In Passau, der Altstadt gegenüber, thront eine finstere Burg hoch über der Donau, die Veste Oberhaus. Hier saßen einst Studenten aus ganz Bayern ein. Ihr Vergehen: scharfe Mensuren, oder auch nur Beihilfe zu diesem gar schrecklichen Tun. Unter den Inhaftierten, die meist nur für einige Tage oder wenige Wochen dort büßen mußten, hieß dies Gefängnis nur „Tollhaus“. Die Studenten wußten, warum.
Lange Zeit war wenig bekannt über dieses offenbar recht fidele Gefängnis, doch das zu Unrecht, denn es existiert ein Tagebuch aus den Jahren 1903 bis 1911 existiert ein „Tagebuch Festung Oberhaus“. Eigentlich ist es eine Art Gästebuch, worin sich zahlreiche Delinquenten eintrugen, die ihre „Ferien“ dort oben verbrachten. Es handelt sich vorwiegend um Waffenstudenten von bayerischen Universitäten sowie ihre Beihelfer, die derart straffällig geworden waren. Darunter war einmal auch eine hübsche junge Gastwirtin.
Allzu streng können die Haftbedingung in der Veste Oberhaus nicht gewesen sein. Einige originelle Zeichnungen schmücken das Album sowie u.a. ein Foto, das die Herren F. Haußler Normanniae München, K. Hensold und W. Gfrörer Onoldiae und einen stud. Wiedmann beim Kartenspiel zeigt. Drei scharfe Partien aus dem Jahr 1907 sind paukbuchartig verzeichnet und illustriert, die in o.g. Bericht erwähnt wurden, nämlich Albin Angerer Moenaniae (xx) c/a Friedrich Stellwaag Onoldiae, Franz Vollnhals c/a G. Flierl Bavariae Erlangen und Albert Angerer Moenaniae (xxx) c/a Walter Gfrörer Onoldiae. Auch Georg Molitor Baruthiae, der Gastwirt Conrad Stahl (Erlangen-Rathsberg) und die Corpsdiener Johann Bezold (Bavaria), Kracker (Onoldia) und Hartmann (Rhenania) haben sich verewigt. Einige der Einträger hinterließen zusätzlich kernige Gedichte; als Beispiel soll vorläufig ein Lied der „Angerer Brothers“ aus Würzburg (p. 30) zitiert werden:
„Wer hat dich du schönes Haus / Aufgebaut so hoch da droben / Wohl den Meister will ich loben / Nur so lang ich bin heraus / Lebe wohl, lebe wohl, lebe wohl du schönes Haus! // Tief die Welt verworren schallt / Oben Häftlinge nur rasen / Scheidend wir dir einen blasen / Dass er tausendfach verhallt / Lebe wohl, lebe wohl, lebe wohl du schönes Haus! // Uns gebietet niemand Halt / Wollens wie bisher stets halten / Ewig bleiben treu die Alten. / Pass nur auf Herr Staatsanwalt! / Lebe wohl, lebe wohl! Hol dich der Teufel, Oberhaus! // The A[ngerer] Brothers / 18.V.–1.VI.1908.“ Die klandestine Drohung gegen den Staatsanwalt, die hier aufscheint, dürfte nach mehr als 115 Jahren verjährt sein. Albin Angerer, Erfinder der horizontalen Tiefterz, war viele Jahre später Fechtbeauftragter des KSCV und Leiter des Instituts für Hochschulkunde.
Den Hinweis auf das Tagebuch, das bis dato von der Studentengeschichte offenbar nicht hinreichend berücksichtigt wurde, lieferte Martin Laubmann Thuringiae Heidelberg, Saxo-Borussiae Freiberg. Im Band 68 dieses Jahrbuches, erschienen 2023, Seite 153 – 170, hatte der Autor dieser Zeilen bereits zusammen mit Andreas Mettenleiter zu diesem Thema berichtet: Verfahren wegen Vergehens des Zweikampfes gegen Gfrörer, Angerer & Consorten vor dem Landgericht Fürth (1907/08). Die Jahrbücher Einst und Jetzt, herausgegeben vom Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung, sind nicht nur eine Quelle, sondern immer wieder Anstoß für neue Forschungen und Erkenntnisse. Das ist kein unwichtiger Grund, um diese Bände zu beziehen. Das geht ganz einfach, durch Beitritt zum Verein.
Hans Peter Hümmer