Gaudeamus im Wilden Westen

Er wurde für Generationen jugendlicher Leser zu einer Ikone von lebenslanger Gültigkeit: Karl May. Doch nicht nur das. In vielen seiner Romane finden sich Bilder aus dem Studentenleben. Das „Gaudeamus igitur“ dichtet dort ein sächsischer Forstgehilfe, der zum literarischen Revolverhelden mutierte, höchst originell um. Professor Raimund Lang, der Kenner der Studentengeschichte und speziell des studentischen Liedgutes, entführt uns in den Wilden Westen – so wild, wie es ihn wahrscheinlich nicht einmal in der Prairie Nordamerikas gab. Und der im späten 19. Jahrhundert schreibende Karl May blickt unter manchen ihm offenkundig vertrauten studentenhistorischen Aspekten sogar bis nach China: Der „Blau-Rote Methusalem“ ist nichts anderes als die liebevolle Karikatur eines Leipziger Lausitzers, eines Corpsstudenten in der Stadt, in der Karl May lange lebte.

Karl May. Kaum denkbar, daß ihn, wer im 20. Jahrhudert heranwuchs, nicht gelesen hatte. Ohne Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi gab es keine Jugendromantik. Das fehlerlose Aufzählen der vollen Namensreihe Hadschi Halef Omars galt als Bedingung, um unter Buben ernstgenommen zu werden. Ich war indes schon fast dreißig und hatte bereits die Studentengeschichte als zukunftstaugliches Thema für mich entdeckt. Da war es Zeit, auch einmal Karl Mays Studentenroman zu lesen, den „Blauroten Methusalem“. Ich tat es – aber mit großer Enttäuschung. Karl May blieb dennoch die Grundlage meiner literarischen Neigungen. Und in diesem Zusammenhang kam ich dahinter, daß er viel öfter studentische Begebenheiten in seine Erzählungen eingestreut hat als in diesem Roman.

Der blau-rote Methusalem: zeitgenössische Darstellung aus dem Studentenkurier, 2012

Carl (sic!) Friedrich May war das, was man heute als schillernde Figur zu bezeichnen pflegt, was bedeutet, daß sein Glanz etwas halbseiden ist. Tatsächlich begann die Karriere des 1842 in Ernstthal[1] bei Chemnitz Geborenen wenig vielversprechend. Er studierte am Lehrerseminar, wurde dort aber wegen Diebstahls relegiert. Seine Tendenz zur Hochstapelei und kleinere kriminelle Delikte brachten ihn für vier Jahre ins Gefängnis. Als er dieses 1874 wieder verlassen durfte, begann er zu schreiben. Was nun folgte, war eine der erfolgreichsten Schriftsteller­laufbahnen aller Zeiten. Seine Auflagen erreichten 200 Millionen Bände, die Hälfte davon in Deutschland. Nach Angaben der Unesco ist er der am häufigsten übersetzte deutsche Autor. Seine Werke gibt es in 40 Sprachen zu lesen, darunter in Esperanto und Volapük, jüngst auch in vietnamesisch. Interessant ist aber, daß er in den großen Kulturnationen England und Frankreich sowie in Amerika die geringste Akzeptanz fand. Die genaue Zahl seiner Werke ist unüberschaubar, da sie in vielen verschiedenen Ausgaben, Titeln und Bearbeitungen. Der Karl-May-Verlag, einst in Radebeul bei Dresden, heute in Bamberg, führt derzeit 93 Bände, deren letzte drei Teile seines Briefwechsels wiedergeben. Der 43. Band („Lichte Höhen“) enthält auch Tagebuchnotizen, ein Theaterstück, Dramenentwürfe und frühe Gedichte, von denen er zwei – eines davon ein „Ave Maria“ – selbst vertonte.[2]

Von wegen vertont: Das ermöglicht eine sanfte Querbeziehung zum Studententum. Tatsächlich gibt es nämlich auch eine Oper nach Karl May. Es ist „Der Schatz im Silbersee“, und ihr Schöpfer ist Othmar Schoeck (1886 – 1957), der bedeutendste Schweizer Komponist der Neuromantik und Ehrenmitglied der Berner Singstudenten, für die er einen „Farbencantus“ und mehrere Studenten­lieder schrieb; 1933 widmete er der Universität Zürich zu deren 100. Gründungstag das Präludium op. 48. bekannt als „Universitätspräludium“. Als er allerdings Karl Mays Wildwestphantasien in Töne setzte, hatte er noch keine akademischen Erfahrungen, sondern befand sich sowohl als Leser wie als Tonsetzer im Novizenstadium: der Frühreife war gerade elf Jahre alt.

Studentisches Dreigestirn: der Methusalem, sein Diener und der Hund, der das Bierglas bereithält. Aus dem Studentenkurier, 2012

Auch May hatte es nie zu akademischen Ehren gebracht. Vielleicht ist es ein typisches Aufsteigersyndrom, vielleicht auch ein Bildungskomplex, jedenfalls strebte er nach einen Doktortitel. Dieser wunsch war offenbar so ausgeprägt, daß er seinem Namen einen solchen voranstellte und ihn auch ins öffentliche Adreßbuch eintragen ließ. Natürlich evozierte das behördlichen Widerstand, so daß er sich um eine Quelle zur intellektuellen Nobilitierung umsehen mußte. Schließlich fand sich eine „Deutsch-amerikanische Universität“ in Chicago bereit, ihm für den Roman „Im Reiche des silbernen Löwen“ ein Ehrendoktorat zu verleihen. Doch Mays Stolz blieb kurzfristig, denn die Nostrifizierung scheiterte an der Tatsache, daß es diese Akademie gar nicht gab – May war einer Titelmühle aufgesessen und verzichtete ab nun zumindest öffentlich auf die Führung eines Doktorates. Nicht immer sind’s die Österreicher …

Diese Titelliebe schlug sich auch in seinem Werk nieder. In der Erzählung „In der Heimat“ gibt sich der Ich-Erzähler – also Karl May – als ehemaliger Student mit Doktortitel aus. Es handelt sich dabei um das ursprüngliche erste Kapitel seines Reiseromans „Krüger Bei“, der 1890/91 entstanden ist. Aber an diesem Beispiel zeigt sich die Schwierigkeit einer Systematik in Mays Werk. Der Text wurde in dem Magazin „Deutscher Hausschatz“ erstabgedruckt. Dabei strich der Redakteur mehr als 400 Seiten des Originalmanuskriptes, darunter auch das einleitende Kapitel, dessen Inhalt er durch eine knappe Zusammenfassung ersetzte. Als 1896/97 die Buchauflage erschien, verfaßte May eine eigene Zusammenfassung. „Krüger Bei“ bildete dabei den zweiten Teil der Trilogie „Satan und Ischariot“. Erst nach Mays Tod, 1927, wurden die gestrichenen Originalteile zu zwei Erzählungen verarbeitet. Und erst 1997 brachte man den Originaltext als Sammelband an die Öffentlichkeit, der nun den Titel „Old Shatterhand in der Heimat“ trug.

Studentisches findet sich auch in dem Reiseroman „Weihnacht“ (auch „Weihnacht im Wilden Westen“) von 1897,[3] der mit einer Gymnasiastenfreundschaft beginnt. Er liegt in einer kurzen (fünf Kapitel) und einer langen (17 Kapitel) Version vor; letztere widmet sich der Jugendgeschichte viel ausführlicher und überschreibt das zweite Kapitel „Eine Studentenwalz“.[4] Eine überraschende Begegnung beschert uns Band 3 der Gesamtausgabe, „Von Bagdad nach Stambul“. Dort nennt der Erzähler im sechsten Kapitel keinen Geringeren als „… Josef Viktor von Scheffel, den Dichter des Gaudeamus …“[5] und zitiert daraufhin mit Hinblick auf seinen eigenen Katzenjammer die folgenden drei Verse: Ein mildes Kopfweh, erst der letzten[6] Nacht entstammt, / durchsäuselte die Luft mit mattem Flügelschlag / und ein Gefühl von Armut lag auf Berg und Tal. Sie sind Scheffels Gedicht „Pumpus von Perusia“ entnommen, das sich im „cultur­geschichtlichen“ Teil seiner Gedichtsammlung „Gaudeamus“ findet, also in unmittelbarer Nachbarschaft des „Schwarzen Walfisch“ und der „Teutoburger Schlacht“.

Enthält Zeilen des Liedes „Gaudeamus igitur“, originell umgedichtet für einen imaginären Wilden Westen: der Erzählband „Unter Geiern“

Scheffel (1826 – 1886), zu Mays Zeit einer der populärsten deutschen Dichter, ist in dessen Werk noch mehrere Male nachzuweisen. In seinem Blücherroman „Die Liebe des Ulanen“ (1883 – 1885 entstanden) zitiert er die Verse „Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen …“ aus Scheffels Trompeter-Epos, dasselbe tut er noch einmal in „Deutsche Herzen – Deutsche Helden“ (1885 – 1888); beide erschienen als Fortsetzungsromane in Heftform für den Dresdner Münchmeyer-Verlag. Und im „Ölprinz“, der 1892/93 entstand, versteckt er die Pointe, daß Schiller den „Trompeter von Sigmaringen“ gedichtet hätte. Als Karl May 1902 das Schloß Toblino im Trentino besucht, wo auch Scheffel auf der Flucht vor der Pest in Venedig 1855 geweilt und darüber ein „Gedenkbuch“ verfaßt hatte, schreibt er, dem längst verstorbenen Altmeister huldigend, die Verse in Gästebuch: „Du dauerst mich, du lieber Burschengeist, / der diesen Ort noch heut als Schatten preist, /denn was man hier in dieses Buch geschrieben, / beweist mir nur, daß du nicht hiergeblieben. / Man kommt, man trinkt, man schreibt sich geistlos ein / und glaubt dann fest, noch mehr als du zu sein. / Doch schlag ich nach, so will es mir erscheinen, / als sei das, was ich las, nur zu beweinen, / und hat ein Bessrer anders wohl gedacht, / so hat er nicht geweint, er hat gelacht!!!

Zu den Kolportageromanen für Münchmeyer zählt auch das „Waldröslein“ (1882 – 1884), worin er eine Figur Scheffels variiert, nämlich den im Studentenlied reichlich vertretenen Herrn von Rodenstein. Während Scheffel aus dem sagenhaften Ritter des Odenwaldes ein geisterhaftes Trinkgenie machte, hüllt ihn May in den seriösen Habitus eines bärbeißigen, zum Oberförster gewordenen Hauptmanns. Die Verwandtschaft der beiden, und damit Scheffels Vorbildwirkung, ist aber nicht zu überlesen.

Gaudeamus bei Karl May

1886 wurde Karl May für die Zusammenarbeit mit der Redaktion einer neuen Jugendzeitschrift gewonnen, die den Titel „Gaudeamus“ tragen sollte, schließlich aber unter „Der gute Kamerad“[7] erschien. Sie trug zur Popularität von Mays Erzählungen wesentlich bei. Einer ihrer Leser war der jugendliche Theodor Heuß (1884 – 1963), der sich seine May-Begeisterung ein Leben lang bewahrte und Mays Erfolg und tiefen Eindruck auf die Jugend darauf zurückführte, daß es in seinen Geschichten „…Käuze gab, über die man lachen konnte, Helden, für die man schwärmen durfte und Bösewichter, die man verachten mußte“.

Auch das Gaudeamus igitur, das zur studentischen Hymne gewordene jahrhundertealte akademische Jubellied, zitiert May mehrere Male. Wir finden es einmal im Roman „Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends“ erwähnt[8], auch dieser zwischen 1884 und 1886 zuerst kapitelweise bei Münchmeyer erschienen, aus dem später verschiedene Teile in andere Romane und Erzählungen eingingen,[9] und ein weiteres Mal in „Der schwarze Mustang“, seinem kürzesten Roman, der 1896/97 für den „Guten Kameraden“ entstand und später unter dem Buchtitel „Halbblut“ aufgelegt wurde.[10]

Sein diesbezügliches Meisterstück aber lieferte er in der Erzählung „Der Geist des Llano estacado“, die 1888 im „Guten Kameraden“ und später mit „Der Sohn des Bärenjägers“ als zweibändiges Buch erschien; beide zusammen bilden den Band „Unter Geiern“. In dieser Geschichte präsentiert Hobble Frank, ein sächsischer Forstgehilfe, der in mehreren May-Romanen auftritt[11] eine völlig neuartige Variante des Gaudeamus: Gaudeamus Igelkur, Juvenal kaut Humus, Gaugamela, Inventur, Pflaumenboom ist Prunus.[12] Mit dieser Kreation hat Karl May sich nicht nur eindrucksvoll in die Liste der Gaudeamus-Dichter eingereiht, er hat auch den Dadaismus um ein Vierteljahrhundert vorweggenommen.

Was hat es aber mit jenem Roman auf sich, der allgemein als Karl Mays einziger Studentenroman gilt, dem „Blauroten Methusalem“? Auch dieser ist ein Produkt seiner Arbeit für den „Guten Kameraden“ und wurde dort in den Jahren 1888/89 unter dem Titel „Das Ehrenwort“ erstveröffentlicht. May hatte die Arbeit schon 1887 begonnen, aber zugunsten des „Llano estacado“ unterbrochen. 1892 erschien die Buchausgabe, die im Verzeichnis der gesammelten Werke die Nummer 40 trägt. Der Roman mit dem Untertitel „Eine lustige Studentenfahrt nach China“ spielt aber nur sehr begrenzt im studentischen Milieu. Held der Geschichte ist der in ewigem Studium gealterte Fritz Degenfeld, dessen Nase dank jahrelanger Trinktherapie eine markante Farbe angenommen hat:

Er war von hoher, breiter, wahrhaft hünenhafter Gestalt und trug sein Hektoliterbäuchlein mit dem Anstand eines chinesischen Mandarins erster Klasse. Sein Gesicht war von einem dunklen, wohlgepflegten Vollbart eingerahmt und zeigte die Fülle und Farbe eines braven Germanen, der sich darüber freut, daß die deutschen Biere längst ihren Triumphzug um die Erde vollendet haben. Quer über dieses Gesicht zog sich eine breite Narbe, die Nase in zwei ungleiche Hälften teilend – aber war für eine Nase! Ursprünglich war sie wohl das gewesen, was man eine Habichtsnase nennt; nach und nach aber hatte die Schärfe ihres Schnitts sich gemildert, um einer Fülle zu weichen, die von Semester zu Semester bedenklicher geworden war. Dazu war eine Färbung getreten, die mit der Zeit alle zwischen dem lieblichen Fleischrot und einem tiefen Rotblau liegenden Abstufungen durchlaufen hatte. Der Besitzer dieser Nase behauptete freilich, daß die Säbelwunde an der Färbung schuld sei; seine Korpsbrüder hingegen waren anderer Meinung. O Jugend, bewahre dich vor ähnlichem Ungefähr![13]

Ein Original also, begleitet von einem „Wichsier“, also einem Faktotum, das ihm die Pfeife nachträgt und auf den Namen Gottfried von Bouillon hört, während ein riesiger Neufundländer mit dem Bierglas in der Schnauze voranschreitet. Dieser rituelle Marsch zum Krug wurde in verschiedenen Versionen auch zum Titelbild der meisten Buchausgaben. Mit dieser Typologie erschöpft sich aber das studentische Ambiente dieser Geschichte. Es bleibt auf das erste Kapitel begrenzt, dient der Exposition und spielt im weiteren Verlauf keinerlei dramaturgische Rolle mehr. Erst im letzten Kapitel, nach glücklichem Ausgang und Heimkehr aus China, findet sich die Gruppe, bestaunt und gefeiert, wieder in heimatlicher, bierehrlicher Umgebung.

Und der Methuslaem?

Studentenroman? Vielleicht… literarisches Denkmal für einen Leipziger Lausitzer? Höchstwahrscheinlich!

Bleibt die Frage, ob Karl Mays einziger studentischer Titelheld ein reines Phantasieprodukt ist oder vielleicht ein leibhaftiges Vorbild hatte. Der Autor hat sich dazu nicht geäußert, hat keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen, die Schlüsse zuließen. Aber der unvergessene Corpshistoriker Egbert Weiß[14] hat sich mit dieser Frage beschäftigt und eine Reihe von interessanten Fakten zusammen­getragen. So meint er in der namenlosen Universitätsstadt Leipzig erkennen zu können, wo Karl May sich zwischen 1865 und 1875 mehrfach aufgehalten hat und möglicherweise eigene Beobachtungen des Studentenlebens anstellen konnte. Das von ihm als Wohnort des Methusalem angegebene Pfeffergäßchen gibt es dort zwar nicht, wohl aber ein Salzgäßchen – eine bewußte Verklausulierung? Was die Erscheinung des Methusalem betrifft, so könnte May, der ein leidenschaftlicher und schneller Leser war und aus seiner Lektüre unzählige Kenntnisse über nie bereiste Länder gewonnen hat, die er bekanntermaßen glaubwürdig umzusetzen verstand, auch den „Leipziger Ameisenkalender“ des Jahres 1870 gelesen haben, worin dessen Redakteur Theodor Drobisch (1811 – 1882) Leipziger Studentenleben schildert. Sehr konkret ist die Beobachtung, daß der von May beschriebene blaue Flaus und das rot-goldene Cerevis nur zum Corps Lusatia Leipzig passt. Schließlich sind auch der „Wichsier“, also der Corpsdiener, sowie die Haltung eines Couleurhundes bei den Lausitzern für Mitte des 19. Jahrhunderts belegt. Schließlich läßt auch der von May gewählte Name Friedrich Degenfeld Assoziationen zu.

Tatsächlich gab es bei den Lausitzern einen berüchtigten Haudegen namens Carl Friedrich Degelow,[15] der nach 25 Partien 1832 Opfer einer Stoßmensur wurde, dessen Andenken aber noch jahrelang lebendig blieb. Besagter Theodor Drobisch erwähnt ihn in der zuvor genannten Quelle. Und auch Richard Wagner, der ihn als Saxonenfuchs gefordert hatte, ohne daß es zur Austragung der Partie kam, berichtet im ersten Teil seiner Autobiographie „Mein Leben“ anerkennend über ihn.[16] Sollte – so fragt Egbert Weiß – Karl May ihm ein literarisches Denkmal gesetzt haben?[17]

Kaum bekannt ist, daß der Methusalem auch verfilmt werden sollte. Schon 1939 bemühte sich die Münchner Bavaria Film AG um die Geschichte, kam aber zu keinem Ergebnis. 1964, also in der Hochzeit der Karl-May-Filme, nahm sich Arthur Brauner mit seiner Berliner CCC-Filmproduktion des Themas an und machte dafür fast zwei Millionen DM locker. Große Namen wurden für die Titelrolle gehandelt: Fernandel, Heinz Rühmann, Joachim Fuchsberger, sogar O. W. Fischer. Als Szene sollten die Kulissen des eben abgedrehten „Im Reiche des Kublai Khan“ dienen. Doch das Projekt scheiterte, knapp vor Drehbeginn, am Drehbuch: Trotz mehrerer Überarbeitungen blieb es so schwach, daß Brauner aufgab.

So bleibt der Methusalem zwischen Buchdeckeln bewahrt und dient als Karl Mays Visitenkarte im Reich der Studentenhistoriker. Und der Autor bleibt, was er immer war: Ein faszinierender Grenzgänger zwischen Odium und Genialität. Sein Erfolg überstrahlt jedenfalls seine Zwielichtigkeit und seine suggestive Phantasie steht außer Streit. Am pointiertesten hat dies einer seiner prominentesten Anhänger formuliert, der Philosoph Ernst Bloch, der meinte: „Ich kenne nur Karl May und Hegel; alles, was es sonst gibt, ist aus beiden eine unreinliche Mischung.“[18]

Dieser Text erschien zuerst im Jahre 2012 im Studentenkurier. Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung.


[1] 1898 mit Hohenstein zu Hohenstein-Ernstthal vereinigt.

[2] Der deutsche Komponist Günther Neubert (*1936) gewann 2001 einen Kompositionswettbewerb zur 800-Jahr-Feier von Dresden und komponierte daraufhin ein Oratorium „Wo der Herr nicht das Haus baut“, worin er elf Gedichte von Karl May verwendet und Texten des Propheten Jesaias gegenüberstellt. Die Uraufführung fand 2006 statt.

[3] Band 24 der Gesammelten Werke.

[4] Der umgangssprachliche Begriff Walz für Wanderschaft taucht erst im 19. Jh. in der Sprache der Handwerker auf (auf die Walze gehen) und leitet sich wohl von dem mundartlichen Verb walzen in der Bedeutung von träge dahinschlendern ab. Daß Gymnasiasten als Studenten bezeichnet wurden, war noch während meiner Schulzeit in den 60er Jahren durchaus üblich; mein Vater schenkte mir einmal Visitkarten mit der Titulierung „stud. gymn.“

[5] Gemeint ist damit natürlich nicht das Lied, sondern Scheffels 1867 unter diesem Titel veröffentlichte Gedichtsammlung.

[6] Im scheffel’schen Original ist von der „jüngsten“ Nacht die Rede.

[7] „Der gute Kamerad“ erschien ab 1887 wöchentlich im Stuttgarter Verlag Spemann und war für Knaben gedacht, während das Gegenstück für Mädchen „Das Kränzchen“ war. In der ersten Ausgabe begann May mit dem Abdruck seiner Erzählung „Der Sohn des Bärenjägers“. Besonders erfolgreiche Fortsetzungsromane wurden vom Verlag später in Buchform herausgebracht, als erster Karl Mays „Der schwarze Mustang“. Die Zeitschrift erschien bis 1944, wurde 1951 wieder aufgelegt und 1968 eingestellt.

[8] Das Zitat lautet: „Beim letzten Schlage der Glocke begann er mit dem Stocke zu rasseln und das Gaudeamus zu pfeifen.“

[9] Teile aus dieser Erzählung finden sich im „Buschgespenst“, in „Sklaven der Schande“ und „Der Eremit“.

[10] Das Zitat lautet: „Ist das Gesicht, was der Kerl jetzt macht, nicht ein wahres Gaudeamus abbreviatur für uns, lieber Droll?“

[11] Hobble Frank, mit vollem Namen Heliogabalus Morpheus Edeward Franke, erscheint schon im „Sohn des Bärenjägers“, im „Schatz im Silbersee“, im „Ölprinz“ und im „Schwarzen Mustang. Karl May verwendete den Namen auch als Pseudonym.

[12] Igelkur: Akkupunktur; Juvenal: Decimus Iunius Iuvenalis, römischer Satirendichter (um 60 – nach 127); Humus: püriertes Erbsengericht; Gaugamela: Ort im heutigen Irak, wo 331 v. Chr. Alexander der Große die Perser unter Dareios II. schlug; Inventur: Bestandsaufnahme; Pflaumenboom: sächsisch für Pflaumenbaum; Prunus: Sammelbegriff für Obstbaumarten – zu Mays Zeit für jegliches Steinobst, also auch für Pflaumenbäume.

[13] Die Textfassung entspricht der Auflage des Bertelsmann-Verlages von 1964 in der Bearbeitung von Peter Korn, die in vielen Details von anderen Auflagen abweicht.

[14] Egbert Weiß, 1931 bis 2022, war Richter am Kammergericht Berlin a. D.,, Archivar des Leipziger Corps Lusatia und ist durch zahlreiche studentenhistorische Veröffentlichungen hervorgetreten. Die vorliegenden Überlegungen faßte er ausführlich in der „Lausitzer Zeitung“ 4/1995 zusammen. Er berief sich dabei auch auf Forschungen des Corpsburschen Wolfgang Kehl, veröffentlich in der Zeitschrift des Freiburger Corps Palatia-Guestfalia Nr. 44/1975.

[15] Degelow stammte aus Rostock, studierte Jura, wurde bei Lusatia im Dezember 1830 rezipiert und trug später auch das Band der Jenenser Vandalen.

[16] „… In Degelow erhielt das Wilde, Leidenschaftliche einen besonderen dämonischen Reiz durch eine hämische Frivolität, mit der er sich oft gegen sich selbst wandte, während er wieder Züge von einer gewissen ritterlichen Zartheit gegen andre zu erkennen gab …“ Es folgen weitere Erwähnungen.

[17] Wir werden das niemals belegen können, doch die Mußmaßungen haben viel für sich. Dr. Claus Roxin, Mitte der 70er Jahre Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft, stimmte ihnen jedenfalls tendenziell zu: ,,… Tatsächlich dürften Sie recht haben in der Annahme, daß Karl May im ,Blauroten Methusalem‘ das Corps Lusatia gemeint hat …“ (Brief an das Corps Lusatia vom 5. Mai 1976)

[18] zitiert nach: Ernst Bloch. Tendenz – Latenz – Utopie. Frankfurt 1959.

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