Bereits im Oktober 2020 sollte in Österreich die IX. europäische Studentenhistorikertagung stattfinden. Wegen der zweiten Coronawelle war sie einvernehmlich um ein Jahr verschoben worden, und noch in den September-Acta 2021 wurde das nur wenig geänderte Programm nochmals veröffentlicht. Doch dann verdüsterte sich der Himmel über Wien wiederum sehr, doch trotz inzwischen vierter Coronawelle wurde getagt. Nur eben größtenteils virtuell.
Im Oktober 2021kamen neue, pessimistische Prognosen, restriktive Maßnahmen wurden seitens der österreichischen Bundesregierung angekündigt. Das ließ jede Planungssicherheit schwinden. Die gemeinsame deutsch-österreichisch-schweizerische Studentenhistorikertagung noch einmal zu verschieben kam jedoch nicht in Frage. So blieb nur eine Absage des geplanten Rahmenprogrammes und eine Verlagerung der Vorträge ins Internet. Die deutsche Studentenhistorikertagung aus Heidelberg im März diesen Jahres diente dabei als Vorbild. Das persönliche Gespräch und der Meinungsaustausch können dadurch nicht ersetzt werden, aber es sollte wenigstens das wissenschaftliche Interesse gestillt werden und die Vortragenden sich nicht vergeblich gemüht haben.
So fand also am 16. Oktober ab 9.30 h die erste virtuelle Studentenhistorikertagung aus Wien statt. Weniger Arbeit als eine „normale“ Tagung war sie nicht! Dazu kam noch, dass keine 24 Stunden vor Beginn der erste Vortrag abgesagt wurde, was aber im Ablauf kaum merkbar war, die Tagung wurde dadurch nur kürzer. Die Tagung begann pünktlich und verlief bis auf einen kurzen Tonausfall wenig später reibungslos. Ein großer Dank gilt den Herren Vortragenden, die sich unerwarteten technischen Mühen unterziehen mussten und Herrn Dipl.-Ing. Gottfried Fanninger, der am Regiepult saß und alle Schaltungen problemlos und fest im Griff hatte. Insgesamt nahmen an der Tagung „netto“, also unter Berücksichtigung aller Ein- und Ausstiege, 43 Damen und Herren teil.
Im Rahmen der Eröffnung und Begrüßung wurden mit einigen Bildern auch das alte Universitätsviertel in Wien vorgestellt, wo wir die Tagung hätte stattfinden sollen und wo auch eine Führung vorgesehen war. Als höchst bedauerlich wurde allgemein empfunden, dass auch eine echte Premiere entfallen musste, nämlich ein live-Konzert im Rahmen der Tagung, das Prof. Raimund Lang vorbereitet hatte. Weil die Musik keinesfalls zu kurz kommen sollte, stand aber am Ende der Tagung als Ausklang eine Bieroper am Programm. Doch der Reihe nach:
Dr. Gregor Gatscher-Riedl eröffnete die Reihe der Vorträge. Er referierte in Anlehnung an sein jüngst erschienenes Buch über „Von Habsburg zu Herzl / Jüdische Studentenkultur in Mitteleuropa 1848 – 1918“ und beleuchtete damit die entscheidende Epoche des Erwachens eines neuen jüdischen Nationalbewusstseins, an dem Studenten, zumal korporierte jüdische Studenten, maßgeblichen Anteil hatten.
Prof. Raimund Lang berichtete mit „O alte Herrlichkeit“ amüsant über die beinahe unzähligen und thematisch sehr weit gestreuten Parodien und Kontrafakturen zu einem der bekanntesten Studentenlieder. Auch er konnte dabei auf ein ebenfalls jüngst erschienenes, eigenes Werk zurückgreifen, das unter demselben Titel wie sein Vortrag in Wien steht und das als gewichtige Festschrift zur Vollendung des 80. Lebensjahres von Professor Peter Krause, dem langjährigen Präsidenten der ÖVfStG veröffentlicht worden ist.
Prof. Dr. Roland Gehrke lehrt an der Technischen Universität Stuttgart Geschichte. Er sprach erstmals, vom AKSt gebeten, im Rahmen einer Studentenhistorikertagung. Mit seinem Vortrag über mit „Theodor Körner als Korporierter und Kriegssänger“ konnte er sehr überzeugen. Er beleuchtete viele kaum bekannte und beachtete Seiten dieses bekannten Dichters. So erfuhren die Tagungsteilnehmer zum Beispiel, dass Körner zeitweise auch in Wien wirkte.
Dr. Gerhard Berger, ebenfalls vom AKSt nominiert, berichtete über „Krach, Krakeele und Krawall in Heidelberg“ und schlug damit einen weiten kulturgeschichtlichen Bogen von durchaus abenteuerlichen mittelalterlichen studentischen Vorkommnissen und den obrigkeitlichen Reaktionen darauf bis zu den jüngsten Antifa-Zwischenfällen.
Dr. Jürg Eitel, den die SVSt aufgeboten hatte, sprach über „Veterinäre als Couleurstudenten“ und damit über einen zweifellos viel zu wenig beachteten Bereich der akademischen Ausbildung, ihre Entwicklung und die Probleme der lange nicht als gleichwertig anerkannten Studenten.
Zum Abschluss ergriff nochmals Prof. Lang das Wort und erklärte Geschichte und Wesen einer Bieroper. Der Film der vorgesehene Bieroper entsprach von der Tonqualität her dann nicht unseren Erwartungen, also entschieden wir uns für Standbilder, aber dafür einwandfreie Akustik, quasi ein Hörspiel, und so klang die Tagung dann mit „Richard Löwenherz“ aus.
Die gesamte Tagung wurde auch elektronisch aufgezeichnet und dauert 4:37:17. Wenn Sie Interesse haben können Sie sie nochmals nachhören. Gehen Sie dazu bitte auf unsere Homepage „studentengeschichte.at“. Dort finden Sie ganz unten den Link zum Anklicken.
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