Wilhelmitana Straßburg, heute zum Schwarzburgbund gehörig: das ist Albert Schweitzers Couleur. Natürlich erfuhr deren Tradition einen Bruch, als Straßburg nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich fiel. Der Geist aber, aus dem heraus die Jahrhundertpersönlichkeit Albert Schweitzer mit rot-weiß-rotem Band und roter Mütze ab 1903 aktiv war, ist lebendig. Von Uttenruthia Erlangen ausgehend bis hin zum gesamten heutigen Schwarburgbund.
14. Januar 2025. 150 Jahre alt wäre er an diesem Tag geworden. Albert Schweitzer, der Urwaldarzt von Lambarene im heutigen Gabun, der Theologe, der geniale Interpret der Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, der Autor bedeutender Werke zur Ethik, der Friedensnobelpreisträger, der praktizierende, tiefgläubige Christ – kurzum: der Mensch, der in seinen 90 Lebensjahren, die entscheidenden davon im 20. Jahrhundert, all das verkörperte, was unter Hoffnung und Liebe verstanden wird. Dieser wahrlich bedeutende Mann also ist zu den Korporierten zu zählen.
Die bereits 1855 gegründete Schwarzburgverbindung Wilhelmitana, der Albert Schweitzer seit seinen Studientagen, wahrscheinlich ab 1902 angehörte, und zwar bereits als fertiger Theologe und angehender Mediziner, hat ihren Sitz auch heutzutage noch in Straßburg. Der Altherrenverband wurde 1985 formell aufgelöst, die Tradition wurde im Jahre 2009 aber per formeller Bandverleihung an die Robert Schuman Argentorata weitergegeben. Die Wilhelmitana ist damit weiterhin existent und wird nach wie vor im Schwarzburgbund gelistet. Die Robert Schuman Argentorata ist ihrerseits mit dem Schwarzburgbund seit 2015 partnerschaftlich und seit seit dem 18. Mai 2024 auch durch einen beiderseitig besiegelten Freundschaftvertrag verbunden.
Sein Leben im Dienste der Nächstenliebe hat Albert Schweitzer bewußt gewählt. Im Ökumenischen Heiligenlexikon steht zu lesen: „An Pfingsten 1896 fasste er den Entschluss, ab seinem 30. Lebensjahr einen Beruf auszuüben, mit dem er den Menschen helfen wolle. Er setzte das Studium der Philosophie und der Musik in Paris fort, ab 1899 an der Humboldt-Universität in Berlin, wo er in Philosophie promovierte. 1900 wurde er mit einer Arbeit über das Abendmahl auch zum Doktor der Theologie promoviert; schon seit 1898 war er als Vikar an der Nikolauskirche in Straßburg eingesetzt worden. In seinem großen Buch über Johann Sebastian Bach zeichnete er Bach als Dichter und Maler in Tönen; als Herausgeber der Orgelwerke Bachs erwarb er sich große Verdienste.“
„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
1905 machte Schweitzer seinen Entschluss, Urwaldarzt werden zu wollen, öffentlich. Obschon bereits als Pfarrvikar in Straßburg tätig und als Kirchenmusiker sehr bekannt, begann er ein Studium der Medizin. 1912 erhielt er die Approbation als Arzt. Im selben Jahr heiratete er Helene, geborene Breßlau, außerdem wurde ihm der Titel eines Professors verliehen, und zwar „aufgrund seiner anerkennenswerten wissenschaftlichen Leistungen“. 1913 erst erfolgte die Promotion zum Doktor der Medizin mit einer Dissertation: „Die psychiatrische Beurteilung Jesu“ – eine Titelgebung, der von viel Selbstbewusstsein und Mut zeugt. Im selben Jahr noch gründete er das Urwald-Krankenhaus in Lambaréné an der Westküste Afrikas, am Gabun-Fluß.
Die Lebensgeschichte Albert Schweitzers ist allgemein bekannt. Seine Leistungen in der praktischen Tropenmedizin und sein Vorbild in der Hingebung für den Nächsten – beides ist gleichermaßen unerreicht, und für das Jahr 1952 wurde ihm, der sich als Deutscher und Elsässer zugleich verstand, rückwirkend der Friedensnobelpreis zuerkannt. Doch seine Wirkung geht weit über all dies hinaus. Nochmals sei das „Ökumenische Heiligenlexikon“ zitiert: „Immer größer wurde seine Wirksamkeit im europäischen Kulturleben durch Orgelkonzerte, Vorträge und Reden; seine ethischen Impulse wurden nicht nur im europäischen Raum, sondern in der ganzen Welt gehört und gewürdigt.“
Schweitzer geht, so ist es sinngemäß auch in einem online befindlichen Lexikon nachzulesen, im Jahre 1962, also mit 87 Jahren, in der Quintessenz seines philosophischen Denkens davon aus, dass sich Menschen beim Nachdenken über sich selbst und ihre Grenzen wechselseitig als Brüder erkennen. Als Menschen, die danach nicht mehr nur über sich selbst, sondern auch über ihr als Brüder erkannten Mitmenschen und deren Grenzen nachdenken. Im Zuge des Zivilisationsprozesses kann demnach die Solidarität, die ursprünglich nur auf die eigene Familie, den eigenen Stamm bezogen war, nach und nach auf alle, auch unbekannte Menschen übertragen werden. Es sind die Weltreligionen und Philosophien, in denen sich diese Stadien der Kulturentwicklung manifestieren. Seine Quintessenz ist die weiter oben bereits notierte Zeile: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Als „The Greatest Man in the World“ und als „modernen Heiligen“ betitelte das „TIME Magazine“ Albert Schweitzer bereits zu Lebzeiten, und dieses Wort hielt sich, auch wenn der Geehrte selbst von dieser Titulierung nichts wissen wollte. Über alle Konfessionsgrenzen hinweg wird ihm bis heute eine moralische Autorität zugesprochen, die ihresgleichen sucht. Und ist nicht die bloße Existenz seines Urwaldkrankenhauses Lambaréné, das durch alle Zeitläufte bis heute Bestand hat und sogar ständig ausgebaut wird, für sich genommen schon ein Wunder? Anfang 1965 besuchten ihn dort zahlreiche Repräsentanten aus aller Welt anlässlich seines 90. Geburtstages. Das Krankenhaus Lambaréné florierte nach seinem Tod, der ebenfalls 1965 zu beklagen war, unvermindert weiter. Es wurde 1974 von einer internationalen Stiftung übernommen und ist bis heute eine Klinik, in der hervorragende medizinische Leistungen erbracht werden. So wirkt Albert Schweitzer, dieser bedeutende Korporierte, weit über seinen Tod hinaus.
Sebastian Sigler