Die Academia Theodoriana, die im Jahr 1614 gegründete Paderborner Jesuitenuniversität, ist die älteste Hochschule in Westfalen. Ihre Gründung ist in direktem Zusammenhang zu einer Entscheidung zu sehen, die im Laufe des Jahres 1604 fiel und mit der klar wurde, dass Paderborn katholisch bleiben würde, dass hier die Reformation Martin Luthers keinen Durchbruch erzielen würde.
Mit grundlegenden Aufsätzen der beiden Herausgeber beginnt der gewichtige Band, der beim Paderborner Traditionsverlag Schöningh verlegt wurde. Josef Meyer zu Schlochtern, der an der Universität Paderborn den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft innehat, beleuchtet das historische Umfeld und ordnet die Urkunden, die Fakultätsregeln sowie den Panegyricus für den Universitätsstifter, Fürstbischof Dietrich v. Fürstenberg, thematisch wie inhaltlich ein. Gerhard Franke, der Referent in der Theologischen Fakultät ist, kümmert sich um formale Aspekte der Dokumente. Die vorliegende lateinisch-deutsche Edition macht der Gründungsurkunde, der Genehmigungen von Papst und Kaiser, die Statuten und die übrigen Texte, darunter vor allem die Huldigung an den Gründer, erstmals an einem Ort und in komplett deutscher Übersetzung zugänglich.
Die Quellentexte werden ergänzt durch eine historische Einführung, durch Informationen zur überlieferten Text-gestalt und durch Erläuterungen zu den Übersetzungen. Der Panegyricus, am besten umschrieben als eine Lobrede auf den Stifter, gibt Aufschluss über die Beweggründe zur Gründung der Academia Theodoriana. Diese sind zu suchen im Kontext der historischen Bedingungen des Konfessionellen Zeitalters, das durch die Reformation begonnen hatte und in dem mittels theologischer Fragen viele der vorher schon bestehenden Konflikte und Bruchlinien neu definiert wurden.
Die Edition dieser Dokumente ermöglicht Vergleiche mit anderen (Jesuiten-) Universitäten bezüglich der Studienordnung, der Studieninhalte und gibt Aufschlüsse über die Verfassung des Bistums Paderborn am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Wörtlich steht im Panegyricus, Buch III, Kap. 3, 108 zu lesen: „Die elende Lage, in der er zuerst die Kirche von Paderborn antraf, hat den Fürsten auf den Gedanken einer Akademie gebracht.“ Eine Fakultät für die Jurisprudenz wurde im übrigen damals nicht errichtet, wie in Buch III, Kap. 3, 133 zu lesen ist. Und bis heute hat in Paderborn die Jurisprudenz keine eigene Fakultät; die 1972 errichtete, heutige Universität, mit der alten Jesuitenuniversität nicht identisch, hat zum Beispiel Schwerpunkte in den Bereichen Informatik – zurückgehend auf den Unternehmer Heinx Nixdorf – und bei Lehramtsstudiengängen.
Umso schöner ist es, dass in Paderborn und damit im ganzen östlichen Westfalen auf über 400 Jahre universitäre Bildung zurückgeblickt werden kann, denn die Jesuiten sind eine wesentliche Stütze abendländischer Bildung, auch wenn die heutzutage um sich greifende, pauschale Ablehnung des Katholischen dies in den Hintergrund treten lässt. Traditionsbewußtsein ist ein Stück Zukunft, und so ist dieser Band ein Stück Zukunft für Paderborn und kann der noch jungen, heutigen Universität gewiß ein Stück gute Tradition vermitteln. Der überaus renommierte Schöningh-Verlag tat das Seinige, und so erschien ein stattlicher, rundgebundener und fadengehefteter Band, der detailverliebte Rezensent vermisst lediglich ein Lesebändchen – oder mehrere –; sehr zu loben ist aber der Abbildungsteil, der alle wichtigen Dokumente sowie eine Übersicht über die wichtigsten Gebäude in zeitgenössischen Darstellungen erlaubt. „Die Jesuitenuniversität in Paderborn – Dokumente zur Gründung und Frühgeschichte der Academia Theodoriana“ ist eine wichtige und vor allem vollständige Abrundung des Wissens um die älteste Hochschule, die in Westfalen errichtet wurde.
Josef Meyer zu Schlochtern, Gerhard Franke (Hrsg.), Die Jesuitenuniversität in Paderborn – Dokumente zur Gründung und Frühgeschichte der Academia Theodoriana, Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Band 87, Hardcover, 576 S., ISBN 978-3-506-76046-3, 49,90 Euro.