiter-besonntes Gruppenphoto auf der Freitreppe zum Garten des Rhenanenhauses vereinte die Teilnehmer.

Thomas Schindler (CC) griff mit seinem Vortrag über jüdische Studenten im Ersten Weltkrieg mit Schwerpunkt auf dem zionistischen Kartell Jüdischer Verbindungen (KJV) erneut ein brisantes geschichtliches Thema auf. Er zeigte deutlich auf, wie bedrückend tief die ideologischen Gräben zu den anderen deutschen wie jüdischen Korporationsverbänden waren. Bezeichnenderweise sind auf dem 1932 an historischer Stätte von der Deutschen Studentenschaft (DSt) errichteten Studentenfriedhof von Langemarck in Poelkapelle bei Ypern zwar die konfessionellen und waffenstudentischen Verbände mit Gedenksteinen vertreten, nicht jedoch die jüdischen.

Dr. Wolfgang Nüdling, der als Alter Herr der Abituria Wirceburgia die Geschichte der Würzburger Schülerverbindungen erforscht, klärte in seinem Referat über das Schicksal der jüdischen Mitglieder seiner Verbindung, die in bewußter Anlehnung an die frühere paritätische Verbindung den Namen Wirceburgia trägt, auf. Als nächster Referent zeichnete Alexander Stintzing (SB) ein Lebensbild des von der Rote Armee Fraktion ermordeten Detlef Karsten Rohwedder – der war, so Stintzing, „engagierter Sängerschafter, genialer Hoesch-Sanierer und Hoffnungsträger der Deutschen Treuhand“ nach der Wiedervereinigung 1990.

Barockdecke, im Original von 1722, im Ballsaal des Würzburger Rhenanenhauses

In barockem Glanz dann der Höhepunkt der Tagung! Der Festakt der DGfH fand im Ballsaal des Huttenschlößchens statt, das im Jahr 1722 von dem späteren Fürstbischof Christoph Franz von Hutten (1673 – 1729), dessen Porträt bis heute die Stirnseite des Saals ziert, als Sommerresidenz errichtet wurde und seit 1884 im Corpsbesitz ist – 1904/05 abgetragen und um 90 Grad gedreht wiedererrichtet, am 16. März 1945 im Feuersturm zerstört und im Jahr 1950 zum dritten Mal aufgebaut. Die Reihe der Gratulanten war beachtlich, die Aufmerksamkeit der Festgesellschaft gespannt. Nach Begrüßung durch den frisch gewählten DGfH-Vorsitzenden Frank Nowak und den wissenschaftlichen Leiter des IfH, Prof.  Dr. Matthias Stickler dankte Dr. Uwe Klug als Kanzler der Universität Würzburg den Vertretern der Korporationsverbände für ihre treue Verbundenheit, wovon das 2020 erschienene und nach dem von dem Theologen Bernhard Panzram gedichteten Loblied „Würzburgs Zauber“ benannte Buch eindrucksvoll zeuge. Der Oberbürgermeister der Stadt, Christian Schuchardt (CSU), schloß sich den Wünschen an.

Ernste Worte: Prof. Raimund Lang

In beklemmender Aktualität entführte Prof. Raimund Lang (CV) die Anwesenden in seiner berührenden Festrede „Vom Ursprung eines Mythos – die Universitätsstadt Czernowitz“ hin an seinen persönlichen Sehnsuchtsort, den er seit den 1980er Jahren, zu Zeiten der UDSSR noch mit immensen bürokratischen Hürden verbunden, über zwanzig Mal besucht hat. So zahlreich wie die Studenten aus allen Regionen Osteuropas an der 1875 gestifteten Franz-Josephs-Universität, so verschiedenartig die dort nach deutschem Vorbild gegründeten Verbindungen: bis zur Besetzung des siebenbürgischen Buchenlands – der seit 1918 rumänischen Bukowina – im Jahre 1940 durch die Sowjetunion waren es über hundert, darunter ebenfalls eine Reihe jüdische. Während in Österreich und Deutschland nach 1945 mehrere Hochschul- und Pennalkorporationen wiedererstanden, existieren an der heutigen Jurij-Fedkowytsch-Universität heute, im Austausch mit den westlichen Geschwisterverbindungen, bislang nur die beiden ukrainischen Verbindungen Obnowa und Bukowina.

Die Studentenhistoriker machten sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Germanenhaus am Nikolausberg, wo sie sich bei Kaffee und Gebäck – der Arbeitskreisleiter hatte wie üblich alles sorgsam im voraus bedacht – nach und nach eine frohe Pilgerschar einfand. War  das Maintal vor dem weiteren Aufstieg über die weitläufige Treppenanlage zum Käppele, der 1747 nach Plänen von Balthasar Neumann errichteten Wallfahrtskirche, noch im dichten Nebel vor den Blicken der Gottesdienstbesucher verborgen, bot sich anschließend von der Aussichtsterrasse vor der Kirche ein großartiges Panorama über die „sonntägliche Stadt“. Pater Winfried Schwab OSB (CV) als Conzelebrant der Pilgermesse sprach bei der folgenden Matinee im Kneipsaal des KStV Walhalla über die Priester im Deutschen Reichstag von 1871 bis 1918. Aufschlußreich für die Zuhörer, welchen Korporationsverbänden die katholischen Geistlichen von Corps über Burschenschaft bis zu CV, KV und UV angehört haben. Mit dieser sonntäglichen Dosis Wissenschaft endete die 82. deutsche Studentenhistorikertagung in Würzburg.

Den allerschönsten Sonnenschein konnten die Studentenhistoriker beim Weg hinab an das Mainufer genießen. Bilder: Sigler (2), Revenstorff (2), Eichhorn; Titelcollage: Sigler

Einstimmig beschloß der anschließend auf dem Walhallahaus tagende Herbstconvent des Convents Deutscher Akademikerverbände (CDA) die Verleihung der Fabricius-Medaille – benannt nach dem Corps-historiker Wilhelm Fabricius (1857 – 1942) – an den Gründer und langjährigen Vorsitzenden der 1974 in Würzburg gegründeten Gemeinschaft für Deutsche Studentengeschichte (GDS) sowie Leiter des Instituts für Deutsche Studentengeschichte (IDS) an der Universität Paderborn, Dr. Friedhelm Golücke (CV), ebenfalls Autor und Herausgeber verschiedener Buchreihen.

Mit vielfältigen Eindrücken und vorfreudig auf die 83. Studenten-historikertagung 2023 in Rostock, die wahrscheinlich am dritten Oktoberwochenende stattfinden wird, kehrten die Teilnehmer nach Tagen voller Wissenschaft, umrankt von Weinreben, nach Hause zurück. Ein umfangreicher Tagungsband wird Vorträge, Personen und Örtlichkeiten in Wort und Bild dokumentieren – in Würzburg haben die Studentenhistoriker diesmal selbst Studentengeschichte geschrieben.

Bernhard Grün (CV)

Der Autor dieses Berichtes, selbst Arzt und Studentenhistoriker, ist mehr als qualifiziert, über die Würzburger Tagung zu berichten, wie dies einschlägige Buch beweist, das wir besprochen haben und nur bestens empfehlen können. sig

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