Der älteste Bismarckturm der Welt benötigt dringend Hilfe

Immer, wenn der Name Bismarck fällt, horchen Korporierte auf. Natürlich denken die CVer an den Kulturkampf, natürlich wissen die Kösener Corpsstudenten, daß er einer Ihrigen war, denn sein Corps ist Hannovera Göttingen. Doch es gibt einen weiteren Verbindungsbezug, wirksam bis heute. Ging schon die erste Anregung, Bismarcktürme zu errichten, von einem Burschenschafter aus, so ist es auch heute ein Bonner Alemanne, der sich um dieses Kulturerbe aktiv kümmert: Michael Hacker.

Im thüringischen Rudolstadt steht der älteste Bismarckturms der Welt, eingeweiht am 1. April 1899. Dieser Turm ist stark beschädigt, er verfiel in der DDR-Zeit, Vandalismus tat ein übriges. Um dieses Bauwerk zu retten, ist unverzüglich Hilfe nötig. Die Kosten werden erheblich sein. Michael Hacker, selbst Studentenhistoriker, rezensiert ein Buch, dessen kompletter Erlös für die zwingend nötige Bestandserhaltung und Renovierung des Rudolstädter Bismarckturms gedacht ist.

Glanzvolle Zeiten: der Rudolstädter Bismarckturm in Zeiten des Wilhelminismus

Die Geschichte der Bismarcktürme zur Ehrung des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck gewann mit dessen Tod am 30. Juli 1898 schnell an Fahrt, aber es gab sie schon früher. Sie ist mit der legendären Bismarck-Ehrung der deutschen Studentenschaft am 1. April 1895 in Friedrichsruhe und ebenso mit der Geschichte der Burschenschaft Alemannia zu Bonn verbunden. Die ursprüngliche Initiative zur Errichtung von Bismarcksäulen, auch Bismarcktürme genannt, ging vom Bonner Alemannen Albert Leicher aus, das war bereits im WS 1895/96. Zum alsbald gebildeten Preisgericht für die nun reichsweit angedachten Bauprojekte gehörte auch Professor Dr. Paul Wallot, der Erbauer des Reichstages. In Archiv der Alemannia, jetzt im Universitätsarchiv Bonn, sind auch drei Mappen mit Manuskripten Valentins von Bismarck zur Erfassung aller Bismarcktürme mit den Daten zu Planung, Ort, Größe, Bauzeit und -ausführung sowie Trägervereinen erhalten. Die Akten zu den Bismarcktürmen werden von den Autoren wissenschaftlicher Arbeiten und auch von Personen, die sich für „ihren“ Bismarckturm vor Ort interessieren, recht häufig eingesehen. Das gilt auch für den Bismarckturms in Rudolstadt, gelegen oberhalb des Dörfchens Volkstedt.

Und nun geht es darum, diesen allerersten Bismarckturm zu retten. Dies ist nötig, denn er befindet sich in einem Zustand des akuten Verfalls. Zu seiner dringend notwendigen Sanierung hat sich daher im Jahre 2021 ein Freundeskreis zusammengetan. Aus dessen Reihen wurde eine Dokumentation zur Geschichte des Rudolstädter Bismarckturms erstellt, die auch dessen Einweihung nur acht Monate nach Bismarcks Tod, am 1. April 1899, ausführlich beschreibt. Das im Selbstverlag liebevoll gestaltete, sorgfältig hergestellte, broschierte Buch, dessen Titelseite oben im Ausschnitt wiedergegeben ist, soll dazu beitragen, die geschätzten Sanierungskosten von 110.000 Euro für den ältesten Bismarckturm der Welt aufzubringen; einige Bonner Alemannen helfen tatkräftig mit, den Spendenaufruf zu verbreiten.

Dokument eines glanzvollen Zeitalters

Initiator für die Errichtung des Turms war der „Rudolstädter Abend“, eine 1877 ursprünglich von Rudolstädter Studenten in Leipzig gegründete, ab 1884 in Rudolstadt ansässige Vereinigung renommierter, zumeist auch korporierter Herren, die sich wöchentlich zu Gesellschaftsabenden und weiteren Aktivitäten trafen. Sie führten einen Zirkel nach Art eines Altherrenstammtisches und pflegten enge Kontakte zum Rudolstädter Senioren Convent der Corps an Tierärztlichen Hochschulen. Diese Herren entwickelten den Ehrgeiz, den ersten Bismarckturm der Welt zu bauen, als sie von dieser Idee hörten. Und sie schafften das!  

Vom 10. Februar bis zum 20. März 1899 errichteten sie den Turm. Zu Bismarcks Geburtstag war die Einwehung geplant. Und auch die gelang! Der Turm wurde mit einer Feuerschale bestückt, und am 1. April 1899, dem ersten Geburtstag Bismarcks, den der Jubilar nicht mehr erlebte, wurde sie erstmals entzündet. Knapp zehn Meter war der Rudolstädter Turm hoch, mit Anbau ist er sechs Meter lang, in der Breite misst er drei Meter – und er sah einst aus wie eine kleine, fürwahr, eine sehr kleine Burg. Als er seinen Zinnenkranz noch hatte. Der aber ist jetzt komplett herabgebrochen.

Rechts im Bild: der liebevoll eingerichtete, kleine Raum, in dem sich Bismarckverherer einst trafen, soll nach möglichkeit wieder betretbar werden, denn derzeit ist er mehr oder weniger ruinös.

Regelmäßig wurde ab 1899 auf dem Rudolstädter Bismarckturm gefeiert. Am 1. April, Bismarcks Geburtstag, am 21. Juni, Sommersonnenwende, am 30. Juli, Bismarcks Todestag, und auch am 2. September, dem Sedanstag, wurde die Feuerschale entzündet. Der Anbau des Turmes, ein kaum zwölf Quadratmeter großer Raum, konnte für Feiern in kleinerer Runde genutzt werden, und er wurde in den Monatan nach der Einweihung liebevoll ausgestattet. Die Kosten für den Bau und seine Ausstattung brachten die Vereinsmitglieder und auswärtige Spender ohne die Hilfe Dritter auf; der Bauplatz wurde von einem Mitglied, Vetter, gestellt. Wie anders ist heute das Bild! Nicht nur, dass der Zinnenkranz herunterfiel, auch Vandalismus und die Verschandelung durch Farbschmiereien ergeben ein mehr als trauriges Bild.

Verkauferlös komplett für Sanierung

Die nun erschienene Schrift schildert, ausführlich bebildert, die Geschichte der Herrenrunde anhand der erhaltenen, ausführlichen Jahresberichte, ihren erfolgreichen Turmbau sowie auch das Wirken Bismarcks. Zitiert wird auch aus dem „Tag- und Gastbuch“ des Bismarckturms, das bis 1945 geführt wurde. Auch die Geschichte des Verfalls nach 1945, und die – nicht offizielle – Umbenennung in „Geschwister-Scholl-Turm“, noch heute so in mancher Karte verzeichnet, werden dokumentiert. Ebenso die ersten Reparaturen durch einen Freundeskreis noch zu DDR-Zeiten ab 1985 und schließlich auch der heutige, erbärmliche Zustand. Den Herausgebern um Astrid von Killisch-Horn ist gleichwohl ein wundervolles Buch gelungen, dem durch hohe Vertriebszahlen hoffentlich auch der nötige Erfolg beschert wird, um den Turm sanieren zu können, denn der Verkaufserlös wird zur Gänze zu diesem Zweck verwendet.

So soll er wieder aussehen: der Rudolstädter Bismarckturm war kurz nach seiner Erbauung sogar ein gefragte Postkartenmotiv.

Rudolstadt hat durch Eingemeindungen nach 1990 mittlerweile drei weitere Bismarcksäulen in Keilhau, Heilsberg und Remda. Auch diese drei Türme werden in kurzen Beiträgen in den neuen Buch vorgestellt. Denn Rudolstadt hat nun die größte Dichte an Bismarcksäulen oder -türmen weltweit. Insgesamt existieren noch 174, davon 146 in Deutschland – es waren ursprünglich 240. Doch es gibt nur einen Bismarckturm, der der älteste ist, und dessen Verfall hat bedrohliche Ausmaße angenommen. Ihn zu retten sollte das Anliegen aller Korporierten sein – vorbildhaft gehen hier die Bonner Alemannen voran.

Astrid von Killisch-Horn: Der Bismarckturm zu Rudolstadt, 160 Seiten, broschur,hrsg. vom Freundeskreis Bismarckturm Rudolstadt im Kulturbund e.V. Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt, Rudolstadt 2023; € 19,95, zu beziehen über den Herausgeber; der Reinerlös kommt der Sanierung des Bismarckturms zugute.

Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann an folgendes Konto spenden: Kulturbund e.V. Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt, IBAN: DE17830503030011030615, Kennwort: Bismarckturm. Die Ausstellung einer Spendenquittung ist möglich – Name und Anschrift erbeten.

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