Über Freiheit und Zivilcourage

Der Studentenhistoriker Axel Bernd Kunze war eingeladen, in Bamberg die Zivilcouragerede 2023 der Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg zu halten. Diese Rede markiert ein doppeltes, ernstes Jubiläum, denn einerseits war es die zehnte ihrer Art, zugleich gilt das Gedenken dem neunzigsten Todestag Wilhelm Arons, genannt Willy.[1] „Wenn man heute in Bamberg der Opfer des Nazismus gedenkt, dann ist an erster Stelle ein Name zu nennen – Willy Aron. Er war der erste Bamberger, der im Kz. Dachau sein Leben für Recht und Freiheit lassen mußte.“[2] Das sagte der Bamberger SPD-Politiker Georg Grosch 1947, der ebenso wie Willy Aron der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) angehörte und nach der NS-Machtergreifung für kurze Zeit gleichfalls ins Konzentrationslager Dachau verschleppt wurde.[3] Grund genug, in der zehnten Auflage dieser inzwischen zu einer echten Institution gewordenen Rede über deren zentrale Begriffe, Freiheit und Zivilcourage, zu sprechen. Das Wort hat Axel Bernd Kunze:

An der Wiege des modernen Rechts- und Verfassungsstaates steht der Wille zur Freiheit. In diesem Jubiläumsjahr wird dies besonders deutlich: Wir feiern einhundertfünfundsiebzig Jahre Frankfurter Nationalversammlung, Paulskirchenparlament, mitunter auch als Korporiertenparlament bezeichnet, denn viele Corpsstudenten und Burschenschafter waren darin vertreten. Die Idee der Burschenschaft, auf die zwei unserer wichtigsten Nationalsymbole, Flagge und Hymne, zurückgehen, wurde geboren aus der Sehnsucht nach dem größeren Vaterland, dem einen Deutschland, und seiner inneren Freiheit.

Bodendenkmal, sogenannter Stolperstein, in Bamberg, zum Gedenken an Willy Aron.

Der moderne Verfassungsstaat strebt als Ideal die Freisetzung des Einzelnen an, garantiert als den hierfür notwendigen rechtlichen Rahmen Gleichheit und gewährleistet als Fundament soziale Sicherheit auch über existentielle Notlagen hinweg. Freiheit aber kann niemals allein als Recht verstanden werden, sie bleibt ein politisch-pädagogischer Anspruch. Wer geistig erschlafft, sich der Trägheit, der Gleichgültigkeit, der Bequemlich-keit oder einschläfernder Sicherheit hingibt, wird über kurz oder lang auch freiheits­unmündig. Und so mahnt der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof, dass das Freiheitsbewusstsein, dem der moderne Rechts- und Verfassungsstaat seine Entstehung verdanke, durchaus schwinden könnte: „Eine Gefahr für die Freiheit liegt in den vermeintlich gesicherten Freiheitsrechten, die jede Anstrengung für die persönliche Freiheit erlahmen und jede individuelle Bewährung in den alltäglichen Freiheits-erprobungen erschlaffen lassen.“[4]

Ein sehr ernster junger Mann schaut uns an: dieses Bild stammt aus dem Studentenausweis Willy Arons.

Im Prinzip der Freiheit findet die Aufgabe des Staates, den staatslegitimierenden Zusammenhalt und die innere Bindung des Staatsvolkes zu formen und zu festigen, ihre Grenze, so Kirchhof weiter: „Der freiheitliche Staat baut auf Werte und Gebundenheiten, welche die Freiheitsberechtigten entwickeln und an ihn herantragen. […] Die Freiheit des Bürgers ist dem Staat vorgegeben, das Freiheitsrecht wahrt eine staatsfreie Sphäre des Berechtigten, schirmt diese gegen ein Eindringen der öffentlichen Gewalt ab und stellt jeden Staatseingriff unter Rechtfertigungszwang.“[5] In dieser Perspektive ist der Staat zunächst einmal gehalten, sich zurückzunehmen und den Entfaltungsraum seiner Bürger nicht zu beschränken. Dies ist allerdings nur die eine Seite. Denn zugleich ist der Staat auch zur Freiheitsvorsorge aufgerufen. Als Sozial- und Kulturstaat hat er eine Verpflichtung zur Daseinsvorsorge, zur Hilfe bei existentieller Not oder auch zum Schutz derjenigen, die aus eigener Kraft (noch) nicht voll freiheitsfähig sind. Im ersten Teil der heutigen Rede heute wird es um die Frage gehen: WAS BEDEUTET FREIHEIT? Der zweite Teil widmet sich dann der Frage: WIE KANN FREIHEIT GEFÖRDERT WERDEN?

TEIL I: WAS BEDEUTET FREIHEIT?

In der politischen Philosophie wie der politischen Praxis wird es immer wieder neu darauf ankommen, Freiheit in Beziehung zu setzen zum Anspruch auf Gerechtigkeit, Gleichheit und (soziale) Sicherheit – und zwar so, dass der umfassende und unteilbare Anspruch auf Freiheit, wie er für ein freiheitliches Gemeinwesen typisch ist, nicht reduziert oder unter Wert verkauft wird. Wie dies gelingen kann, soll mit Hilfe eines dreifachen Verständnisses von Freiheit veranschaulicht werden.

1. Freiheit vom Staat

Die Freiheit vom Staat garantiert dem Einzelnen einen geschützten Intimbereich der Persönlichkeit, der von staatlichem Zugriff frei bleibt. Sie garantiert die Privatautonomie und bietet den Einzelnen die Möglichkeit, sich frei von staatlichem Zwang zu vergemeinschaften.

In der modernen Massengesellschaft ist in der Praxis keinesfalls mehr von einem strikten Gegenüber zwischen dem Staat auf der einen und der Gesellschaft auf der anderen Seite auszugehen. Der Staat ist in vielen Bereichen mit der Wirtschaft, mit der Kultur oder auch mit den Privatangelegenheiten der Einzelnen eng verflochten. Staatlicher Einfluss ist auf vielerlei Weise spürbar – nicht allein durch direktes Staatshandeln, sondern auch dort, wo der Staat vielleicht untätig oder passiv bleibt, kann dies zurechenbare Wirkungen entfalten, für die politisch Verantwortung zu übernehmen ist. Umso wichtiger ist eine strikt freiheitsrechtliche Sicht, wenn die notwendige Balance zwischen Freiheit, Gleichheit und Sicherheit nicht verloren gehen soll, wenn der Staat nicht übergriffig oder bevormundend werden soll. Im Juni 2023 warnte folgerichtig Udo Di Fabio in der „Tagespost“ vor einer „zunehmenden Lenkung der Gesellschaft“.[6]

2. Freiheit durch den Staat

Im modernen Staatswesen ist die Freiheit vom Staat aufs engste verflochten mit einer Freiheit durch den Staat. Es geht um das komplementäre Verhältnis zwischen verschiedengestaltigen Freiheits- und Gleichheitsansprüchen, dazu gleich noch mehr. Denn „aus der Freiheit zur Selbstbestimmung wird ein Gleichheitsrecht auf Teilhabe an staatlichen Kapazitäten“[7]. Diese individualrechtlichen Teilhabeansprüche äußern sich vor allem in den Sozialrechten, aber auch in einzelnen Habeas-Corpus-Rechten, die beispielsweise den gleichberechtigten Zugang zu rechtsstaatlichen Einrichtungen sicherstellen. Der Staat wird aber auch dort zum Garanten der Freiheit, wo Dritte die Freiheit des Einzelnen bedrohen und den Staat zwingen, freiheitsvorsorgend tätig zu werden.

3. Freiheit für den Staat

Freiheit zur Selbstbestimmung kann sich nur in sozialer Verantwortung verwirklichen, also in der beständigen Verschränkung von Personalität und Sozialität. Daher ist dem Einzelnen nicht nur ein Recht auf sittliche Autonomie zu sichern. Er muss auch die Möglichkeit haben, sich aktiv am gemeinsamen sozialen Leben zu beteiligen und die politische, soziale, wirtschaftliche, rechtliche oder kulturelle Ordnung mitzugestalten. Die klassischen Abwehrrechte, die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte sowie die politischen Beteiligungsrechte gehören zusammen. Nur im ausgewogenen Zusammenspiel aller drei werden die formale Freiheit und die Möglichkeit zum realen Freiheitsvollzug gesichert werden können; nur dann wird es dem Einzelnen aber auch möglich sein, an der Aushandlung der gemeinsamen Freiheitsräume aktiv mitzuwirken. Letzteres darf als eine wichtige (wenn auch nicht einzige) Quelle sozialer Anerkennung und Wertschätzung keinesfalls unterschätzt werden.

Der Staat trägt somit eine dreifache Freiheitsverpflichtung: Er hat die Freiheit der Individuen vom Staat zu achten und gleichzeitig für die Freiheit Vorsorge zu treffen, zum einen durch die Erfüllung bestimmter Schutzpflichten, zum anderen durch Teilhabe- und Leistungsansprüche. Das komplementäre Verhältnis von Freiheit und Gleichheit, das den liberalen Rechts- und Verfassungsstaat kennzeichnet, muss in bleibender Spannung gehalten werden und darf weder einseitig in die eine noch in die andere Richtung aufgelöst werden.

Andernfalls droht im Extrem entweder ein unfreiheitlicher, egalitaristischer Umverteilungsstaat oder eine rein besitzindividualistische Gesellschaft, in der eine Politik des sozialen Ausgleichs von vornherein aufgegeben ist und soziale Folgeprobleme allenfalls als Sicherheits- und Machtfragen diskutiert werden. Auch im Verhältnis der Freiheits- und Gleichheitsansprüche zueinander ist eine Kultur des Maßes zu wahren. Die Menschenrechte stützen diese Balance zwischen Freiheit, Gleichheit und sozialer Sicherheit, solange sie nicht „halbiert“ werden, also einseitig sozial- oder einseitig abwehrrechtlich ausgelegt werden.

Im Menschenrechtsverständnis, wie es sich heute allgemein durchgesetzt hat, findet sich diese dreifache Freiheitsverpflichtung des Staates als triadische Verpflichtung wieder, die Menschenrechte zu achten (to respect), zu schützen (to protect) und zu erfüllen (to fulfil). Diese Pflichtentrias betrifft alle Einzelrechte gleichermaßen, die keinesfalls wie in der frühen Menschenrechtsdogmatik trennscharf in Abwehr-, Beteiligungs- und Sozialrechte klassifizierbar sind.

Zwei Beispiele: Der Staat hat das Recht auf Demonstrationsfreiheit – ein klassisches Abwehrrecht – zu achten, indem er keine Demonstrationsverbote erlässt, er hat dieses Recht auch gegen gewältige Gegendemonstranten zu schützen und er muss für die Erfüllung dieses Rechts Polizisten einsetzen, die Demonstrationen absichern. Das  Recht auf Bildung achtet der Staat, indem er niemanden vom Schulbesuch ausschließt (etwa minderjährige Mädchen, die schwanger werden), er muss es im Extremfall selbst gegen die eigene Eltern eines Kindes durchsetzen und er muss Schulen vorhalten, genügend Lehrer ausbilden, einstellen und besolden und andere Leistungen wie Lehrmittel oder Schülerbeförderung vorhalten.

Allerdings bleibt der Zusammenhang, der zwischen der Freiheit vom Staat und derjenigen durch den Staat besteht, durchaus prekär. Was auf der einen Seite als Freiheitsgewinn erscheinen mag, kann sich auf der anderen Seite gerade als Freiheitsverlust erweisen, so noch einmal der schon zitierte Kirchhof: „Je mehr der Staat die tatsächlichen Freiheitsvorkehrungen rechtlich regelt, plant, finanziert und organisiert, desto mehr wirkt eine Verminderung oder Beendigung dieser Staatsleistungen als Freiheitsverlust, als Freiheitseingriff. Zugleich wird der für sein eigenes Glück verantwortliche Freiheitsberechtigte vom aktiv Gestaltenden zum Betroffenen, oft zum bloßen Beobachter. Während die Demokratie den Bürger durch Wahlen, gelegentlich auch durch Abstimmungen am Willensbildungsprozess beteiligt und ihm dabei Information, Urteilskraft und Entscheidung abverlangt, während der Rechtsstaat den Bürger über das Freiheitsangebot in die Eigenverantwortlichkeit drängt, erstreckt der Leistungsstaat die Beteiligungsgerechtigkeit auf Staatseinrichtungen, staatliche Organisationskraft und Finanzmittel, die den Bürger in staatlichen Planungen und Vorgaben binden, seine Leistungskraft schwächen, seinen Selbstbestimmungswillen mindern.“[8]

Dabei bleiben die zunehmenden Verflechtungen zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre aber auch für den Staat nicht folgenlos. Die geschilderte Entwicklung ist in beide Richtungen zu lesen: Der Staat festigt zwar seine Unentbehrlichkeit, je mehr er rechtliche oder tatsächliche Freiheitsvorkehrungen aktiv in die Hand nimmt, regelt und organisiert und so zum Garanten einer ganz konkreten Freiheitsordnung wird, doch verliert er dadurch auch an „Distanz zum freiheitsberechtigten Bürger, gibt ein Stück Unbefangenheit, innere Souveränität auf, gewährt dem Bürger in Teilhabe- und Vertrauenstatbeständen auch Einfluss auf seine Handlungsmittel und Ressourcen“[9]. Der Rechts- und Verfassungsstaat wird im Zuge dieser Entwicklung einerseits stärker, anderseits zugleich aber auch erheblich gebunden. Welches Handeln vom Staat erwartet werden kann, wird beispielsweise durch die herrschenden soziokulturellen Standards, die erreichte Wirtschaftskraft oder die allgemeinen Lebensgewohnheiten bestimmt.

4. Notwendige Kultur des Maßes

Die Ressourcenabhängigkeit der Leistungs- und Erfüllungspflichten berücksichtigt, dass die Ressource des Rechts zwar nahezu unerschöpflich ist, nicht aber die Finanzkraft des Staates. Aus diesem Grund ist es notwendig, gerade den juridischen Charakter der Menschenrechte zu verteidigen, womit die Aufwertung der Sozialrechte und deren gestärkte Justiziabilität keineswegs in Frage gestellt werden sollen – im Gegenteil. Denn dort, wo die staatliche Verantwortlichkeit für die Voraussetzungen der Freiheit sich so verschiebt, dass der Finanzstaat zunehmend den Rechtsstaat überlagert, können sich vermeintliche Freiheitshilfen durch das Recht auf Dauer schließlich als Freiheitseingriff entpuppen. Ein chronisch überforderter Staat wird auf längere Sicht kein stabiler Garant der Freiheit sein können.

Aber nicht nur der Staat, auch das Recht selbst kann überfordert werden und dadurch an Wirksamkeit einbüßen. Dies gilt ebenso für die Menschenrechte, die insbesondere vor vielleicht gutgemeinten, aber in ihren Auswirkungen langfristig schädlichen Optimierungsstrategien zu bewahren sind: „Superlativtatbestände tragen eine Dynamik – das Bemühen um das jeweils noch bessere Recht – in die Rechtsordnung, die eine Stetigkeit des vertrauten Rechts gefährdet.“[10] Durch eine Menschen- oder Grundrechtsauslegung, die als immer weiter fortschreitende, immer enger und kleinteiliger werdende Menschen- oder Grundrechtsoptimierung betrieben wird, kann das Recht mit immer neuen Dynamisierungen belastet werden, die dieses schließlich überfordern. Das Recht garantiert das Erprobte, Bewährte und Übliche – und muss daher maßvoll bleiben.

Ein Recht, das stetig über sich hinausgreift, sich in ungemein zahlreichen Verästelungen verliert, nicht mehr zu überblicken ist, immer neue Detailregelungen hervorbringt oder immer enger wird, gefährdet die Handlungsfähigkeit des Staates, aber auch die Freiheit des Einzelnen.

Auch besteht die Gefahr, dass der für die Stabilität des Rechts notwendige Konsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft verloren geht; gerade für die Wirksamkeit des Menschenrechts ist ein solcher notwendig, damit es nicht im tagespolitischen Streit zerrieben wird.

Das Recht sollte den denkbar breitesten Korridor für die Freiheitsentfaltung des Einzelnen offenhalten, der sozial noch verträglich ist. Dies erlaubt auch die private Entscheidung zur Durchschnittlichkeit oder zum Untermaß. Doch nur auf diese Weise wird das Recht individuell auch jenen Freiheitsspielraum eröffnen, der es dem Einzelnen ermöglicht, nach dem Optimum zu streben.

5. Der Staat legitimiert sich durch die Freiheit zu

Halten wir noch einmal fest: Zur Sicherung realer Freiheit ist das Zusammenspiel positiver und negativer Freiheitsanteile unabdingbar. Die Zusicherungen formaler Freiheit bleiben ohne hinreichende materiale Absicherungen abstrakt. Umgekehrt können jedoch positive Freiheitsansprüche wiederum die negative Freiheit des Einzelnen beschneiden – erlauben Sie mir, noch einmal Kirchhof zu zitieren:

„Die Forderung nach gleichen Lebensbedingungen für alle Menschen führt zur Diktatur. Die Menschen mit immer wieder neuen – anderen – Ideen und freiem Verhalten werden zu Feinden der Gleichheit, deshalb bekämpft […] Das für jeden gleiche ‚Glück‘ verkündet zunächst – zu Recht – die Strafgleichheit, die gleiche Vertragsfreiheit, die Steuergleichheit. Doch wird dann nicht der gleiche Zugang zu öffentlichen Ämtern, sondern ein Verbot der Differenzierung nach Eignung, Befähigung und Leistung erzwungen, wird auf das Vermögen des anderen zugegriffen […], werden alle Zeichen von kultureller Tradition, Religion und Autorität zerstört, die Erfolgreichen und Andersdenkenden verhaftet.“[11]

Was Kirchhof hier sehr drastisch schildert, ist der Weg in eine totalitäre Tugenddiktatur oder einen kollektivistisch organisierten Zwangs- und Versorgungsstaat. Aber auch schon unterhalb dieses Schreckensszenarios begegnet die Erfahrung, dass positive Freiheitsansprüche wiederum die negative Freiheit des Einzelnen beschneiden können. So wenig für die Sicherung realer Freiheit eine formale Gleichheit vor dem Gesetz ausreicht, so sehr können reale Gleichheitsansprüche eine Kultur des rechten Maßes verfehlen, wenn sie nicht mit dem beständigen Willen verbunden sind, die in Freiheit erreichten Unterschiede zwischen den Individuen als legitim anzuerkennen.

Der Staat schützt die Freiheit der Einzelnen und er unterstützt die Einzelnen bei ihrer Freiheitsausübung, aber er darf die Ergebnisse der Freiheitsspielräume, die sich dadurch eröffnen, nicht selbst bestimmen. Vorausgesetzt ist dabei nicht allein ein formaler, sondern ein material gehaltvoller Freiheitsbegriff, immer aber auch die notwendige Freiheit vom Staat, ohne die jede menschenrechtlich verbürgte Freiheit wertlos wäre und in Unfreiheit umschlagen würde. Bildung, also die Befähigung zur Selbstbestimmung, spielt hierfür eine entscheidende Rolle.

Die Demokratie lebt zunächst einmal von der „Freiheit zu“, nicht von Tabus, (Denk- und Sprach-) Verboten oder Normierung. Dies setzt die Bejahung einer pluralen gesellschaftlichen Öffentlichkeit voraus; eine solche wird nur erhalten bleiben, wenn die Einzelnen zur Selbsttätigkeit freigesetzt werden und die Freiheit zum gesellschaftlichen Diskurs gesichert ist. Der Staat darf nicht zu normieren beanspruchen, welchen Gebrauch die Einzelnen von ihrer Freiheit machen.

Das Leitbild einer so verstandenen Demokratie ist nicht eine beständige Politisierung des Privaten, sondern der interventionsfähige Bürger, der zur selbständigen sittlich-politischen Urteilsbildung fähig ist und der sich politisch einmischen kann, wenn es darauf ankommt. Der freiheitliche Staat kann eine solche Handlungsfähigkeit wecken; er muss sich aber versagen, will er den Einzelnen nicht politisch überwältigen oder vereinnahmen, eine bestimmte Handlungsbereitschaft zu erzwingen. Und nur dann wird auf Dauer auch die notwendige produktive Spannung zwischen freiheitsberechtigter Gesellschaft und freiheitsverpflichtetem Staat aufrecht erhalten bleiben. Dahinter verbirgt sich ein anspruchsvolles Programm, das nicht einfach der Standardparole „Demokratisierung“ folgt. Denn – so der ehemalige Europapolitiker Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg: die „durchdemokratisierte Gesellschaft minimalisiert die persönliche Freiheit des Einzelnen über sich in einen winzigen Anteil gegenüber der gewaltigen Mehrheit der Anderen. Seine überzähligen Anteile an den Geschicken dieser Anderen aber kompensieren nicht den persönlichen Verlust. Die demokratische Anteilsmacht über andere scheint manch Naivem geil, ist aber niemandem Freiheit.“[12]

6. Gefährdete Freiheit

Unser National- und Freiheitsdichter Schiller hat es so ausgedrückt: Freiheit können wir einander nicht geben, sondern nur lassen. Freiheit muss immer von neuem errungen und mit Leben gefüllt werden. Die Freiheit kann sowohl von Seiten des Staates als auch durch mächtige gesellschaftliche Kollektive bedroht werden: durch den Staat, der in die Privatsphäre seiner Bürger eindringt und das gesellschaftliche Leben seiner Dominanz unterwirft, aber auch durch eine Gesellschaftsformation, in der sich das nichthierarchische Zusammenspiel der verschiedenen Teilpraxen auflöst. Eine Gesellschaft, die sich des hohen Wertes der Freiheit nicht mehr bewusst ist, „dankt ab“; in der Folge wird dem Staat eine immer größere Deutungs- und Gestaltungshoheit eingeräumt – auch über solche Bereiche, über deren Ausgestaltung im freien gesellschaftlichen Diskurs gerungen und entschieden werden muss.

Es gilt ein robustes Freiheitsprinzip ernstzunehmen und zu verteidigen, und damit „die Freiheit jedes Menschen und damit – unausweichlich – den Schutz jedes Einzelnen vor der missbrauchten, der entwürdigenden oder der ausbeutenden Freimacht anderer, Schutz auch vor der großen Mehrheit der anderen.“[13] Es geht um den Schutz vor geistig-intellektuellem Kontrollverlust. Und es geht um aktive Teilhabe am sozialen Leben, die Solidarität stiftet gegen Macht wie Ohnmacht. Freiheit können wir nicht für uns allein leben, wir brauchen einander, um frei zu sein. Wir schulden daher aber auch einander die Freiheit – verbunden mit dem pädagogischen Auftrag, den anderen immer wieder zur Freiheit zu ermuntern und zu ermutigen.

Auf eine „Stolperfalle“ soll an dieser Stelle aber hingewiesen werden: Demokratie als solche kann nicht einfach zum Bildungsziel erhoben werden. Dies würde bedeuten, einfach nur das für demokratisch zu halten, was andere zuvor als „demokratisch“ erklärt haben. Auf diese Weise würde nicht „Demokratie gelebt“, sondern lediglich das übernommen, was an anderer Stelle bereits entschieden wurde und nun als Resultat der politisch korrekten Meinung gilt. Das diskursive Ethos der Demokratie würde auf Dauer erheblich Schaden nehmen. – Nebenbei gesagt: An dieser Stelle wiederholt sich, was bereits in den Bildungsdebatten im Vorfeld der deutschen Nationalstaatsbildung zu bildungsphilosophischen Kontroversen über den Begriff der Nation geführt hat.

Demokratie ist kein Wert wie Würde, Freiheit oder Liebe, sondern ein System. Sie hat mit der Macht von Menschen über Menschen zu tun – eine Tatsache, die  durch das Schlagwort „Demokratisierung“ zumeist verschleiert wird. Hat Demokratie allerdings mit Macht zu tun, wäre eine vollkommen „durchdemokratisierte“ Gesellschaft unweigerlich eine Gesellschaft, in der es keine machtfreien Räume mehr geben könnte.[14]

TEIL II: WIE KANN FREIHEIT GEFÖRDERT WERDEN?

Pädagogisches Ziel muss es vielmehr sein, die Einzelnen dazu zu befähigen, „Demokratie selber zu denken“ – am Ende stünden sonst nicht Demokraten, die gelernt haben, „richtig zu denken“, sondern solche, die es verlernt haben, selber zu denken. Im Kern wäre dies ein antiaufklärerisches Programm.

Bekanntlich ist Demokratie keine harmonische Veranstaltung, wie Helmut Schmidt mit unverkennbar hanseatischem Akzent immer wieder betont hat. In demokratiepädagogischen Konzepten wird allerdings nicht selten ein sehr harmonisches, geradezu „entpolitisiertes“ Bild von Politik gezeichnet. So benennt beispielsweise die Heidelberger Pädagogin Anne Sliwka als Erfahrungen, die im Zusammenhang von „Demokratielernen“ vermittelt werden sollen, eine „positivere Einschätzung von gesellschaftlicher Vielfalt“[15] oder die Gelegenheit zur „Kommunikation und Kooperation zwischen Menschen, die sich im privaten Leben selten wirklich begegnen“[16]. Es liegt nicht ganz fern, dies ironisch als „Pfadfindertugenden“[17] – frei nach dem Motto: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ – abzutun, fällt doch jedenfalls auf, dass hier von Konflikt und Kampf, von Interessenkollissionen und Meinungsstreit nicht mehr die Rede ist. Was die Einzelnen am Ende mit dem Gelernten anfangen sollen, steht offenbar bereits am Anfang fest. Kritik und Widerspruch scheinen demnach nicht Bestandteil geübter Zivilität zu sein.

Wer von Bildung spricht, muss mit der Widerständigkeit des Subjekts rechnen. Bildung auf ihre äußere soziale Seite zu reduzieren, ließe Bildung allein als ein Anpassungsproblem zwischen Subjekt und Sozialstruktur erscheinen. Wo Widerständigkeit aber keinen Platz mehr im Bildungsdenken hat, müssten wir davon ausgehen, dass Willy Aron und andere Widerständler ungebildete, dumme Menschen gewesen seien. Das Gegenteil war der Fall.

Und noch eine zweite Verengung wird sichtbar: Soziales Lernen darf nicht allein auf die motivierende, vielleicht sogar euphorisierende Wirkung unmittelbarer Erfahrung setzen, sondern bedarf der selbstreflexiven Distanz, der kritischen Urteilsbildung und der nüchternen Abwägung. Dieser analytische, konzeptuelle und kognitiv fordernde Teil von Werterziehung darf nicht unterschlagen werden. Pädagogisch vorausgesetzt wird dabei ein Begriff von Erfahrung, der auch fundamentale geschichtliche und gesellschaftliche Bedingungen und deren Bedeutung für die Genese von Erfahrung in die Betrachtung einbezieht. Erst die kognitiv-fordernde Reflexion auf Erfahrungen gesellschaftlicher Partizipation (oder auch auf deren Scheitern) ist ein wichtiges Moment, Demokratie nicht nur formal, sondern auch substanziell in ihren Sinngehalten und ihrer Bedeutsamkeit wahrzunehmen.

Reflexion sozialer Erfahrung

Wir brauchen Orte, wo gehaltvolle soziale Erfahrungen vermittelt und reflektiert werden können. Dabei geht es nicht allein um die Vermittlung eines bestimmten Wissens oder formaler Fähigkeiten. Aus diesen soll vielmehr eine Haltung, eine durch Bildung konstituierte Lebensform, werden: in der schöpferischen Auseinandersetzung mit kulturellen Werten und Traditionen, mit Sitte und Brauchtum, durch Einbindung in eine gelebte Verantwortungsgemeinschaft und die Einübung gemeinsamer Regeln und Überzeugungen – ohne dass der Einzelne allerdings auf diese Zwecke festgelegt werden darf.

Bildung setzt eine Vorstellung von gelingendem Menschsein voraus und ist damit zwangsläufig normativ, darf aber nicht normierend auf den Einzelnen einwirken, wenn die für Bildung konstitutive Idee der Selbstbestimmung nicht dispensiert werden soll. Wer selbstbestimmt und verantwortlich handeln will, muss sich Sachkenntnis und soziale Fähigkeiten aneignen, er muss sich aber auch darum mühen, sich selbst immer besser verstehen zu lernen, und er muss lernen, sich mit anderen über seine Erfahrungen austauschen zu können – häufig zusammengefasst als Sach-, Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenz.

Doch ist der Mensch mehr als nur ein „Wissens- oder Kompetenzbündel“. Freiheit im Denken und Handeln wird er nur erlangen können, wenn er gleichzeitig versteht, zum eigenen Wollen, Erkennen und Tun in kritische Distanz zu treten, hierüber zu reflektieren und über die Motive des eigenen Handelns zu urteilen. Unaufhörlich sind wir Situationen, Eindrücken und Erwartungen ausgesetzt, die uns dazu auffordern, uns zu entscheiden. Haben wir dies nicht gelernt, so wird sehr leicht über uns entschieden – aber eben von anderen.

Bildung meint demgegenüber die Fähigkeit, sich eigenständig mit den vielfältigen sachlichen oder sittlichen Geltungsansprüchen auseinandersetzen zu können, die an uns gestellt werden oder die wir genauso an uns selber stellen. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat Bildung einmal treffend auf die folgende Formel gebracht: „Selbständig und frei denken zu lernen; darum geht es nach wie vor. Wer nicht denken gelernt hat, der kann diesen Mangel durch noch so viele Informationen nicht ersetzen, auch nicht durch modernste technische Hilfsmittel.“[18]

Und auch nicht, so wäre aktuell anzufügen: durch Künstliche Intelligenz. Oder wie es ein Kollege aus der Soziologie ausgedrückt hat: Auf Künstliche Intelligenz in der Bildung zu vertrauen, ist so, als würde jemand in ein Fitnessstudio gehen und an den Hometrainer einen Motor anschließen.

Der Mensch wird nicht von anderen gemacht oder für andere gemacht, er kann nur aus eigenem Entschluss zur Bildung kommen. Pädagogisch kann dieses Ziel weder durch vollkommene Ungebundenheit noch durch bloßes Gewähren- oder Wachsenlassen erreicht werden. Nur durch Führung, Autorität und eine personal bestimmte pädagogische Beziehung wird es möglich sein, Menschlichkeit und Verantwortlichkeit des Einzelnen zu stärken, ihn der Kontingenz des Daseins zu entheben sowie seiner Freiheit zu entsprechen – einer Freiheit, die stets an die Verantwortung gegenüber den Mitmenschen gebunden bleibt.[19] Emanzipation zur individuellen Freiheit und Befähigung zur sozialen Teilhabe gehen dabei Hand in Hand, so der Bildungsphilosoph Theodor Ballauf: „Nicht nur die Befreiung aus dem Kordon des zeitgenössischen Interpretationshorizontes, der unbefragten Normen und Vorurteile, sondern Gedanklichkeit in ihrer Befragbarkeit ist der Sinn von Bildung. Unterricht, Lehre, Bildungsinstitutionen gewinnen ihren Sinn aus dem Gedanken der endlichen Teilnahme an der Unendlichkeit des zu Durchdenkenden und Ins-Werk-zu-Setzenden, des zu Verwirklichenden und zu Verändernden.“[20]

Wollen wir die vor uns liegenden Herausforderungen – von der Energieversorgung über eine nachhaltige Entwicklung bis zur Ordnung der Finanzmärkte und dem Erhalt von Frieden und Sicherheit – lösen, wird es nicht auf immer mehr Informationen, sondern auf individuelles Verstehen ankommen, so der ehemalige Verfassungsrichter Johannes Masing: „Wir müssen nicht nur wissen, sondern verstehen – und dabei auch verstehen, dass wir oft entscheiden müssen, ohne zu wissen. Nur das kann uns auch zu verantwortlichem Handeln befreien.“[21]

Ob uns dies als Gemeinwesen gelingt, kann nicht garantiert werden. Der Jurist bleibt durchaus skeptisch und lässt Zweifel erkennen, ob die neuen konsekutiven, zeitlich verdichteten Studiengänge dem Anspruch akademischer Bildung gerecht werden:  „[…] brauchen ein Arzt, ein Anwalt, ein Richter, ein Lehrer oder ein Bankier nicht eine Grundlage, die ihn mit geistiger Nahrung versieht und ihn in die Lage versetzt, ein berufliches Ethos über Jahrzehnte der Berufstätigkeit durchzuhalten.“[22]

Prozesse der Sinnfindung, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ethischen Problemen sowie eine eigenständige Gedankenführung werden sich nur dort ereignen, wo die Freiheit zur individuellen Auseinandersetzung und zum selbsttätigen Durchdenken politisch bedeutsamer Fragestellungen besteht – in der Kom­plementarität von Herausforderung und Freiheit, von Erfahrung und Erkenntnis. Die Herausbildung politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit, von Interventions-, Partizipations- und Mitentscheidungsfähigkeit wird allerdings nur dann gelingen, wenn Demokratie hierbei nicht unter Wert verkauft und auf ein letztlich unpolitisches Lehrprinzip reduziert wird.

Kontroverses Lernen

Vor allem bei politisch strittigen Fragen stehen Pädagogen vor der Entscheidung, wie sie ihrer Verpflichtung zur weltanschaulich-politischen Neutralität nachkommen können, ohne in politische Beliebigkeit oder Standpunktlosigkeit zu verfallen. Sich dieser Frage zu stellen, ist eine wichtige Herausforderung im pädagogischen Alltag, wenn die Lernenden nicht mehr oder weniger subtil für bestimmte politische Interessen vereinnahmt werden sollen.

Würde allerdings eine abstinente Neutralitätskonzeption angezielt, welche dar­­­auf hinausläuft, den Lernenden zu kontroversen Themen allein ein bloßes „Schaufenster“ unterschiedlicher moralischer, politischer, kultureller oder religiöser Ansichten zu bieten, wäre es Aufgabe des Lehrenden, sich jeglicher Wertung zu enthalten. Wollte er die Lernenden darin bestärken, ihre jeweiligen eigenen Interessen optimal und entschieden zu vertreten, würde dies dann aber wenig überzeugend wirken. Denn ausgeblendet bliebe die Frage, ob und, wenn ja, nach welchen Kriterien möglicherweise ein Teil dieser Antworten als sachlich oder sittlich unangemessen zu bewerten ist. Der Bildungsauftrag würde auf diese Weise verfehlt: Das Bestehende würde schnell unterschieds- oder bedingungslos affirmativ bestätigt, nicht aber geprüft und schöpferisch angeeignet.

Im Bildungsprozess soll der Einzelne dazu befähigt werden, den eigenen Selbst-, Fremd- und Weltentwurf zunehmend zu differenzieren, den eigenen Freiheitsgebrauch zu kultivieren und die eigene Urteilskraft zu schärfen. Bildung kann dabei verstanden werden als die Fähigkeit, selbst sittliche und sachliche Zwecke zu setzen. Wenn sich der Einzelne im Bildungsprozess Alternativen erschließen soll, wäre eine Aufgabe von Pädagogen darin zu suchen, Meinungsvielfalt zu fördern und jene Fähigkeiten zu vermitteln, die notwendig sind, mit einer Vielfalt an Meinungen und Positionen selbstbestimmt und eigenverantwortlich umzugehen. Nur dann wird der Einzelne später auch jener Freiheit und Verantwortung gerecht werden können, die ihm in Staat, Gesellschaft und Beruf abverlangt werden.

Die Neutralität, der staatliches Bildungshandeln verpflichtet ist, kann nicht als Wirkungsneutralität verstanden werden. Jedes pädagogische Handeln ist zielgerichtet, wird damit aber auch kulturelle, soziale oder politische Folgen zeitigen, wenn auch individuell verschieden – abhängig davon, wie der Einzelne mit den Chancen zur Bildung, die ihm offenstehen, aktiv umgeht. Das formale Ziel, den Einzelnen zur eigenständigen Urteilsfindung und zum bewussten Handeln zu befähigen, hebt die geforderte Neutralität gerade nicht auf.

Elisabeth Meilhammer hat vorgeschlagen, Neutralität im Bildungsprozess[23] konzeptionell nicht als Meinungsabstinenz, sondern als Meinungsgerechtigkeit zu fassen. Dabei geht sie von fünf Grundannahmen aus:[24]

1.) Die Lehrenden sollen nicht auf eigene Stellungnahmen verzichten; sie dürfen aber keine eigenen Interessen im Blick auf das Prozessergebnis verfolgen, indem sie bestimmte Akteure im Willensbildungs- und Aushandlungsprozess bevorzugen oder benachteiligen.

2.) Wenn eine Wirkungsneutralität nicht gefordert werden kann, so doch eine Neutralität angesichts verschiedener partikularer Begründungen des Handelns.

3.) Dabei geht es um einen Kommunikationsprozess, der bestimmten Regeln und Prinzipien unterworfen ist und in dem Argumente gleichberechtigt vorgetragen und geprüft werden können. Unzulässig im Prozess der Meinungsbildung sind allein solche Argumente, die davon ausgehen, dass einer bestimmten Person ein höherer intrinsischer Wert zuzusprechen ist als einer anderen.

4.) Neutralität bezieht sich auf den Widerstreit verschiedener nebeneinander stehender Konzeptionen des Guten. Dieser Widerstreit setzt einen Rahmen des Richtigen (im Sinne der ethischen Unterscheidung des Guten vom Richtigen) voraus, innerhalb dessen Grenzen fair um die verschiedenen Standpunkte gerungen werden kann.

5.) Vorausgesetzt wird dabei eine demokratische Gesellschaft, in der dieser Rahmen durch die Beteiligung aller gemeinsam geformt und getragen wird:

„Die Idee der Meinungsgerechtigkeit ergibt sich aus der spannungsreichen Tatsache, dass es in der pluralistischen, freiheitlich-demokratischen Gesellschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Konzeptionen des Guten gibt, die im Rahmen des Richtigen gleichermaßen zulässig sind, die also insofern alle gleichberechtigt nebeneinander stehen – wobei jedoch gleichzeitig der einzelne Mensch zwischen ihnen einen subjektive Entscheidung treffen muss.“[25]

Umgang mit Widersprüchen

Meinungsgerechtigkeit im beschriebenen Sinne anzustreben, wird nicht als rein politisch verstandene Aufgabe gelingen. Sie bedarf der Förderung durch Bildung. Nicht Standpunktlosigkeit, ironische Distanz, verschwommene Unentschiedenheit oder Urteilslähmung sind dabei das Ziel, sondern die freie und ausgewogene Entscheidungsfindung – eine solche verlangt mehr als demokratische Lippenbekenntnisse oder „Schönwetterrituale“. Denn Fragen der Meinungsgerechtigkeit werden vor allem dort aufbrechen, wo unterschiedliche Weltanschauungen und politische Positionen zu gesellschaftlich kon­troversen Fragen aufeinander treffen, und dies mitunter recht hart.

Der Widerstreit der Meinungen kann für die Beteiligten im bestimmten Fällen zu einer regelrechten Zerreißprobe werden, die an die Nieren geht. Der Lehrende wird Positionen, die dem richtigen Rahmen widerstreiten, nicht aktiv als Optionen präsentieren, er muss aber didaktisch-erzieherisch reagieren, wenn diese von anderer Seite eingebracht werden, getragen von einer pädagogischen Grundhaltung, die den anderen stets als Person bejaht, nicht aber schon jedes bestimmte Verhalten oder jede bestimmte Position des anderen akzeptiert. Toleranz oder Duldsamkeit sind nicht als Gleichgültigkeit misszuverstehen: Wo der Einzelne in den Augen anderer irrt, muss er Widerspruch ertragen, doch ist auch „der irrende Mensch in seinem Irrtum zu ertragen“[26].

Die Lehrperson sollte alle widerstreitenden Positionen bei einer kontroversen Thematik gerecht behandeln; dabei kann an dieser Stelle an das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot aus dem „Beutelsbacher Konsens“ erinnert werden.[27] Gerechte Parteilichkeit kann in bestimmten Fällen auch bedeuten, schwache, unterrepräsentierte Positionen advokatorisch zu stärken und – vor allem in homogenen Lerngruppen – einer einseitigen Wahrnehmung auf nichtmanipulative Weise gegenzusteuern, damit ein Problem multiperspektivisch in den Blick genommen werden kann und auch die Gegenseite mit ihren Argumenten Gehör findet.[28] Ferner obliegt dem Lehrenden die Aufgabe, auf die Möglichkeitsbedingungen für einen gelingenden Lernprozess zu achten, also beispielsweise die soziale Ordnung innerhalb der Lerngruppe aufrechtzuerhalten oder bei Konflikten zu vermitteln.

Die eigenständige und unvoreingenommene Urteilsbildung im Rahmen „kon­troversen Lernens“ erfordert, bestimmte Fähigkeiten didaktisch-methodisch zu fördern, die wichtige Grundlagen für das demokratische Zusammenleben legen: Sich eine eigene Meinung zu bilden, setzt beispielsweise die Fähigkeit voraus, sich nach allen Seiten zu informieren, verschiedene Positionen vorurteilsfrei zu prüfen und auch kontroverse Standpunkte zur Kenntnis zu nehmen. Die verschiedenen Standpunkte müssen gedanklich durchdrungen und sorgfältig geprüft werden; die eigene Position muss stets sachlich begründet werden. Zugleich ist eine Haltung zu fördern, die auch den eigenen Urteilen kritisch gegenüberstehen lässt; der Lernende sollte diese beständig überprüfen und, wenn geboten, auch bereit sein, den eigenen Standpunkt zu revidieren.

In heterogenen Gesellschaften stellt sich in besonderer Weise die Aufgabe, die Tatsache gesellschaftlicher Pluralität angemessen wahrzunehmen sowie pädagogisch und ethisch verantwortlich damit umzugehen: Beides verlangt „weder die Aufgabe der eigenen Überzeugungen und der Frage nach der Wahrheit noch die Behauptung der Richtigkeit aller vertretenen Positionen.“[29] Gleichwohl wird der Streit um die verschiedenen Positionen nicht durch Verbote beendet werden können. Ein die Pluralität achtender Umgang verlangt ein auf Kompromiss ausgerichtetes Ethos, das sich darum müht, die Sichtweisen der mitunter konfligierenden Positionen redlich zu erfassen und kritisch zu befragen, und zwar ausdrücklich unter Einschluss der eigenen moralischen Standards. Fremden Überzeugungen tolerant zu begegnen, schließt den Widerspruch gegen Unrecht, Unwahrheit und Gleichgültigkeit nicht aus, so der Ethiker Konrad Hilpert:

„Die ethische Grunddifferenz von gut und böse, richtig und falsch, gerecht und ungerecht ist nicht verzichtbar; aber es ist schwieriger und riskanter, sie jeweils umstandslos und eindeutig hinsichtlich konkreter Entscheidungssituationen festzustellen.“[30]

Zu den genannten Fähigkeiten hinzuführen, verlangt das lebendige Vorbild des Lehrenden. Es braucht einen entsprechenden Umgang des Vertrauens, der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts: Nur dann wird der Einzelne auch die Sicherheit gewinnen können, aus der Vielheit an Möglichkeiten ohne falsches Ressentiment das Eigene zu wählen und seine Wahl gegebenenfalls auch wieder zu revidieren. Der Einsatz für jene Werte, die für das Gelingen demokratischer Verstehens- und Verständigungsprozesse notwendig sind, wird dabei nur gelingen, wenn die Einzelnen zum Werten, zum eigenständigen sittlichen Urteilen und Entscheiden, befähigt werden. Genau dies entspricht dem aufklärerischen Anspruch, sich des eigenen Verstandes ohne Anleitung durch andere zu bedienen.

Verkommt der Demokratiebegriff zum unspezifischen, sozialromantisch verklärten oder utopisch aufgeladenen Stellvertreter für alles „Gute, Wahre und Schöne“, besteht die Gefahr, dass am Ende Freiheit nur mehr soziales Wohlverhalten beinhaltet, Demokratisierung als Gleichgestaltung des öffentlichen Raumes missverstanden und Toleranz zur Gleichschaltung der öffentlichen Meinung verkehrt würde.

Demokratiepädagogische Übergriffe drohen vor allem dort, wo die Grenze zwischen dem gesellschaftlichen und dem gemeinschaftlichen Charakter von Demokratie verschwimmt und nicht mehr klar unterschieden wird zwischen politischer Bildung und demokratischer Erziehung, „zwischen politischem Gebildetsein und demokratiekompatiblem […] Verhalten“[31]. „Politik“ bleibt sonst allzu leicht, wie der Verfasser aus eigenen Lehrveranstaltungen berichten kann, ein „schmutziges Geschäft derjenigen dort oben“: ein Spiel um Macht und Einfluss, ohne zu sehen, dass man an diesem selbst beteiligt ist, beispielsweise als Wähler, Staatsbürger, beruflicher Akteur oder Mitglied einer Interessengruppe; ein Spiel, dem man hilflos gegenübersteht, ohne bereit zu sein, für die eigenen Interessen zu kämpfen  – frei nach dem Motto: „Eigentlich müssten die Politiker doch … Ich verstehe nicht, warum ‚die da oben‘ nichts machen …“ Kontroverse politische Auseinandersetzungen zu verstehen, aber auch um eigene Interessen politisch zu kämpfen, verlangt nach kategorialer Reflexion. Wird die Vermittlung eines politischen Deutungs- und Orientierungswissens vernachlässigt, wird nicht allein die Ausbildung politischer Urteilsbildung erschwert – und damit ein wichtiges Element demokratischer Streitkultur. Die Lernenden werden auf diese Weise letztlich auch nur unzureichend dabei unterstützt, jene politische Handlungsfähigkeit – verstanden als Freiheit zur Mitgestaltung und zum Einflussnehmen – kritisch-reflexiv einzuüben, die sie als mündige Bürger in Staat, Gesellschaft und Beruf benötigen: „Es geht letzten Endes um Einsichtsfähigkeit und die Stärkung der Urteilskraft […], also jener Instanz, die über das Berechtigtsein gesellschaftlicher Zumutungen entscheiden soll.“[32]

Begrenzte Wirksamkeit des Staates

Im neuzeitlichen Verständnis ist der Staat nicht mehr etwas Selbstzweckhaftes, sondern bedarf selbst der Legitimation. Der neuzeitliche Staat gründet in einer gemeinschaftlichen Ordnung, die von den Einzelnen in freier Wechselwirkung und im freien Zusammenwirken mit anderen selbst geschaffen wurde. Bildung bereitet dabei nicht auf eine fertige Zukunft vor, sondern befähigt die Einzelnen, diese Zukunft erst im Verein mit anderen hervorzubringen und zu gestalten. In bisher unübertroffener Weise hat dies Wilhelm von Humboldt in seiner immer noch äußerst lesenswerten Ideenschrift „Über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates“ entfaltet: „Was nicht vom Menschen selbst gewählt, worin er nur eingeschränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.“[33]

Politische Freiheit ist nicht denkbar ohne die Fähigkeit des Einzelnen, seine politischen Freiräume zu nutzen und auszugestalten. Ohne Bildung wird dies nicht gelingen. Umgekehrt bedarf der Einzelne politischer Freiräume, wenn er sich bilden soll, also sich selbst zu dem machen soll, der er sein will.

Größere Wirksamkeit und eine höhere Produktivität wird der Staat gerade dann erlangen, wenn die Einzelnen in der Lage sind, mannigfaltig miteinander zu handeln und zu kommunizieren, wenn das freie Spiel der gesellschaftlichen Kräfte nicht unterbunden und wenn die Freiheit der Bürger nicht vom Staat absorbiert wird.

Zwar bleibt der Staat auf die Resultate bürgerlichen Schaffens und gesellschaftlicher Tüchtigkeit angewiesen; nur so kann er sich, beispielsweise über Steuern und Abgaben, jene Mittel aneignen, die er für die Erfüllung seiner Regierungsaufgaben benötigt. Dieses abstrakte Allgemeininteresse des Staates kann aber nicht das schöpferische, spontane und produktive Wechselspiel zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Individuen ersetzen.

Gesellschaftliche Weiterentwicklung kann nur durch Bildung der Individuen gefördert werden.  Allerdings wäre auch ein in keiner Weise vergemeinschafteter Wille eine Fiktion. Sollen zwei Extreme, ein bevormundender Tugend- und Versorgungsstaat auf der einen Seite, aber auch ein auf Notfunktionen reduzierter Nachtwächterstaat auf der anderen Seite, abgewehrt werden, bedarf es eines vermittelnden Bindegliedes zwischen der Tätigkeit des Staates und der Tätigkeit der Einzelsubjekte: Es bedarf einer Öffentlichkeit, in der über die verschiedenen menschlichen Teilpraxen von Politik, Wirtschaft, Recht, Ethik, Pädagogik oder Kultur hinweg um eine gerechte und gute Ordnung des gemeinschaftlichen Ganzen – angesichts stets begrenzter Ressourcen – gerungen wird. Eine solche Öffentlichkeit kann der Staat nicht erzeugen, er kann nur die Rahmenbedingungen hierfür förderlich gestalten.[34]

Die für ein freiheitliches, plurales, lebendiges und produktives Gemeinwesen notwendige Differenz zum einen zwischen Staat und Gesellschaft, zum anderen zwischen Staat und Individuum kann auf verschiedene Weise angetastet werden.[35] Am auffälligsten sind Eingriffe durch staatlichen Zwang. Politisch beliebter und zugleich schwerer zu dechiffrieren sind Versuche des Staates, auf den Willen seiner Bürger Einfluss zu gewinnen – mit dem Ziel, die Bürger glauben zu machen, sie wollten aus eigenem Antrieb immer schon das, was der Staat von ihnen verlangt. Auf diese Weise würde sich der Staat aber die Zustimmung seiner Bürger auf unredliche, illiberale oder sogar totalitäre Weise erschleichen. Ein Staat, der vermittelt über die Gesinnung, die Denkungsart und den Charakter seiner Bürger zu regieren versucht, befördert gerade nicht die Freiheit, sondern verkehrt diese in ihr Gegenteil. Das Phänomen der „politischen Korrektheit“, das auf gesellschaftliche Uniformierung hinausläuft, ist hierfür ein bekanntes Beispiel.

Werte können nur in einem Klima wachsen, das selbst durch Werte geprägt ist. Eine Gemeinschaft kann den Einzelnen dabei unterstützen, seine Freiheit zunehmend zu kultivieren und eine eigenständige Haltung zum Gelernten aufzubauen. Sie kann ihm Möglichkeiten aufzeigen, wie das Gelernte zu einem gelingenden Leben beitragen kann und wie mit ihm verantwortlich und gemeinwohlförderlich umzugehen ist. Sie kann den Einzelnen fördern – und zwar, indem sie den Einzelnen herausfordert, über das bisher Erreichte hinauszuwachsen. Wenn Heranwachsenden die Forderung und Herausforderung, sich anzustrengen, verweigert wird, fehlt ihnen eine wesentliche Bedingung dafür, zu entdecken, was in ihnen steckt und ihre Persönlichkeit zunehmend eigenständiger in der Bewältigung der Herausforderung zu entwickeln.[36]

Bildung bereitet nicht einfach auf eine Zukunft vor, die bereits vorgegeben ist, sondern soll den Einzelnen dazu befähigen, diese Zukunft erst gemeinsam mit anderen hervorzubringen. Und auch was Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit bedeuten, lässt sich nicht einfach aus ein für alle Mal gültigen Normen und Regeln ableiten, sondern muss immer wieder von neuem gesucht und angestrebt werden – im gemeinsamen Ringen um die höchsten Ziele und Inhalte des Lebens. Dies setzt selbständige Persönlichkeiten voraus, die gelernt haben, frei zu denken und frei zu handeln und für das einzustehen, was sie als gut und richtig erkannt haben.

Eines aber ist nicht möglich, wenn Erziehung nicht in Manipulation oder Indoktrination umschlagen soll: Die Aufgabe, „Ich“ zu sagen – zu entscheiden, wer ich sein will und wie ich leben will –, diese Aufgabe kann niemand dem Einzelnen abnehmen. Befähigung zur Selbstbestimmung bleibt immer Aufforderung zur Selbsttätigkeit. Freiheitsbewusstsein ist demnach kein fester Besitz; Freiheit muss immer wieder neu errungen und gelebt werden. Norbert Bolz spricht am Ende seines leidenschaftlichen Plädoyers „Die ungeliebte Freiheit“ vom Mut zur bürgerlichen Lebensführung, den wachzuhalten heute dringend geboten ist: „Denn zu nichts braucht man heute mehr Mut als zur Wahrnehmung des Positiven. Und damit erweist sich der Bürger auch als der letzte Träger der Aufklärung, der das ‚sapere aude‘ in eine Lebenspraxis der Freiheit umsetzt. Kants Mut zum Selberdenken konkretisiert sich heute als Mut zur Bürgerlichkeit, gemeint als Haltung, nicht als bestimmte Bindung an ein Milieu. So hat Odo Marquard den Begriff Zivilcourage übersetzt. Es gibt noch Ritterlichkeit, auch wenn es keine Ritter mehr gibt. Und es gibt noch Bürgerlichkeit, auch wenn es keine bürgerliche Gesellschaft mehr geben sollte.“[37]

Ein solcher Mut, diese Zivilcourage ist das Vermächtnis, das uns der Namensgeber unserer Gesellschaft hinterlassen hat. Wir verneigen uns heute, neunzig Jahre nach seinem gewaltsamen Tod, in Dankbarkeit und Ehrfurcht vor seinem Lebenszeugnis, vor seinem Eintreten für Freiheit und Menschenwürde.


[1]       Gehalten wurde die 10. zivilcouragerede auf Einladung der Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e. V. in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg e. V. am 30. Juni 2023 im historischen Priestersaal des Bistumshauses St. Otto in Bamberg.

[2] Zitiert nach: Georg Grosch: Willy Aron, in: Gerhard C. Krischker: Bambergs unbequeme Bürger,
Bamberg 1987, S. 25 – 28 (Quellenanhang: 29 f.), hier: S. 25.

[3] Georg Grosch (1906 bis 1987): Gewerkschafter und Mitglied der SAJ (zeitweilig SAJ-Unterbezirksvorsitzender in Bamberg), ab 1925 Mitglied der SPD; vor dem Nationalsozialismus Redaktionsangestellter bei der Bamberger SPD-Zeitung „Der Freistaat“, Kriegsdienst bei der Luftwaffe, französische Kriegsgefangenschaft, von 1946 bis 1948 hauptamtlicher Parteisekretär, 1948 bis 1956 und 1960 bis 1972 Dritter Bürgermeister in Bamberg; 1933 kurzzeitig Mitglied des Bamberger Stadtrates, 1952 bis 1966 Mitglied des Bayerischen Landtages.

[4]       Paul Kirchhof: Das Maß der Gerechtigkeit. Bringt unser Land wieder ins Gleichgewicht!, München 2009, S. 268.

[5]       Paul Kirchhof: Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit. Von Privileg und Überfluss zu einer Kultur des Maßes, Pader­born u. a. 2004, S. 95.

[6]       Vgl. Udo Di Fabio: „Was immer funktioniert, das pflegen wir nicht besonders.“, in: Die Tagespost, Nr. 26, 29. Juni 2023, S. 2 f.

[7]       Ebd., S. 96.

[8]       Ebd., S. 98 f.

[9]       Ebd., S. 99.

[10]      Ebd., S. 100.

[11]      Kirchhof (2009), S. 135 f.

[12]      Franz Ludwig Graf Stauffenberg: Freiheit der Bürger – Demokratische Wahrheit?, in: Academicus 16 (2012), Heft 33, S. 12 – 16, hier: 14.

[13]      Ebd., S. 13.

[14]      Vgl. Stauffenberg (2012), S. 14.

[15]      Anne Sliwka: „Freiwillig hätte ich das nie gemacht, jetzt würde ich das sofort wieder tun“: Erfahrungen mit Service Learning an deutschen Schulen, in: Dies., Christian Pe­try, Peter E. Kalb (Hgg.): Durch Verantwortung lernen. Service Learning: Etwas für andere tun. 6. Weinheimer Gespräch, Weinheim u. a. 2004, S. 32 – 57, hier: 36.

[16]      Ebd., S. 37.

[17]      Vgl. Frank Nonnenmacher: Politische Bildung in der Schule. Demokratisches Lernen als Widerspruch im System, in: Jahrbuch für Pädagogik (2009), S. 269 – 279, hier: 277 f.

[18]      Johannes Rau: „In der Bildung vergewissern wir uns unserer selbst“, in: Ders.: Den ganzen Menschen bilden – wider den Nützlichkeitszwang. Plädoyer für eine neue Bildungsreform, Weinheim u. a. 2004, S. 11-29, hier: 16.

[19]      Vgl. Jochen Krautz: Ein Bild von Bildung, in: engagement. Zeitschrift für Erziehung und Schule (2008), Heft 4, S. 276 – 284.

[20]      Theodor Ballauf: Beiträge zu einer skeptischen Paideutik (kritischen Bildungslehre), in: Dieter-Jürgen Löwisch, Jörg Ruhloff, Peter Vogel (Hgg.): Pädagogische Skepsis. Wolf­gang Fischer zum einundsechzigsten Geburtstag, Sankt Augustin (b. Bonn) 1988, S. 99 – 108, hier: 99.

[21]      Johannes Masing: Wissen und Verstehen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (2011), Nr. 303 v. 29. Dezember, S. 7.

[22]      Ebd.

[23]      Wobei die Frage nach der Neutralität von Bildungsinstitutionen zu unterscheiden ist von der Frage nach der weltanschaulichen Gebundenheit einer Bildungsinstitution. Andernfalls wäre es beispielsweise nicht legitim, wenn in Privatschulen Kinder im Sinne einer bestimmten Religion erzogen würden. Bildung ist zielgerichtet und damit zwangsläufig normativ, sie darf aber nicht normierend auf den zu Erziehenden einwirken. Der Erziehungsauftrag der staatlichen Schule wäre keinesfalls neutral, wenn die in Anspruch genommene vermeintliche Neutralität dazu genutzt würde, das Elternrecht oder die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auszuhebeln. An diese Gefahr ist durchaus zu erinnern angesichts solcher Bestrebungen, religiöse Erziehung weitgehend aus der Schule herauszuhalten – zugunsten einer vermeintlich neutralen staatlichen Lebenskunde, Demokratie- oder Menschenrechtspädagogik.

[24]      Vgl. Elisabeth Meilhammer: Neutralität als bildungstheoretisches Problem. Von der Meinungsabstinenz zur Meinungsgerechtigkeit, Paderborn u. a. 2008, S. 114 f.

[25]      Ebd., S. 103.

[26]      Ebd., S. 114 [im Original ist die Passage „zu ertragen“ kursiv hervorgehoben].

[27]      Vgl. z. B. Armin Scherb: Der Beutelsbacher Konsens, in: Dirk Lange, Volker Reinhardt (Hgg.): Strategien der politischen Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht, Baltmannsweiler 2007, S. 31 – 39. Der Beutelsbacher Konsens von 1976, benannt nach seinem Entstehungsort, wollte durch die Formulierung verbindlicher Fördergrundsätze, die in der politischen Bildung noch heute als Maßstab angelegt werden, die damaligen Kontroversen zwischen den verschiedenen politikdidaktischen Lagern befrieden. Festgelegt wurden drei Grundprinzipien für den Politikunterricht und Maßnahmen politischer Bildung: ein Überwältigungs- oder Indoktrinationsverbot (die Educandi dürfen nicht für bestimmte partikulare Positionen vereinnahmt werden), ein Kontroversitätsgebot (was gesellschaftlich kontrovers ist, darf im Bildungsprozess nicht didaktisch harmonisiert werden) sowie das Prinzip der Schülerorientierung (die Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass sie für die Lernenden gedanklich nachvollziehbar sind). 

[28]      Vgl. Meilhammer (2008), S. 115 u. S. 164 – 167.

[29]      Konrad Hilpert: Theologische Ethik im Pluralismus. Vermessung eines komplexen Problems, in: Ders. (Hg.): Theologische Ethik im Pluralismus, Freiburg i. Ue., Freiburg i. Brsg., Wien 2012, S. 9 – 25, hier: 21.

[30]      Ebd., S. 22.

[31]             Roland Reichenbach: Die Macht des Volkes „lernen und leben“ …? Zur Kritik persuasiver Metaphoriken im pädagogischen Demokratiediskurs, in: Stefan Aufenanger, Franz Hamburger, Luise Ludwig, Rudolf Tippelt (Hgg.): Bildung in der Demokratie. Beiträge zum 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen, Farmington Hills, Mi 2010, S. 145 – 168, S. 154 [im Original sind die Passagen „politischem Gebildetsein“ und „demokratiekompatiblem […] Verhalten“ kursiv hervorgehoben].

[32]      Ebd., S. 155.

[33]      Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen [1792], in: Ders.: Werke in fünf Bänden, Band 1, herausgegeben von Andreas Flitner u. Klaus Giel, Darmstadt 2002, S. 56 – 233, hier: 77.

[34]     Vgl. Dietrich Benner: Wilhelm von Humboldts Bildungstheorie. Eine problemgeschichtliche Studie zum Begründungszusammenhang neuzeitlicher Bildungsreform, 3., erweiterte Auflage, Weinheim u. a. 2003, S. 62 – 66.

[35]      Vgl. ebd., S. 55 f.

[36]      Vgl. Alois Glück: Warum wir uns ändern müssen. Wege zu einer zukunftsfähigen Kultur München 2010, S. 146.

[37]      Norbert Bolz: Die ungeliebte Freiheit. Ein Lagebericht, München 2010, S. 136 [„Mut zur Bürgerlichkeit“ im Original kursiv hervorgehoben].


Ein Kommentar zu “Über Freiheit und Zivilcourage”

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