80. deutsche Studentenhistorikertagung 2021: virtuell achtmal mehr Teilnehmer!

Ein originales jüdisches Verbindungshaus in Heidelberg bildete den Rahmen, die Vorträge gingen von der Frühgeschichte der ältesten jüdischen Verbindung bis zum Tod jüdischer Korporierter in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten.

Zur 80. deutschen Studentenhistorikertagung erschien eine Sondermarke; wegen ihrer kleinen Auflage ist sie bereits ein gesuchtes Sammlerstück

2021 Über 650 Teilnehmer hatte die 80. deutsche Studentenhistorikertagung bislang, die Mehrzahl virtuell, dabei aber achtmal mehr als in allen vorangegangenen Tagungen. Natürlich war es hilfreich, daß die einzelnen Beiträge, deren Aufrufe hier addiert gezählt wurden, ständig im Netz abrufbar sind. Der Schritt zur Hybrid-Tagung ist dabei bedeutend, der AKSt ist hier Pionier auf dem Gebiet der Studentengeschichte. Aber dies war auch unumgänglich, denn vielen Menschen war wegen eines Virus große Angst eingejagt worden, und tatsächlich gab es ja auch einige Fälle schwerer Krankheit. Die Gesellschaft wird im Zeichen eines Virus einer Veränderung unterzogen, nolens volens.

Die Tagung aber fand stabil statt. Principiis obsta! Kein geringerer als der Grazer Studentenhistoriker Professor Harald Seewann lieferte dabei den Beitrag zur ältesten jüdischen Korporation, zur Frühgeschichte der J.A.V. Kadimah Wien. Da seine Anreise nicht möglich war, wurde sein Text mit kleineren Kürzungen durch Petra Gärdtner Hercyniae Heidelberg vorgetragen.

Hier der Link zum Vortrag von Professor Seewann: https://youtu.be/Pr4IHM1jD0o

Youtube-Kanal des AKSt
Ludwig Marum

Den Auftakt zur 80. deutschen Studentenhistorikertagung hatte bereits Martin Laubmann mit einem Vortrag über die Geschichte des Corpshauses der Thurinigia Heidelberg geliefert. Dieses Haus gehörte bis 1934 der jüdischen Verbindung Bavaria Heidelberg im K.C., deren Band zum Beispiel auch Ludwig Marum trug. Auf Druck der Nationalsozialisten mußte das Haus an eine andere Verbindung verkauft werden, was auch auf legalem Weg geschah. Seit der Restituierung der Verbindungen, die nach dem Ende des NS-Regimes allmählich möglich wurde, ist dieses Anwesen ohne Unterbrechung als Verbindungshaus in Betrieb.

Ein originales Verbindungshaus einer jüdischen Verbindung, zu finden in der Hauptstraße in Heidelberg nahe des Karlstors. Das ist einerseits eine große Besonderheit, zumal durch eine sorgfältige und liebevolle Erhaltung viele Details im Haus erhalten sind, die noch vom grundlegenden Umbau des Hauses von einer Weinwirtschaft zum Verbindungshaus, die 1931 geschah, stammen. Denn jüdische Verbindungen sind durch exakt dieselben Werte geprägt, die auch den ältesten Formen der Verbindungen, die sich zunächst Nationen oder Orden nannten und später landsmannschftlich geprägt waren, als Grundlage dienten und zu ihrem festen Standpunkt wurden.

Das Thüringerhaus in Heidelberg, einst Heimat der K.C.-Verbindung Bavaria Heidelberg

Von der alten Verbindungslandschaft sind in Heidelberg heute die SC-Corps Suevia, Saxo-Borussia und Rhenania zu finden, Vandalia und Guestphalia sind fusioniert und außerhalb des SC, und diese fünf Namen mögen stellvertretend stehen für einen großen Reichtum, der sich aus unterschiedlichen weltanschaulichen Quellen speist, auch christlich-konfessionellen. In diese Tradition, einerseits mensurbeflissen, andererseits aber auch religiös gebunden, stehen auch die Namen Badenia und Bavaria, die in der Haupstraße 244 einst ihr Heimat hatten: die Aktiven der K.C.-Verbindung führten den Namen Bavaria, die Altherrenschaft bestand als die Badenia, denn so war die Gründung erfolgt. Eine zwischenzeitliche Relegation von der Universität machte den Namenswechsel nötig, denn Badenia war wegen zahlreicher Säbel-Duelle in Mißkredit geraten: auf Säbel gefordert wurde jeder, der einen ihrer Bundesbrüder antisemitisch beleidigte. Lassen Sie sich durch den Heidelberger Thüringer Martin Laubmann entführen und hören Sie, wie die farbenfrohe Geschichte des Bavarenhauses nach den tragischen und traurigen Jahren der Diktatur weiterging:

Hier ist der Vortrag von Martin Laubmann abrufbar: httpss://youtu.be/lJr9YAtZwko

Daß heute immer noch ein fröhliches Studentenleben in der Heidelberger Hauptstraße Nr. 244 herrscht, konnten die wenigen Teilnehmer der 80. deutschen Studentenhistorikertagung, die aufgrund geltender Ausnahmebedingungen persönlich anwesend konnten, mit großer Freude selbst erleben. Nachfolgend ist das Programm, das sie und die über Zoom zugeschalteten Zuhörer erleben konnten, an derer Stelle auf dieser Webseite ist die Gedenkveranstaltung für die jüdischen Korporierten dokumentiert

Das Tagungsprogramm vom 13. März 2021

Martin Laubmann Thuringiae Heidelberg, Berlin: Weinwirtschaft, jüdisches Verbindungshaus, Corpshaus der Thuringia – die Geschichte des Anwesens Hauptstraße Nr. 244 in Heidelberg

10 h.c.t. Prof. Dr. Matthias Stickler, Würzburg: Die jüdischen und paritätischen Studentenverbindungen

11 h.s.t. Prof. Harald Seewann, Graz: Die Geschichte der J. A.V. Kadimah als Stück Geschichte der zionistischen Bewegung

Fritz Löhner-Beda

12 h.c.t. Prof. Raimund Lang, Salzburg: Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren…“ Fritz Löhner-Beda, der Wiener Kadi­maher: Böhmen – Wien – Auschwitz

13 h.s.t. PhDr. Dr. Gregor Gatscher-Riedl, Wien / Perchtoldsdorf: Jüdische Farbstudenten und Politik – die Universität Czernowitz und die Verbindungen in der Bukowina

14 h.s.t. Dr. Gerhart Berger, Heidelberg: Die zionistischen Verbindungen in Heidelberg

15 h.s.t. Prof. Dr. Roland Girtler, Wien: Franz Boas – Bonner Burschenschafter, Wissenschaftler, Weltbürger

15 h.m.c.t. Dr. Peter De Biasi, Hamburg: Ludwig Mond – Heidelberger Rheinländer, Chemie-Unternehmer und Vater des zionistischen Führers Sir Alfred Moritz Mond

16 h.s.t. PD Dr. Axel Bernd Kunze, Waiblingen / Weinstadt (Rems): Ludwig Marum – Bildungspolitiker, Reichstagsabgeordneter, streitbarer jüdischer Korporierter in Heidelberg

17 h.s.t. Prof. Dr. Helmut Schaeffer, Berlin: Die Diskriminierung jüdischer Mitglieder in den Berliner Akademischen Turnverbindungen in den Jahren 1871 – 1935 (siehe dazu unsere aktuelle Rezension: Turnerkreuz und Hakenkreuz: ATB stellt sich seiner Geschichte)

17 h.m.c.t. Dr. Herwig Hofbauer, Weitra (A): „So streng war’n dort die Bräuche“ – Erinnerunngen an den Wiener Unitarier und Auschwitz-Überlebenden Fritz Roubicek

Thematisch wird die Heidelberg-Tagung durch die kommende Tagung der SVSt in der Basler Altstadt fortgeführt. Sie findet statt vom 4. bis 6. Feberuar 2022. Auf dieser Webseite wird dazu noch gesondert eingeladen, ein Programmentwurf findet sich im Anschluß an den Vortrag über Fritz Löhner-Beda, den Professsor Lang für den AKSt hielt.

2 Kommentare zu “80. deutsche Studentenhistorikertagung 2021: virtuell achtmal mehr Teilnehmer!”

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