Gleich zwei große, aufwendig gedruckte Bände mit Nachschlagewerken zur Universitäts- und Bildungsgeschichte hat ein Förderkreis um die Wilhelm-Golücke-Stiftung und die Gemeinschaft für Studentengeschichte möglich gemacht: eine Bestandsaufnahme der im Institut für Studentengeschichte (IDS) vorhandenen Zeitschriften sowie eine Auflistung aller Hochschulen, Universitäten und Akademien, die bis dato im deutschen Sprachraum existierten oder noch bestehen.
Die Herausgabe von tabellarischen Nachschlagewerken in Form von hochwertig gedruckten, fadengehefteten, nach alter Art fest eingebundenen Archivbänden ist im 21. Jahrhundert zur Seltenheit geworden. Fast kann also bei den beiden neuen GDS-Bänden, es sind Band 2 und Band 3 der Schriften des Instituts für deutsche Studentengeschichte, von einem singulären Ereignis gesprochen werden. Kaum geht man fehl, wenn man im Dokumentationswillen Friedhelm Golückes, des Mitgründers und über Jahrzehnte prägenden Vorsitzenden der GDS, die treibende Idee hinter dieser mehr als exzellenten Form der Herausgabe vermutet.
Studentenzeitschriften in selten gesehener Bandbreite
Auf 525 Seiten dokumentiert Carsten Müller den rund 2.700 Zeitschriftentitel umfassenden Bestand der GDS, die in den Räumen des Kreisarchivs Paderborn aufbewahrt wird. Er definiert zunächst sorgfältig, was gesammelt wird, um sodann alle Titel in streng alphabetischer Reihenfolge aufzulisten. Bei dieser Art der Reihung wird nicht zwischen Einzelverbindung, Verbänden und auch nicht zwischen deren unterschiedlichen Ausrichtungen unterschieden. Das ist etwas schade. Die Verbindungen einerseits, ihre erklärten Feinde andererseits, neutrale Institutionen wie Universitäten und Verbände als Drittes hätten vielleicht in voneinander unterschiedene Kapitel sortiert werden sollen.
Um noch eine Ebene tiefer zu gehen: Die Sortierung der Titel nach Korporationsverbänden, nach dem Verbreitungsgebiet oder auch nach Epochen des Bestehens und Erscheinens wäre ebenfalls sehr hilfreich gewesen. Angesichts der Materialfülle wäre es dann natürlich angezeigt gewesen, Spezialregister anzubieten; immerhin, ist ein Ortsregister vorhanden. So bleibt als Manko der mangelnden Querverweise, denn eine gute Dokumentation lebt davon, daß eben nicht wie nach einem Einkauf im Supermarkt alles nebeneinander auf den Tisch gelegt wird, um es salopp zu umschreiben, sondern daß weiterführende Hinweise gegeben werden. Darüber aber strahlen zwei Vorzüge. Zunächst ist wichtig, daß überhaupt alle Zeitschriftentitel aufgelistet wurden, sodann beeindruckt natürlich der schiere Umfang der Sammlung, die unter Friedhelm Golückes Federführung in Paderborn zusammengetragen werden konnte.
Tour d’Horizon durch Europas Bildungswelt
Es mutet geradezu wie ein Lebenswerk an, was Siegfried Schieweck-Mauk in seinem Werk über die Universitäten, Alkademien und sonstigen Hochschulen zusammengetragen hat, wüßte man nicht, daß er als Forscher auch andere große Veröffentlichungen auf den Weg brachte. 14 eng bedruckte Seiten, zweispalig, umfassen die zum Beispiel Angaben für Wien – ein unglaubliches Panoptikum an Bildungseinrichtungen, beginnend mit der Universität, die 1365 gegründet wurde. Alle akademischen Bildungsstätten und Akademien sind ebenfalls erfasst, und das beileibe nicht nur in Wien, sondern in allen kleinen und großen städten, in denen auf Deutsh gelehrt wurde. Die Aufnahme aller Einrichtungen ohne Unterschied ist sinnvoll, weil sich am jeweiligen Ort der Charakter einer Bildungeinrichtung ändern konnte.
Dieses Werk ist zum klassischen Nachschlagewerk zur Bildungsforschung geraten, interessant für ein breites Spektrum an Bibliotheken, denen der erwerb speziell angeraten sei – aber natürlich auch für die Studentengeschichte. Das Rückgrat der Informationsvermittlung liegt in der Auflistung von Jahreszahlen. Wer also wissen möchte, ob zu einem bestimmten Jahr eine genau definierte Bildungseinrichtung Bestand hatte, noch nicht gegründet war oder im Gegenteil ihren Betrieb bereits wieder eingestellt hatte, der findet hier, was er sucht.
Angaben zu Personen sind dagegen spärlich bei Schieweck-Mauk, und schön wäre es auch gewesen, die zahlenmäßig sehr überschaubaren Bildungseinrichtung einzubeziehen, die für die mitteleuropäischen Bildungseinrichtungen eindeutig Vorläufercharakter hatten und prägend wirkten. Bologna zum Beipiel ist ein Desiderat. Dafür aber ist London vertreten, wenn auch lediglich mit der Zweigstelle einer Privatuniverität aus Hannoveer, die in jüngster Zeit einen Zweitsitz dort errichtete. Die Begrenzung auf eine bestimmte Sprache erscheint daher in der Handhabung nicht vollständig einleuchtend. Dazu sei der Hinweis gegeben, daß bis in die frühe Neuzeit hinein das Lateinische die eigentliche Bildungssprache Europas ist. Von Bologna, von der Sorbonne in Paris her zu denken, vielleicht auch Oxford und Cambridge zu bedenken: das wäre ein nächster Schritt. Der Bearbeiter, der dies gesamteuropäische Unterfangen dann beginnt, hat allerdings eine erstklassige Grundlage im jetzt bereits vorliegenden Werk.
Momentaufnahme, für Jahrhunderte fixiert
Aus bester archivalischer Tradition, wie sie seit dem Spätmittelalter aufgebaut und hierzulande bis ins später 20. Jahrhundert hinein gepflegt wurde, haben sich zwei für Sorgfalt und Akribie bekannte Bearbeiter einerseits um die Inhaltsangabe der Zeitschriftenregale des von ihm maßgeblich gestalteten IDS und andererseits um die Bestandsaufnahmen aller deutschsprachigen höheren Lehranstalten gekümmert. Sie haben damit den Stand der Dinge dokumentiert, haben eine Momentaufnahme für Jahrhunderte fixiert, denn die Bände werden Jahrhunderte überdauern. Die beiden Bearbeitet Carsten Müller und Siegfried Schieweck-Mauk haben auf diese Weise große Verdienste erworben. In erster Linie werden indes wohl Bibliotheken diese beiden Werke in ihren Bestand aufnehmen
Natürlich sind Bände wie diese bereits bei Ihrer Herausgabe nicht mehr völlig aktuell. Denn ständig bekommt das IDS in Paderborn neue Konvolute übereignet, und immer werden neue Hoschschulen gegründet. Das ist natürlich die fast schon tragische Seite der Medaille, denn die Machart der Bände ist einwandfrei, die handwerkliche Qualität ausgezeichnet, das kann nicht oft genug betont werden. Das ist dann aber auch die andere Seite ebendieser Medaille: zwei glänzend gelungene, den jetzigen Stand bestens und erschöpfend darstellende Dokumentationen sind gelungen. Dank und Komplimente der Fachwelt, besonders aber seitens der Studentenhistoriker, gehen an die Wilhelm-Golücke-Stiftung und die GDS, die Gratulation an Siegfried Schieweck-Mauk und Carsten Müller.
Unser Indexbild zeigt mittig das Wppen der GDS, die die Herausgabe der beiden aktuellen Bände maßgeblich organisierte, rechts im Bild Carsten Müller, der die Zeitschriftenbestände des IDS katalogisierte und dokumentierte.