200 Jahre: Corps Franconia-Jena gibt sich bemerkenswerte Festschrift

Seit 1821 gab es eine Franconia in Jena? Oh, das offizielle Gründungsdatum täuscht. Bereits in den frühen 1790er Jahren gab es Jensche Franken, und ihre späteren Corpsbrüder haben sie auch anerkannt. Mangels validierbarer Akten zur Stiftung feierte Frankconia-Jena, heute in Regensburg, in den Jahren 2021 und 2022 ihr rundes Jubiläum – mit einer Festschrift, der namhafte Gastautoren ihren Stempel aufdrückten, darunter Raimund Lang, Asfa Wossen Asserate und Markus Lüpertz.

Das Jensche Frankenhaus: Ansicht von der Saale her: die äußere Baugestalt hat zwei Diktaturen überlebt, innen blieb fast nichts erhalten.

Organisiert, zusammengetragen und mit vielen lesenswerten Beiträgen aus der eigenen Feder abgerundet hat Markus Wilson-Zwilling Franconiae München, Franconiae-Jena zu Regensburg diese wirklich rundum gelungene Festschrift. Die Festivitäten anläßlich des 200. Stiftungsfestes der Jenschen Franken finden in darin ebenso breiten Niederschlag wie die Erinnerungen an die alte Alma Mater in Jena und die wahrlich idyllischen Gegebenheiten, die die Franconia dort hatte, bis hin zum einst wahrlich schönen Corpshaus, das alle Zeitläufte der Diktaturen überdauert hat, derzeit ohne seine angestammten Bewohner aber schwere Zeiten durchmacht.

Für eine gute Festschrift durchaus passend – aber auch sehr würdig – sind die Beiträge prominenter Autoren, darunter Prinz Asfa Wossen Asserate Sueviae Tübingen, und mehrerer Kösener Corpsstudenten bis hin zum derzeitigen VAC-Vorsitzenden Brenning Normanniae Berlin, Rhenaniae Bonn, und Jörg Wiesner, der den Jenschen Franken als ihr Alter Herr mit dem größten Überblick über Geschichte und Brauchtum gilt, und zwar von Jena über Frankfurt bis nach Regensburg. Wie konsequent, ideenreich und manchmal sogar listig Wiesner, immerhin lange Jahre Kanzler der Universität Regensburg, für seine Jenschen Franken lebte, wie er immer ansprechbar war, dokumentiert der Herausgeber Markus Wilson-Zwilling, dessen herausgeberische Handschrift ohnehin diesen Band wie ein fein-dezenter, grün-rot-goldener Faden durchzieht; mehrere Beiträge aus eigener Feder steuerte er selbst auch bei.

Dürfen natürlich nicht fehlen: mehrere umfangreiche und höchst amüsierliche Berichte über den Bierstaat der Franconia-Jena, den Hofstaat des Gefürstete Grafen zu Henneberg-Wöllnitz; hier sein Wappen auf einem Pfeifenkopf im Archiv der Jenschen Franken.

Gleich viermal ist Raimund Lang, der viele Bänder und Ehrenbänder des MKV und des ÖCV trägt und mit einem Professorentitel geehrt wurde, in dieser Festschrift vertreten. Einen seiner Texte dokumentieren wir auf diesem Portal, „Ergo cantemus – Fiktionen und Realitäten im studentischen Liedgut“, er war auch andernorts schon zu lesen. Mit einer Abhandlung zum frech-ironischen „Und in Jene lebt sich’s bene“ geht es weiter, um dann mit ernsteren Tönen zu Max von Schenkendorfs Hymne „Erneuter Schwur“ fortzufahren, aber spätestens bei „Auf dem Karzer lebt sich’s frei“, einem vagantisch anmutenden Lied, das von lebenden Personen handelt, die den Zeitgenossen durchaus erkennbar waren, ist er dann wieder, der „grüne“, jedenfalls fröhliche, immer etwas freche Ton, der in diesem Werk von Zeit zu Zeit durchaus anklingt. Text und Melodie sind im Anschluß im Faksimile wiedergegeben. Insegesamt ist dieer Abschnitt des Werkes zu einem kleinen Raimund-Lang-Festival geraten! Chapeau!

Ungewöhnlich ist die Umschlaggestaltung. Das Prunkwappen, das im Original von 1823 stammt und erhalten ist, wurde auf der Rückseite des Buches plaziert. Die vordere Seite ist von einem Bild geprägt, das vier junge Männer in grün-rot-goldenem Couleur vor einem mutmaßlich sehr gediegenen Altbau zeigt, der indes nur teilweise zu erkennen ist. Es handelt sich um die vier Aktiven des Corps im Sommersemester 2022 vor ihrem in der Tat höchst gediegenen und bewährten Corpshaus in der Regensburger Ludwig-Eckert-Straße. Nach Auskunft des Herausgebers soll ebendieses Bild die ständige Ereneuerung symbolisieren, die das Corps erfährt, ja, erfahren muß, um fortbestehen zu können. Wie der Phönix aus der Asche.

Markus Lüpertz: Phönix, eigens für die Jenschen Franken geschaffen.

Ja, der Phönix. Bei Franconia-Jena ist man zurecht besonders stolz auf einen ganz speziellen Gast des 200. Stiftungsfestes, der als wahrlich prominent gelten darf: Markus Lüpertz. Der Düsseldorfer Malerfürst und Bildhauer kam durchaus nicht mit leeren Händen, sondern brachte der Franconia-Jena eine eigens gestaltete Skulptur ihres Wappentieres mit, des Phönix, die in einer exklusiven Auflage in Bronze gegossen wurde, jeweils individuell koloriert ist und ab sofort ein Stück deutscher Kunstgeschichte darstellt.

Dieser Phönix ist es, der die aus Jena vertriebene, in Frankfurt zeitweise ansässige und nun in Regensburg sehr erfolgreiche Franconia-Jena prägt. Immer wieder erneuert sich die alten und immer junge Jensche Franconia, wie diese frische und stellenweise sogar freche Festschrift belegt. Schön und handlich, fest eingebunden, von kundiger Hand gestaltet, drei Lesefäden in den Corpsfarben: eine runde Sache! Nichts ist zu spüren von einer Asche der Vergangenheit, aus der sie erstehen müsste. Die Aktivengenerationen kommen, immer neu – immer jung und frisch ist Franconia-Jena. Ganz wie es das Titelbild zeigt, konkret und symbolisch zugleich. Und so wie dieses eigenwillige, aber doch so sinnstiftende Titelbild, wobei das rückseitige Hermelinwappen als Grundlage natürlich nicht vergessen werden darf.

Corps Franconia-Jena zu Regensburg (Hrsg.), 200 Jahre Corps Franconia-Jena, Redaktion Markus Wilson-Zwilling, München 2022, Hardcover, drei Lesefäden, ISBN 978-3-940732-59-0, 50 Euro (zzgl. 5 Euro Porto).

Schreibe einen Kommentar