Aufrecht bis zum Schafott – Willi Graf und die „Weiße Rose“

Mehrfach haben wir die Weiße Rose, die Münchner Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozia-lismus, auf diesem Portal bedacht – ein Standardwerk zuerst, vor allem aber eine Sophie-Scholl-Biographie. Nun kommt eine aktuelle Biographie für den Mitverschwörer Willy Graf dazu. Der Wandervogel-Bund Grauer Orden, dem die Weiße Rose angehörte, ist strukturiert wie eine Studentenverbindung. Michael Hacker hat das Buch für uns gelesen.

Wenn von der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ die Rede ist, die gegen den Nationalsozialismus kämpfte, stehen meisten die Geschwister Sophie und Hans Scholl an erster Stelle. Der ebenso zu dieser Widerstandsgruppe gehörende, an Flugblattaktionen beteiligte und ebenfalls 1943 hingerichtete Willi Graf, geboren in rheinischen Kuchenheim, heute ein Stadtteil Euskirchens, und aufgewachsen in Saarbrücken, wird dagegen meist vergessen. Diesem Medizinstudenten, der seine ersten Semester – ab WS 1937/38 – in Bonn verbrachte, bevor er im Herbst 1939 an die Uni in München wechselte, widmet Thomas Alber sein Buch „Aufrecht bis zum Schafott – Willi Graf und die ,Weiße Rose’“. Es ist zum 90. Jahrestag der Verhaftung der Mitglieder der „Weißen Rose“ erschienenim Februar 2023.

Lücke geschlossen: Thomas Albers‘ Biographie für Willy Graf

Willi Graf wurde am 2. Januar 1918 geboren, er hatte eine ältere und eine jüngere Schwester. In der Familie wurde er katholisch sozialisiert. Er engagiert sich im Bund „Neudeutschland“, bis zu dessen Verbot durch die Nazis. Wenig später ist er Mitglied im „Grauen Orden“, einem Wandervogelbund, der in etwa wie eine Studentenverbindung aufgebaut war – und ist. 1938 wurde er deswegen von der Gestapo vernommen. Nach kurzfristiger Schließung der Uni Bonn als „Frontuniversität“ zu Beginn des 2. Weltkriegs wechselt er nach München. Ab September 1940 ist Graf als Sanitäter im Kriegseinsatz, erst in Nordfrankreich, dann auf dem Balkan und dann an der Ostfront. Insbesondere diese Erlebnisse des Vernichtungskriegs in Russland prägen ihn, er beschäftigt sich nach der Rückkehr im April 1942 mit religiösen Fragen. Im Juni 1942 lernt Graf Hans Scholl kennen. An der Erstellung und Verteilung der ersten vier Flugblätter der „Weißen Rose“ ist er indes nicht beteiligt. Im Juli 1942 werden die Mitglieder der 2. Studentenkompanie, zu der Scholl, Graf, Alexander Schmorell und Andere gehören, wieder an die Ostfront abkommandiert.

Hans Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und ein weiterer Freund in Uniform, unmittelbar vor dem Abmarsch zur Ostfront; hinter ihnen mit ausgebreiteten Armen: Sophie Scholl.

Die Erlebnisse dort, unter anderem sehen sie auch das Warschauer Ghetto, lassen bei der „Weißen Rose“ die Erkenntnis wachsen, dass es notwendig sei, die deutsche Öffentlichkeit über das verbrecherische NS-Regime aufzuklären. Nach ihrer Rückkehr von der Ostfront werden Kontakte nach Berlin, Hamburg, Stuttgart und über Graf nach Saarbrücken und Freiburg geknüpft, um den Aktionsradius auszuweiten. Beim fünften Flugblatt der Weißen Rose ist Willi Graf dann voll beteiligt. Teile der Auflage von insgesamt 6.000 Stück bringt er nach Köln, Bonn, Ulm und Saarbrücken.

Das sechste Flugblatt und die Verteilung an der Uni in München führen dann am 18. Februar 1943 zur Verhaftung von Sophie und Hans Scholl und in der Folge dann von Christoph Probst – letzterem wird der Entwurf des siebten Flugblatts in seiner Handschrift zum Verhängnis –, Prof. Kurt Huber, Willi Graf, dessen Schwester Anna und Alexander Schmorell. Während die Geschwister Scholl und Christoph Probst bereits nach einem Schnellprozess vor dem Volksgerichtshof in München unter Vorsitz des berüchtigten Dr. Freisler am 22. Februar 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet werden, wird Huber, Graf und Schmorell und weiteren elf Angeklagten erst am 19. April der Prozess gemacht. Wieder ist Freisler der richter, Graf wird schließlich nach zahlreichen weiteren Verhören, in denen die Namen weiterer Mittäter aus ihm herausgepresst werden sollen, am 12. Oktober 1943 hingerichtet. Genauso wie die Geschwister Scholl geht er „aufrecht“ in den Tod. Sein Leichnam, bestattet in Stadelheim, wird 1946 exhumiert und mit allen Ehren in Saarbrücken in einem Ehrengrab beigesetzt.

Alber gelingt eine lebendige Darstellung von Willi Graf, indem er vor allem aus dem erhaltenen Briefwechsel und dem Tagebuch zitiert. Letzteres ist eine bedeutende Quelle, Graf konnte es vor der Gestapo verbergen. In Erscheinung tritt ein tiefgläubiger und sehr zurückhaltender Mensch. Die katholische Kirche prüft mittlerweile seine Seligsprechung als Märtyrer. Von seinem Mut kann der Leser nur tief beeindruckt sein.

Alber, Thomas, Aufrecht bis zum Schafott – Willi Graf und die „Weiße Rose“, Kisslegg-Immenried 2023, broschiert, 264 Seiten, ISBN 978-3-86357-370-6, EUR 12,80.

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