Axel Bernd Kunze hat sich mit seinem neuen Buch über die geistigen und geistlichen Grundlagen des Kulturstaates – unter Einbeziehung von Studentenverbindungen! – ein glasklares Programm gesetzt: „Was Staat und Gesellschaft zusammenhält und welche Rolle die Religion dabei spielt, das ist die Frage, der in dieser Schrift nachgegangen wird.“ Entstanden ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine offene Gesellschaft, aber auch für einen klaren Standpunkt, für eine entschiedene Verteidigung des Eigenen.
Wie geht Kunze vor? Von der Anlage her handelt es sich bei „Bildung und Religion“ um einen Sammelband – Kunze sammelt sozusagen Kunze, nur ein Kapitel wurde völlig neu verfasst, eine Liste der Originalveröffentlichungen ist beigegeben. Das ist zweifelsohne ein Wagnis, doch der Struktur des Buches ist stimmig, das Inhaltsverzeichnis weist in eine klare Richtung, Und ob es wirklich Jesus Christus ist, der hier die Hand im Spiel hat, ganz konkret, so wie auf unserem obigen Bild, das wir von Pixabay erhielten, das mag der Leser für sich bedenken. Kunze gibt gute Anstöße, aber er diktiert keine Ergebnisse.
Gleich in Teil I erfahren die Leser, und die Korporierten unter ihnen wird es erfreuen, wie die Idee der studentischen Reformverbindungen, die christliche Religion und ein zutiefst christlich-abendländisch fundiertes Gemeinwesen an sich zusammenhängen. Bezog Kunze bereits in seinem einstimmenden „Präludium“ klar die Position, daß nur ein deutlich abgegrenztes christliches Profil einen wirklichen Dialog zwischen den großen Welreligionen herbeiführen kann, führt er dies im Folgenden Stück für Stück aus. Sehr klar wird der Bezug zwischen Religion und Staat anhand der Ideale und Ziele der christlichen Reformverbindungen definiert. Das gelingt! und es ist überaus spannend, erweist sich doch die Lebensform der studentischen Gesellung einmal mehr als eine Art Brennglas für de umgebende gesellschaftliche Entwicklung. Hier wird nun ein Exempel dafür gegeben, wie eine klare christliche Haltung ein Staatswesen zum Erfolg führen kann und welchen Beitrag korporierte Studenten hier zu leisten imstande sind.
Der Begriff „Burschenschaft“ wurde dabei im 19. Jahrhundert zuerst grundlegend über christliche Werte definiert, die aber speziell bei den Reformern nicht einengend sein sollte. Lediglich die unchristliche Gesinnung, die Verächtlichmachung des Glaubens an Gott sollte ausgeschlossen sein. Dicht und faktenreich beschreibt Kunze diese geistig-politische Richtung – die Lektüre ist äußerst lohnend!
Neun weitere Teile folgen. Diejenigen mit den Nummern II bis V stellen dem auf christliche Bildung gegründeten, demokratischen Staat eine Diagnose. In den darauffolgenden vier Teilen stellt Kunze Instrumente und Maßnahmen vor, mit denen die gravierende Schieflage in unserem Gemeinwesen, der Bundesrepublik in einem geeinten Europa, begegnet werden könnte, wenn denn der politische Wille vorhanden wäre. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Kunze mehrere Jahrzehnte lang dieselbe parteipolitische Luft atmete wie der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz. Das macht seine Expertise noch relevanter. Aber es macht auch seine Beschäftigung mit den christlichen Reformburschenschaften – um darauf nochmals zurückzukommen – nochmals interessanter.
Ganz so, wie sich auch die gut geführte Studentenverbindung ganz vom Individuum her einem Ideal der Gemeinschaft nähert, beschreibt Kunze auch seinen bildungstheoretischen Ansatz. Er nennt dabei drei Perspektiven – die anthropologische, die menschenrechtliche und schließlich die schulpädagogische, um die es ihm letztendlich auch beruflich geht, ist er doch der wissenschaftliche Leiter einer sozialpädagogischen Fachschule, die für solide Lehre und gute Ausbildung weithin bekannt ist. Klipp und klar testiert Kunze mit der Überschrift zu Teil III: „Bildung und Religion brauchen einander“, und er begründet das äußerst überzeugend. Schon hier hat sich die Lektüre des Buches mehr als gelohnt, denn er wirft unter anderem folgende Frage auf: „Braucht Religion Bildung?“ Eine andere, hierzulande im Vormarsch befindliche Religion braucht gar nicht erst benannt zu werden – nach Kunzes Antwort könnten Bildungspolitiker, die alle Religionen gleichsetzen und auf eine bloße Ethik herunternivellieren, nur noch gesenkten Blickes ihren Hut nehmen.
Kunze nennt aber dann selbst Roß und Reiter. In Teil V, der die Religion im pädagogischen behandelt, nennt er konkrete Beispiele für die Überschreitungen der interreligiösen Toleranzgrenze, ausnahmslos durch Verfechter des moslemischen Glaubens. Es lohnt, hier einfach nur die Zwischenüberschriften zu zitieren: „Befähigung zum Reden über Religion“ – „Pflege der eigenen Identität“ – „Toleranz meint nicht Neutralität“ – „Arbeiten am zivilreligiösen Konsens“ – „Schulische Integrationsfunktion“. Axel Bernd Kunze bietet konkrete Handreichungen, die inhaltlich sehr wichtig sind. Dieses Buch hat damit zugleich auch einen hohen Nutzwert für alle Multiplikatoren, also: Pädagogen.
Warum ein Kulturstaat, der weltanschaulich neutral ist, durchaus nicht religionslos sein muß, erfährt die Leserschaft in Teil VI des schmalen, aber umso inhaltsreicheren Bandes. Auf dem blog „Bildungsethik“ ist das wie folgt zusammengefasst: Denn zur Sorge um dessen Kontinuität gehört die Sorge um seine kulturelle Wurzeln. Diese sind politisch-geschichtlich gewachsen und religiös geprägt. Der Band zeigt auf, welch bleibende Bedeutung Bildung und Religion auch in Zeiten gesellschaftlicher Pluralität für einen freiheitlichen, vitalen und tragfähigen Kulturstaat besitzen. Wo die Sorge um seine geistigen Grundlagen erlahmt, werden über kurz oder lang kulturelle und soziale Verteilungskämpfe einsetzen.“ Wobei hinzugesetzt werden darf, daß völlig klar ist, welche Kräfte hierzulande dann das tun, was sie weltweit tun. Von dem, was wir „christliches Abendland“ nennen, werden verstreute Steine in abgelegenen Wäldern übrigbleiben – wenn überhaupt. Was mit dem alten orientalischen Christentum geschah, sei uns warnendes Beispiel!
Angesichts der existentiellen Herausforderungen fordert Kunze eine neue, eine fest definierte „normative Grundlage“, mittels derer sich die „offene Gesellschaft“, die Karl Popper definierte, hierzulande der Nivellierung, der Vergleichgültigung, der totalen Relativierung entgegenzustellen hat. Das spricht eindeutig die Dringlichkeit des Anliegens ebenso wie für die Hellsichtigkeit des Herausgebers und seine Qualität als Zeitdiagnostiker. Und in der Tat ist es höchste Zeit, das hier Grundlegendes geschieht, erlaubt sich der Rezensent anzumerken. Gerade deswegen ist dieses so trefflich zusammengestellte Werk von Axel Bernd Kunze dringend jedem ans Herz zu legen. Tipp für Pädagogen: Am besten gleich zwei Exemplare ordern und eines davon dem lieben, grüngegenderten Kollegen im Lehrerzimmer in sein Fach legen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Dem Lit-Verlag ist sehr zu danken, daß er diesen Band ins Programm genommen hat. Angesichts der großen inhaltlichen Relevanz des Werke wird der Leser die eher spartanische Machart des Din-A-5-Bandes, die von der äußeren Anmutung her leider nur knapp oberhalb eines Uni-Skriptes anzusiedeln ist, wohl klaglos in Kauf nehmen. Die 143 Seiten, die Literaturliste und weitere nützliche Angaben enthalten, lesen sich flüssig und zügig, nicht zuletzt, weil der Autor, zugleich ja der Herausgeber, sein Anliegen überzeugend vorzutragen versteht, ganz wie es sich für einen versierten Hochschullehrer gehört. Mit diesem Werk ist geklärt, wie wichtig die christliche Religion ist, damit hierzulande Staat und Gesellschaft zusammengehalten werden können. Und auch, wenn die Ausübung der Religion frei ist: Axel Bernd Kunzes Mahnung, den christlichen Standpunkt frei, offen und deutlich einzunehmen, ist mehr als berechtigt. Dieses Werk gehört auf jeden Dozentenschreibtisch!
Sebastian Sigler
Axel Bernd Kunze, Bildung und Religion. Die geistigen Grundlagen des Kulturstaates, Berlin 2022, brosch., 143 S., ISBN 978-3-643-15081-3, 24,90 Euro, auch als PDF-download erhältlich
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