„Die Treue die uns Brüder band“ lautet die Devise, die aus einem alten Ordenslied stammt. Das Corps Onoldia Erlangen ist eine Verbindung, die exemplarisch stark durch eine bis heute lebendige Ordenstraditionen geprägt wurde. Mit einer Jubiläums-Festschrift liegt nach 1983, damals aus der Feder von Ernst Meyer-Camberg, und 1998 unter der Verantwortung von Hans Peter Hümmer erneut eine Geschichte des Ansbacher-Corps vor.
Bereits der als Titel vorangestellte Liedanfang deutet es an: Der Autor dieser Jubiläumsschrift, es ist abermals der als Studentenhistoriker bestens bekannte Hans Peter Hümmer, hat einen neuen Weg beschritten. Ergänzend zu den bisherigen Corpsgeschichten der Onoldia hat er in sorgfältiger Kleinarbeit Archivquellen erschlossen und gut lesbar aufbereitet in einem vielstimmigen Chor von Zeitzeugenstimmen hörbar gemacht. Als eine Art Anthologie fängt dieser Band in ausgewählten Zitaten Fakten, aber auch Stimmungen, Eindrücke und Überzeugungen ein und folgt dabei über Jahrhunderte und Generationen hinweg auf der Spur des (blut)roten(-weißen) Fadens, der, ganz wie es in Verbindungen generell üblich wurde, die Ansbacher von den Stiftern bis heute verbindet.
Als fachkundiger Autor hat Hans Peter Hümmer die „geheimen Schränke“ des von ihm betreuten Corpsarchivs, aber auch private Korrespondenz durchstöbert – als Altherrensohn überblickt er zumindest aus zwei Generationen eigenem Erleben mehrere Jahrzehnte Corpsgeschichte und kann sich dabei auch auf persönliche Begegnungen mit Zeitzeugen stützen. Und als verdienstvoller Schriftleiter des corpsstudentischen Jahrbuches „Einst & Jetzt“ hat er bereits in der Vergangenheit immer wieder einzelne Aspekte und Themen herausgegriffen und untersucht. Dem Wunsch des Altherrenvorstands folgend wird der Zeit des Dritten Reiches, die 1983 noch auf knapp zweieinhalb Seiten abgehandelt wurde, und der Rolle von Opfern und Tätern besondere Aufmerksamkeit gewidmet, ohne dass dadurch die Balance der Darstellung gefährdet ist.
Zu den bisher nur schwer zugänglichen Quellen gehören Briefe, persönliche Tagebücher, offizielle Protokollbände und für die Frühzeit – bei dem Steckenpferd des Verfassers nicht verwunderlich – Stammbucheinträge. Unter den Abbildungen überwiegen, um dem „Chor der Zeitzeugen“ ein Gesicht zu verleihen, Porträts von den Stiftern bis zum aktuellen Altherrenvorsitzenden. Die problematische Geschichte Onoldias nach der Machtergreifung der NSDAP, der unaufhaltsam scheinende Weg hin zur Selbstauflösung, der durch das forsche Agieren weniger und das Zögern vieler begünstigt wurde, wird in zeitgenössischer Korrespondenz zwischen Corpsbrüdern lebendig und hautnah dargestellt. Besonders eindrucksvoll ist auch ein „Rundbrief“, den eine „Confuchsia“ von 1932/33 während des Zweiten Weltkrieges an der Front in ihrem Kreis zirkulieren ließ, um auch unter schwierigen Bedingungen den Zusammenhalt nicht abreißen zu lassen. Teils recht offenherzig wird dort über persönliche Erlebnisse und Erfahrungen berichtet – ein authentisches Zeugnis aus einer schwierigen Zeit.
So gut es möglich war, spürt Hümmer auch dem Schicksal von Tätern und Opfern des Regimes während und nach der Zeit des Dritten Reiches nach. Ähnlich sorgfältig wird der Neubeginn nach Kriegsende in der noch jungen Bundesrepublik anhand offizieller Quellen, aber auch privater Korrespondenz nachvollzogen. Die Chronik endet 1960; sie wird bis zur Gegenwart durch „Kernige Sätze und Erinnerungen der Philistervereins-Vorsitzenden“ ergänzt, aus denen deutlich wird, was den Altherrenvorstand in seiner Amtszeit jeweils bewegte und mit welchen zeitbedingten Herausforderungen er sich konfrontiert sah. Dem Corps Onoldia darf man zu einem Festband gratulieren, der, um der Mühe der Erstellung und der Qualität des Inhalts zu entsprechen, eigentlich einen festen Leineneinband und vor allem ein Register verdient gehabt hätte.
Andreas Mettenleiter Moenaniae Würzburg
Hans Peter Hümmer, Die Treue, die uns Brüder band. 225 Jahre Onoldia, Neustadt an der Aisch 2023, broschiert, 216 Seiten, 45 Abbildungen, ISBN: 978-3-96049-116-3, 32 Euro.
Aus der Verlagsnotiz: Ein Schwerpunkt dieser Festschrift ist die Beleuchtung der Zeit des Nationalsozialismus und ihrer Auswirkungen auf das Corps. Bislang ist eine Auseinandersetzung mit Fehlern und Geschehnissen dieser Zeit nicht in dieser Ausführlichkeit und inhaltlicher Tiefe erfolgt. Dem Vorstand war es ein besonderes Anliegen, dass die Rolle des Corps im „Dritten Reich“ selbstkritisch dargestellt wird. Sie gehört zur Geschichte unseres Bundes; damit müssen wir uns auseinandersetzen. Die Beschreibung – vorrangig aus Sicht der Zeitzeugen – gewährt einen ungefilterten Blick auf die Geschehnisse, die fast zum Untergang, dem „finis Onoldiae“, geführt hätten.
Auch im Jahrbuch „Einst & Jetzt“, Band 68, Seite 298 f., ist die Festschrift zum 225. Geburtstag der Onoldia Thema eines Beitrags.