Alljährlich, meist in der letzten November- und der ersten Dezemberwoche, wird in den Kellergewölben vieler Verbindungshäuser eine höchst traditionsreiche Veranstaltung angesetzt – die Krambambuli-Kneipe. So auch bei der K.Ö.St.V. Nibelungia im ÖCV in Wien. Franz Luger und drei seiner Aktiven waren im Jahre 1998 die Hauptpersonen dieses geheimnisvollen Rituals. Heutzutage ist es der Nibelunge Dr. Ernst Koreska, der seine mit Fuchsenbändern versehenen Zauberlehrlinge zu magischem Tun anleitet.
Krambambulikneipe! Bei dieser beliebten Veranstaltung wird auf zeremonielle Art und Weise eine Feuerzangenbowle gebraut, auf der Homepage der Nibelungia Die studentische Feuerzangenbowle » Krambambuli im Detail beschrieben wird. Woher aber rührt eigentlich der Ausdruck „Krambambuli“? Hergeleitet wird dieses Wort von „Kranewitt, das sich aus den mitttelhochdeutschen Wörtern ‚Kranech‘, also Krächzer, und ‚Wit‘ für Holz zusammensetzt: Krächzerholz, so nannte man einen Strauch, dessen Früchte eine besondere Drosselart, die heisere Laute ausstößt, bevorzugt, nämlich die Wacholderdrossel. Der „Krambambuli“ war somit ursprünglich ein Wacholderschnaps. Dazu später mehr.
Die Form der mystischen Zubereitung des Krambambuli, wie sie von der K.ö.St.V. Nibelungia beschrieben und alljährlich praktiziert wird, verläuft nach einem Ritus, der von Dr. Gunter Doppelhofer kreiert wurde. Am 22. November 1963 wurde sie in der Bude der K.A.V. Danubia im ÖCV uraufgeführt, jedoch traten völlig unerwartet tragische zeithistorische Umstände ein. Das Zeremoniell war in vollem Gange, aber noch nicht vollendet – da wurde die Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in Dallas / Texas bekannt. Die Zeremonie wurde abgebrochen, allein schon, um weiteren möglichen Todesfällen vorzubeugen.
Bei der seither jährlich und, wie hier zu sehen, auch bei der Wiener Nibelungia im ÖCV gepflegten Inszenierung, während derer aber zum Glück bis dato keine weiteren amerikanischen Präsidenten ermordet wurden, fußt auf dem in der griechischen Mythologie festgehaltenen Streit, der aufgrund seines mythischen Alters nicht in der Ermordung amerikanischer Präsidenten, aber dafür vor Troja in reichlich Mord und Totschlag münden sollte. Hera, Athene und Aphrodite waren bekanntlich in Streit geraten, wie’s halt so ist, natürlich ging’s darum, welche die Schönste sei – folgenschwer das Urteil des Paris, schlimmer noch als die Schüsse von Dallas, glaubt man dem ollen Homer.
Keine weiteren Toten bislang
Höchst vorsorglich werden die drei antiken Göttinnen in Wien – allein schon, um möglichen tödlichen Weiterungen vorzubeugen – bei der K.Ö.St.V. Nibelungia als die drei wesentlichen Ingredienzien einer Feuerzangenbowle interpetiert: Wein, Rum und Zucker. Diese drei werden logischerweise durch aktive Nibelungen verkörpert. Praktisch sieht das so aus, daß diese drei während des Singspiels unter der Obhut des Dominus „Magister“ Krambambuli die Feuerzangenbowle anrichten. Dies erfolgt meist nach einer Branderkneipe, die bereits eine Anhebung des Stimmungspegels bewirkt hat. Der von der K.A.V. Danubia und von der K.Ö.St.V. Nibelungia dieserart rezipierte Ritus wird außerdem jährlich abgewandelt und modifiziert, je nachdem, wie die äthylische und die übrige Weltlage sich gestaltet.
Wie dem auch sei. Am 4. Dezember 1998 wurde das oben gezeigte, mystisch-mythische Krambambuli-Ritual unter Zuhilfenahme von magischen Zaubertricks von Ensemblemitgliedern der Wiener Bieroper im Nibelungen-Kellergewölbe zelebriert, wobei die drei Aktiven wie folgt als „Naturprodukte“ auftraten: Wein: Dr. Ernst Koreska v/o Baloo, NbW – Rum: Mag. Rainer Frey v/o Sarastro, NbW – Zucker: stud.med. Roland Drescher v/o Adonis, NbW. Als Magister Dominus Crambambuli fungierte Dr. Franz Luger v/o Zorro, NbW. Es kann nur wiederholt werden: Ein wahrlich magisches Gebräu entstand!
In Zeiten einer Pandemie….
Im Jahr 2020 wollte Nibelungia infolge COVID-Lockdown auf ihren jährlichen Krambambuli keinesfalls verzichten. Also wurde kurzerhand per Video-Konferenzschaltung „der Krambambuli“ von zu Hause aus am Notebook zelebriert. Natürlich entstand aus diesem Anlaß eine gebührende Krambambuli-Strophe: Corona ist in aller Munde / in Hals und Rachen ebenso / manch einem schlägt die letzte Stunde, / ein anderer kauft ein fürs Klo. / In Zeiten einer Pandemie, / da hilft nur eins: Krambambuli!
Am 30. November 2024 begab es sich schließlich im Kellergewölbe Nibelungiae. Wieder stand das mythisch-mystische Krambambuli-Ritual an; Dr. Ernst Koreska zelebrierte, und diesmal erschien ein ganz besonderer Geist aus der Flasche – besser: in einer Flasche. Ein Alter Herr brachte einen urtümlich verkorkten Krambambuli mit, die er kürzlich in Polen erworben hatte. Er erzählte, dass er ihn von einem Händler gekauft habe, der diesen feinen Stoff in der Fabrik „Gdańska Wytwórnia Historycznych Smaków“ in Danzig herstellen läßt. Auf der Homepage www.gwhs.pl ist nachzulesen, dass diese Destillerie sich, auf Deutsch übersetzt, heutzutage „Danziger Historische Aromenfabrik“ nennt.
Doch was ist der Ursprung dieser Fabrik? Die Webseite gibt Auskunft: „Das Restaurant Winne Grono in Danzig [befand] sich in der Szeroka-Straße im historischen Haus ‚Unterm Lachs – Pod Łossoem’, bekannt als ‚Der Lachs’. Und genau hier wurden die berühmtesten Danziger Liköre für mehrere hundert Jahre hergestellt, vor allem Goldwasser. Als die Covid-Pandemie den Betrieb des Restaurants unterbrach, war es der fürsorgliche Genius Loci, der mich in die richtige Richtung lenkte. Ich begann zu recherchieren, Bibliotheks- und Archivanfragen durchzuführen, Experimente zu machen, um die ursprünglichen Aromen zu finden, die diesen Ort einst prägten. Es entstand das Projekt ‚Danziger Historische Aromenfabrik’“.
Wer hat ihn erfunden, den „Krambambuli“?
Ohne die Religionskriege gäbe es keine Danziger Wodkas und Liköre, wie wir sie kennen. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Königsstadt Danzig zu einem Zufluchtsort für Mennoniten, die aus den Niederlanden flohen. Im Jahr 1598 brachte der Apotheker Ambrosius Vermollen nur sein eigenes Rezept mit, unter anderem für das wundersame Gesundheitselixier Goldenes Wasser von Danzig. Seine Nachkommen stellten es bis 1945 in Danzig her. Es ist ein Phänomen, dass die ersten Schöpfer des Danziger Ruhms Mennoniten sind. Die Zünfte der Handwerker erlaubten es ihnen schlichtweg nicht, anderen Berufen nachzugehen. Sie hätten Destillateure sein können, genau wie die orthodoxen Juden. Alle Produkte der Danziger Historischen Aromenfabrik basieren auf der reinsten Dinkelspirituose, echten Kräutern, Früchten und eventuell Zucker in einer streng festgelegten Menge: nach Geschmack.
Die Likörfabrik „Der Lachs“ von Isaak Wed-Lings Wittib und Eydam Dirck Hegger in Danzig, die bis 1945 existierte, benannte einen von ihr produzierten Kirschlikör „Krambambuli“. Berühmt wurde dieser Likör durch das Lied „Der Krambambuli. Ein Loblied über die gebrannten Wasser im Lachs zu Dantzig“ von Christoph Friedrich Wedekind (1709 – 1777), der gar nicht aus Danzig stammte. Der Erstdruck dieses Liedes erfolgte im Jahre 1745, es hatte 102 (!) Strophen aufzuweisen. Einen weiteren Bekanntheitsgrad erlangte der Begriff „Krambambuli“ durch die gleichnamige Novelle der österreichischen Dichterin Marie Ebner-Eschenbach, wo ein Landstreicher einen entlaufenen Hund nach seinem Lieblingsschnaps benennt. Diese Novelle wurde in den Fünzigerjahren mit Rudolf Prack in der Hauptrolle verfilmt, vor mehr als zwanzig Jahren gab es auch eine Neuverfilmung, in der die Rolle des Landstreichers vom bekannten österreichischen Schauspieler Tobias Moretti verkörpert wurde.
Dr. Franz Luger v/o Zorro, NbW im ÖCV
Redaktion: Sigler; Bilder: Luger (4), Sigler