Am Wochenende nach Pfingsten treffen sich die Vertreter der 18 Verbindungen, die zu DDR-Zeiten unter der sozialistischen Diktatur der SED insgeheim gegründet wurden, auf der Rudelsburg. Fünf von ihnen haben bis heute einen Aktivenbetrieb. Auch 2022 waren es aber in erster Linie die Kämpfer gegen den sozialistischen „Antiburschius“, die sich derart zahlreich im Rittersaal der Rudelsburg über Bad Kösen versammelten, dass zusätzliche Bierbänke nötig wurden.
Wenn das Wochenende nach dem Pfingstfeste naht – der gestandene Kösener Corpsstudent weiß, zu Pfingsten herrscht in Bad Kösen buntes Couleurleben – ist in Kösen wieder der Alltag eingekehrt. Zu Saaleck aber sowie rund um die Rudelsburg regt sich neuerlich buntes Treiben. Denn dann feiern die Korporierten der Rudelsburger Allianz ihren Allianzkommers, ein jährliches Treffen, das ob seiner unbändigen Farbenfreude und der Neuinterpretation der unralten studentischen Freiheitstraditionen schon zu DDR-Zeiten den SED-Schergen ein Dorn im Auge war. Vom 10. bis 12. Juni heurigen Jahres war es wieder soweit. Drei Jahre lang war der diesmalige Vorort, die Christliche Studentenverbindung Ottonia Magdeburg und die Katholische Technische Verbindung Unitas Ilmenau-Kassel zu Ilmenau im TCV, im Amte. Eine bösartige, kleine, stachelige Kugel hatte 2020 und 2021 das Treffen sowie den krönenden Kommers auf der Rudelsburg unmöglich gemacht. Umso besser feierte es sich 2022!
Lasset mich Kunde geben von dieser wunderbaren Veranstaltung! Traditionell mit dem Hissen der riesigen weißen Allianzfahne am Burgturm beginnt das muntere Treiben. Eine große Zahl Buntbemützter traf am Freitagnachmittag im Hofe der Rudelsburg ein, sprach dem Biere zu und erwartete das Erscheinen der Flagge am Turm der Burg. Lieder erklangen, wobei vor allem Herrmann Allmers die Reverenz erwiesen wurde: Dort Saaleck, hier die Rudelsburg … Als dann der Abend ins Land zog, die Schatten länger wurden, begann einer der schönsten Programmpunkte, der Begrüßungsabend im Garten der Gastwirtschaft „Zum Burgblick“ von Maître Uwe Kanthack. Helles Köstritzer vom Faß befeuerte alsbald die Stimmung, die köstlichen Thüringer Bratwürste vom Grill bildeten die Unterlage. Was die Welt morgen bringt, war den Feiernden bald egal – zu schön war dieser Abend, um sich da Sorgen zu machen… Fast war es den Brüdern egal, wo ihnen ein Bett und Zimmer wär‘, den schlanken Leib zu fassen, doch irgendwann sank dann ein jeder in ersteres.
Gegen halb zwölf erst begann wieder Leben und Treiben im Garten des Kanthackschen Etablissements. Es gab da „die legendäre Bohnensuppe mit Brot als erste Grundlage für den geplanten Genuß der Cerevisia“, schon gegen 13 Uhr rief der Vorort in den Gasthofsaal zum Allianzconvent rief. Trotz der trocknen Conventsatmosphäre saß da keiner mit finstrem Amtsgesicht, ernste Dingen wurden zwar besprochen, Relationen aber wurden keine geschrieben, Rezensionen schon gar nicht gemacht. Ob dann wirklich pünktlich um 15 Uhr die Begrüßung der Aquanauten an der Schiffsanlegestelle unterhalb der Rudelsburg stattfand, vermag ich nicht zu sagen. Fest steht nur, daß die Saale Niedrigwasser führte und so ein zügiges Vorwärtskommen nicht gerade erleichterte! Umso nötiger war dann später, geplant ab 16.30 Uhr die Auffrischung der physischen und psychischen Kräfte durch Erklimmen des Berges mit dem Ziel: „Löwendenkmal“. Da ich mir nicht sicher war, ob meine ureigenen physischen Kräfte durch das Bergsteigen tatsächlich aufgemöbelt würden, tat ich die Auffahrt mit meiner Couleurkutsche – ein wahrhaft fahrender Sänger (wenn auch kein Rattenfänger), von wen’gen gekannt.
Ab etwa 17.00 Uhr hielt der wackere Uwe vor dem Löwendenkmal den hungrigen Wanderern, Aquanauten und „fahrenden“ Sängern wie mir ein frisches Spanferkel bereit, die zweite Grundlage für den Genuß der Cerevisia. Überflüssig zu bemerken, daß es sich auch heuer wieder als äußerst schmackhaft erwies! Das Löwendenkmal bot wie immer einen würdigen Anblick mit den vor ihm aufgestellten bunten Fahnen, die Stimmung war exzellent. Fast alle Mitglieder der Verbindungen der Rudelsburger Allianz wurden zu DDR-Zeiten von der Stasi verfolgt, weil sie die studentische Freiheit feierten und pflegten. Das taten sie ohne wirkliche Vorbilder, denn der Sozialismus bekämpft und verbietet die Freiheit, auch die der Verbindungen. Mehrmals mußte angemahnt werden, daß um 18.30 Uhr die Andacht beim Allianzstein sei, bei der der verstorbenen Farbenbrüder gedacht wird. Die beiden Vorortsverbindungen hatten eine würdige Zeremonie vorbereitet, die auch die Gedenkenden aktiv mit einschloß. Da starb von den Dreien der Eine… Vom Allianzstein zur Burg wurde hernach gewandert, in deren Hof man sich zum löblichen Tun versammelte und vorfreudig den frühen Abend genoß. Bald aber wurde es ernst, denn – planmäßig um 19.15 Uhr – erfolgte der feierliche Einzug und Empfang der Verbindungsvertreter in den Burghof. Freudig begrüßt von der dort weilenden Corona zog herein ein lust’ger Schwarm.
Gegen 20.00 Uhr stieg die feierliche Eröffnung des XXXIV. Allianzkommerses im Rittersaal der Rudelsburg, begleitet vom „großen“ Gaudeamus „Als ich schlummernd lag heut Nacht“. Lied folgte auf Lied, die großartig arbeitenden Kommerspräsiden vergaßen indes auch nicht, daß Salamander in erster Linie dazu da sind, um gerieben zu werden! Cerevisiam bibunt homines, animalia cetera fontes! Man vergaß unter den vielseitigen, zumeist sehr humorvollen Programmbeiträgen auch nicht auf regelmäßige Colloquia, den Fumatores, den Blasengefüllten und den miteinander Disputierenden zur Freude und Erleichterung! Im Nu trat die Mitternacht heran, die mit einem gekonnten Mitternachtsschrei begrüßt, danach aber noch lange nicht beendet wurde. Johannes Knackstedt vom den Vorort führenden CStV Ottonia Magdeburg resümiert: „Schließlich wurde der Kommers würdig abgehalten; mit vielen Redebeiträgen, unterbrochen von elf Salamandern und schallenden Gesängen. Auch im kommenden Jahr werden sich mehr als 100 um und auf der Feste sammeln und singen: ‚O Vaterland wie bist du schön…’ denn: ‚Die Rudelsburg, das ist ein Ort, zum Schwärmen und zum Trinken.’“
Keinesfalls verwunderlich ist es, daß das für 9.00 Uhr im „Burgblick“ angesetzte Frühstück eher ein Spätstück wurde, sich dafür aber über die Mittagszeit hinaus entwickelte. Gegen halb eins wurde es Zeit für mich Österreicher, die Stätte zu verlassen, da mir ja noch mehrere hundert Kilometer auf Deutschlands und Tschechiens Straßen bevorstanden. Bliebe ich doch so gern bei der Linde, aber der Wagen, der rollt …
Rüdiger Herwig Hofbauer, Freies C! Austro-Germania Wien
Die Rudelsburger Allianz ist ein Zusammenschluss „präwendaler“ Verbindungen, die sich vor dem 3. Oktober 1990 aufgetan haben. Die Verbindungen treffen sich seit 1986 alljährlich am Fest Trinitatis/Dreifaltigkeit unterhalb und auf der Rudelsburg. Sie pflegen damit die Traditionen, die sie schon im Verborgenen zu DDR-Zeiten aufbauten. Jede Studentenverbindung pflegt seit dem Mauerfall weitere Kontakte. Daher ist es freigestellt, sich einem Verband anzuschließen. Die Rudelsburger Allianz führt das Weiß als Farbe, denn das ist die Summe aller Farben. Die alljährlichen Treffen werden reihum von den einzelnen Allianz-Verbindungen vorbereitet.
Johannes Knackstedt, CStV Ottonia Magdeburg