In München wird derzeit ein größerer Teil der Altstadt untertunnelt. Die Stadt bekommt eine zweite Ost-West-Querung für U- und S-Bahn. Unzählige Bodendenkmäler gehen verloren, aber es kommen auch studentenhistorische Artefakte zum Vorschein. So zum Beispiel der untere Teil einer Porzellanpfeife, mit Farbschild und Zirkel verziert. Das berichtet der Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung, VfcG, auf seiner Webseite.
Das Gelände nördlich des Münchner Rathauses wird als „Marienhof“ bezeichnet. Im 19. Jahrhundert stand hier für einige wenige Jahre Münchens berühmter Glaspalast, später standen hier Geschäftshäuser. Vor der Komplettzerstörung durch den Bombenkrieg lag hier ein dichtbebautes Areal der Kernstadt, unter anderem, im Spätmittelalter, das Judenviertel. Seit dem Zweiten Weltkrieg war es unbebaut, lediglich 1972 stand hier vorübergehend ein Olympiapavillon, danach war es ein Parkplatz. Hier jedoch, auf einem seit dem Mittelalter städtischen Areal, erstreckte sich bis 2019 das größte zusammenhängende Bodendenkmal in der Münchner Innenstadt. Seitdem wird großflächig bis in 25 Meter Tiefe gegraben.
Vor dem Start der Milliardenbaustelle haben Archäologen und Bauforscher ab 2011 den Marienhof gründlichst untersucht. An der Einmündung der alten Schrammerstraße in die Theatinerstraße fanden sie die Reste des Kellers eines bis Kriegende stattlichen mehrstöckigen Gebäudes mit Geschäften im Erdgeschoss – einst das Anwesen Theatinerstr. 52. Dessen einstiger Keller war mit Schutt und unterschiedlichstem Hausrat aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfüllt.
Eleonore Wintergerst von der Archäologischen Staatssammlung München berichtete zuerst im Jahrbuch Einst & Jetzt Nr. 66, das 2021 erschien, von einem kleinen, beutelförmigen Porzellanobjekt, das man an der Stelle ehemaligen Theatinerstraße 52 gefunden hat. Es handelt sich um den Saftsack einer Gesteckpfeife, also das Verbindungsstück, das zum Auffangen der beim Rauchen entstehenden Kondensflüssigkeiten dient. Auf seiner Vorderseite befindet sich ein Farbenschild auf gekreuzten Schlägern. Die beiden Randstreifen sind Weiß, der mittlere ist indifferent Ocker/Sienabraun, wobei unklar ist, ob sich der Farbwert durch die Bodenlagerung oder durch eine mögliche Hitzeeinwirkung während eines sehr starken und heißen Feuers farblich verändert hat.
Auf dem Farbenschild stehen die verschlungenen Buchstaben: VEAv! Das deutet auf den Zirkelspruch „Virtus Et Amicitia vivant!“ – Tugend / Leistung und Freundschaft mögen leben! Die Anordnung der Farben, in denen ein mittiger Farbstreifen von zwei weißen Streifen oben und unten flankiert wird, in diesem Falle präsentiert sich die Abfolge augenscheinlich als Weiß – Ocker / Sienabraun – Weiß, legt dabei nahe, dass es sich hier um den Farbenschild einer Schülerverbindung handelt. Welche das gewesen sein könnte, und ob es überhaupt eine München Pennalie war, ist noch nicht entschlüsselt; jedenfalls wurde es noch nicht veröffentlicht. So bleibt dieses Relikt einer Porzellanpfeife ein spannendes Stück Studentengeschichte!