Einer der bedeutendsten Korporierten aller Zeiten – das ist Theodor Herzl. Auf seine Initiative, seine Beharrlichkeit, seinen wirkmächtigen Schilderungen geht die Gründung des heutigen Israel zurück. Herzl, der als Burschenschafter Erfahrungen mit Band, Mütze und Mensur gemacht hatte, trug später die Bänder von Kadimah Wien und Ivria Wien, der beiden ältesten jüdischen Verbindungen in der Donaumetropole. Anläßlich des Gründungsjubiläums des Staates Israel ein bunter Strauß von Gedanken, rund um Herzl.
26. April 2023 oder 5. Ijar 5783 – Geburtstag! Grund zum Feiern, denn seit 75 Jahren gibt es einen unabhängigen Staat Israel. Wie dankbar wir Gott sein können, dass es diesen Staat gibt, versteht sich mit Blick auf die Geschichte von selbst. Wie dankbar wir aber dem Staat Israel sein dürfen, ist ebenfalls mit einfachen Bildern zu umschreiben.
Am 14. Mai 1948, auf diesen Tag in unserem Kalender fiel der 5. Ijar 5708, wird im Kunstmuseum auf dem Rothschild-Boulevard, Tel-Aviv-Jaffa, Weltgeschichte geschrieben. David Ben-Gurion tritt an das Rednerpult und proklamiert die Unabhängigkeit Israels mit einer Erklärung. Er sagt darin: „Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem selbständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.“
Etwas mehr als drei Jahre zuvor erst war das Vernichtungslager Auschwitz befreit worden. Die Gründung eines eigenen Staates war die historische Antwort, die Menschen jüdischen Glaubens auf den Versuch, ihre Identität auszulöschen, unter glücklichen Umständen geben konnten – und gegeben haben. Wer heute durch Israel reist, wer hinschaut, wer guten Willens ist, der sieht, dass die Zusage, die David Ben Gurion gab, eingehalten wird. Und dass die Vision Theodor Herzls vom Grundgedanken her exakt eintraf.

Ein deutschsprachiger Journalist, Autor und später auch Politiker war Theodor Herzl, vom Studium her war er Jurist. Er stammte aus der Budapester Kultusgemeinde, war bereits zu Beginn seiner Studienzeit in Wien sehr engagiert – nicht zuletzt als Verbindungsstudent. 1879 trat er der „Akademischen Lesehalle“ bei, einem studen-tischen Bildungsverein, in dem zuvörderst liberales Gedankengut gepflegt wurde. Hier organisierte er Diskussionen und literarische Abende. Zum Winter-semester 1880/81 wechselte er zur akademische Burschenschaft Albia. Es ging ihm, wie aus den Quellen durchaus erkennbar wird, um eine dem Deutschtum verpflichtete Tendenz, um Interesse an der Kultur, aber eben auch um das Elitebewußtsein.
Zugleich pflegte Herzl auch eine Mitgliedschaft im „Turnverein der Wiener Hochschulen“, in dem nicht nur Leibesübungen, sondern auch das explizite National-bewußtsein des „Turnvaters“ Jahn zur Tagesordnung gehörten. Auf einer nach seiner ersten und einzigen Mensur aufgenommenen Photographie trägt er eine Kornblume im Knopfloch. Dies war die Lieblingsblume Kaiser Wilhelms I., sie war Erkennungszeichen der deutschnationalen Österreicher. Das ist von Interesse, wenn in Betracht gezogen wird, daß sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts und auch noch am Vorabend der Shoa rund 80 Prozent aller Juden weltweit zur mitteleuropäischen, also zur aschkenasischen Kultur, damit aber eben auch zur deutschen Sprache bekannt haben dürften, wie aus vielen Quellen unterschiedlicher Provenienz hervorzugehen scheint.
Ein Korporierter erfindet Israel
Nach einer stark antisemitisch geprägten Rede eines Bundesbruders anläßlich eines Trauerkommerses für Richard Wagner im Jahre 1883 erklärte Herzl seinen Austritt aus der Albia. Trotz dieses Schrittes hatte er mit einigen Mitgliedern der Albia weiterhin gute Kontakte. Zu einem politischen Umdenken kam es erst durch Dreyfusprozeß in Frankreich. Nun propagierte er einen eigenen jüdischen Nationalismus, am 14. Februar 1896 erschien schließlich seine Programmschrift „Der Judenstaat“ in einer Erstauflage von 3.000 Exemplaren. Sofort war man bei der A.V. Kadimah Wien voll höchster Begeisterung – Herzl wurde zum Held der akademisch-jüdischen Jungend. Sein ungebrochenes, starkes Interesse an ebendieser Jugend ermöglichte es ihm sofort, in den aufkommenden jüdischen Verbindungen die idealen Rezipienten für seine Idee eines Judenstaates zu sehen.
Bereits an der Spitze der zionistischen Bewegung stehend wurde Herzl aufgefordert, der akademischen Jugend jüdischen Glaubens eine neue Welt zu erschließen. Seine begeisterten Anhänger kamen zunächst aus der Kadimah Wien, dann aus den schnell immer zahlreicher werdenden jüdischen Verbindungen. Die Kadimah verlieh ihm die Mitgliedschaft, die J.A.V. Ivria folgte wenig später.
Theodor Herzl, der große Zionist, war von seiner Prägung her eine begeisterter Korporierter – und er blieb es sein Leben lang, wie die lange Reihe seiner Korrespondenzen mit diversen jüdischen Verbindungen belegt. Im August 1897, nach dem ersten Zionistenkongreß in Basel, schrieb er eine Prophetie in sein Tagebuch: „In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. (…) In 50 Jahren wird es jeder einsehen.“ Schon 1904 sollte er zwar mit nur 44 Jahren sterben, und jüdische Studenten der Verbindungen Kadimah, der Ivria und der Makkabaea hielten die Ehrenwache, aber am 5. Ijar 5708, dem 14. Mai 1948, sollte Davis Ben Gurion den Staat Israel proklamieren. 50 Jahre und neun Monate nach seiner Basler Tagebuchnotiz war Herzls Prophetie zur Realität geworden.
Was wäre, wenn Herzl nicht Israel erfunden hätte?
Vor wenigen Jahren beging der Islamische Staat, kurz „IS“, ein zerstörerisches Verbrechen im Nahen Osten, das seinesgleichen sucht. Gewiss, die Furie war nicht ohne Zutun westlicher Mächte zur vollen Größe gezogen worden. Man stelle sich aber vor, die Milizionäre des Islamischen Staates hätten ungehindert auch durch Palästina und die judäische Wüste bis hinauf nach Jerusalem ziehen können, so, wie sie es vor wenigen Jahren in der syrische Wüste taten, um die älteste Kirche der Welt, die der Heiligen Thekla in Maalula, zu verwüsten? Wie sähe die Grabeskirche in Jerusalem heute aus, wenn sich – der Gedanke ist gar nicht so fern, wie er klingt – dort IS-Kämpfer verschanzt hätten? Kein Stein stünde mehr auf dem anderen! Israel schützt also nicht nur seine Grenzen, sondern auch alle Kulturdenkmäler, die sich auf seinem Staatsgebiet befinden. Egal, zu welcher Religion oder Kultur sie gehören.
Und der Staat Israel schützt nicht nur Denkmäler, sondern auch – und vor allem! – die Menschen in ihren unterschiedlichen Glaubensrichtungen, die auf seinem Gebiet leben. Das ist eine enorme kulturelle Leistung, und unendlich dankbar muss die Menschheit den Israelis für diese Haltung sein. Was dagegen in einem muslimisch eroberten, völlig nach dem Koran gleichgeschalteten Land geschieht, mag uns der historische Westen Indiens lehren. Über 1.000 Kilometer hinweg ist am Indus, dem Fluss, der dem indischen Subkontinent seinen Namen gibt, kein einziges buddhistisches Bauwerk mehr zu entdecken, obwohl die umgebende, fruchtbare Ebene über rund 2.500 Jahre hinweg von einer ungeheuer reichen, ja überbordenden buddhistischen Kultur geprägt war. Kein Stein steht mehr auf dem anderen! Von keiner einzigen Pagode! Die Indus-Ebene ist die zentrale Landschaft des heutigen Staates Pakistan, in dem das ganze Leben gleichförmig, gleichgerichtet, gleichgeschaltet wirkt, letztendlich: kulturell wie tot. Größer könnte der Kontrast zu Israel und übrigens auch zum bunten, multireligiösen Indien nicht sein.
Wo Milch und Honig fließen
Wie fröhlich und bunt ging’s da doch beim Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon zu! Unglaubliche 529 Punkte konnte Netta Barzilai, auf hebräisch נטע ברזילי, wenige Tage vor dem vorherigen runden, dem 70. Geburtstag des Staates Israel mit ihrem Lied „Toy“ ersingen. Es ist eine verrückte Performance, und es ist auch ein zuverlässiges Abbild des säkular geprägten Teils der Gesellschaft im heutigen Israel. Ein so buntes, schrilles und in jeder Hinsicht tolerantes Nachtleben findet sich kaum irgendwo sonst auf der Welt, so bunt wie das multireligiöse Indien. Dass es solche Vielfalt geben kann, darum geht es! Nur wenige Kilometer von Eilat entfernt, der israelischen Bade- und Partystadt am Roten Meer, beginnt übrigens das genaue Gegenteil, auf dem Staatsgebiet Saudi-Arabiens. Das ist jenes Land, wo Frauen erst seit kurzem Auto fahren und ein Fußballspiel anschauen dürfen – alles nur in männlicher Begleitung, selbstredend. Und wenige hundert Kilometer östlich des Jordan terrorisieren „Pasdaran“ genannte Milizionäre eines schiitisch-radikalen Moslemstaates das uralte Kulturvolk der Perser, töten Tausende von Menschen, weil sie ihre Zwangskopftücher nicht richtig tragen oder in sozialen Netzwerken ein Wörtlein zuviel posten. Hallo, heutige Hypermoralisten hierzulande, kommt die Information an?
Ob es im politischen Berlin verstanden wird – letztlich egal. Eines der ersten musikalischen medialen Großereignisse, an das sich der Autor dieses Textes erinnert, ist der Grand Prix d’Eurovision de la Chanson, wie der ESC früher hieß. Die Gruppe „Milk and Honey” intonierte 1979 „Halleluja“ – und Europa war bezaubert. Diese Gruppe sang von der Offenbarung Gottes, aber auch von ihrem Land, in dem Milch und Honig fließen. Wie es in der Bibel geweissagt ist. Und wie es wieder wahr ist, seit Angehörige der Religion, der dies von Gott in Aussicht gestellt worden war, ihr Land Israel pflegen und es bestellen. Sie tun das seit dem 14. Mai 1948 auch als unabhängige Nation, die von allen ewiggestrigen und heutigen Antisemiten und Mörderbanden frei ist und sich wehren kann. Gott sei Dank! Diesem wunderbaren Land sei auch zum 75. Geburtstag eine so friedliche und wundervolle Geburtstagsparty gewünscht wie zum 70. – Gott gebe ein Blühen, Wachsen und Gedeihen, das bis zur Ankunft des Messias, die speziell in Jerusalem jeder erwartet, andauern möge!
Sebastian Sigler