Über den Völkermord der Türken an den Armeniern nachzudenken, ist eine zeithistorische Möglichkeit, eine Chance. Speziell für alle Korporierten. Wie weit sollte die Unterstützung, die Loyalität zum Staat gehen? Wann ist das eigene Gewissen gefordert? Wann ist Protest aus ethischer und moralischer Verantwortung heraus unumgänglich? Es seien angesichts des Gedenktages an den Völkermord der Türken an den Armeniern, der jährlich am 24. April begangen wird, einige Überlegungen angestellt, weil es ihnen an brennende Aktualität keinesfalls mangelt. Im Jahre 1915 begann der Genozid, und erst 1922/23 endete er vorläufig, als bei der – einem Völkermord gleichenden – Verbrennung von Smyrna, heute Izmir, auch Zehntausende Armenier starben. Die heutige Türkei: auf Leichenbergen errichtet.
Ein Attentat in Berlin vor fast exakt 101 Jahren, am 17. April 1922, gibt den aktuellen Rahmen für diesen Text, denn dort starben keineswegs unbescholtene Menschen, sondern moslemische Völkermörder. Exakt diese Massenmörder dürfen im heutigen Deutschland ungestraft als Märtyrer verehrt werden.
Um wen geht es? Zunächst um den „Schlächter von Trabzon“, Mehmet Cemal Azmi Bey. Bis auf den heutigen Tag gibt es für ihn in Berlin ein Ehrengrab – es liegt in einem mohammedanischen Friedhof in Tempelhof, und die Moschee, die neben diesem Friedhof steht, heißt „Schehitlik“, was soviel wie „Märtyrer“ heißt. Das Gebetshaus ist genannt nach diesem Grab, in dem im übrigen neben dem Armenierschlächter Azmi auch der Völkermörder Bahattin Schakir bestattet wurde, ein Gründungsmitglied der KEF, also der Partei, die das Jungtürken-Regime stützte, unter dessen Führern die Türken in den Jahren 1915 und 1916 bis zu zwei Millionen Armenier und Hunderttausende Aramäer grausam ermordeten, weil sie Christen waren.
Deutsche Verstrickungen
Morde an Christen, auch Völkermorde wurden und werden in Deutschland gerne verharmlost. Das war vor 100 Jahren so, das haben die Nationalsozialisten so gehalten – und das ist auch heute so. Allen voran die Grünen und die Kommunisten von Links, aber auch manch klandestiner Juden„kritiker“ im übrigen linken politischen Spektrum – Seit’ an Seite auf den Spuren des Reichskanzlers Theobald von Bethmann-Hollweg, der im Dezember 1915 im Reichstag zu Berlin verkündete: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht.“ Welch kaltblütige Ignoranz angesichts eines Völkermords!
Das Deutsche Kaiserreich ließ den Völkermord an den Armeniern geschehen, einige deutsche Soldaten beteiligten sich sogar aktiv daran, so zum Beispiel an der Bewachung Deportierter, so wie auf dem Indexbild dieses Beitrages, das im übrigen tatsächlich Armenier zeigt, die zu einer Massenerschießung geführt wurden. Die deutsche Hilfe setzte dabei nicht erst ein, als man im Ersten Weltkrieg Seite an Seite kämpfte. Auch vorher machten das Kaiserreich ebenso wie deutsche Kaufleute exzellentete Geschäfte mit den Osmanen; das marode reich am Bosporus war über Jahrzehnte gezielt zum strategischen Partner ausgebaut worden. Berlin konnte sich auf ein Netz von Diplomaten und Unternehmern stützen. Diese erstatteten dann aber auch regelmäßig Bericht über die Untaten an den Armeniern, über Massenmorde, die gezielte Ermordung von Frauen und Kindern, die Versklavung der Männer um ihres christlichen Glaubens willen. Ein großer Teil der Briefe und diplomatischen Noten enthielt die Aufforderung, manchmal auch flehentliche Bitten, dem Bündnispartner am Bosporus in den Arm zu fallen und dazu beizutragen, das entsetzliche Morden zu einem ende zu bringen. Ohne Erfolg.
Die Völkermorder feierten und prassten mitten in Berlin
Offenbar wollte nicht nur die kaiserliche deutsche Regierung mit den Völkermördern vom Bosporus befreundet sein, nein, auch das demokratische Nachkriegsdeutschland, bekannt als „Weimarer Republik“ nahm es mit den Menschenrechten nicht ganz so genau. Am 10. November 1918 trafen die türkischen Hauptdrahtzieher des Völkermordes an den Armeniern in Berlin ein, von deutschen Diplomaten mit Pässen unter falschem Namen ausgestattet. Sie konnten sich fortan ungestört bewegen, ja, sie wurden hofiert. Talaat Pascha residierte in einer herrschaftlichen Wohnung in der Berliner Hardenbergstraße, und in einem eleganten Tabakladen im Berliner Stadtzentrum trafen sich Pascha, Cemal Azmi, Bahattin Schakir und weitere Völkermörder. Der Laden gehörte Azmis Sohn – kriminelle Clans haben in Berlin eine längere Geschichte.
Azmi und Schakir konnten sich fei und unbehelligt in Berlin bewegen, obwohl sogar ein Gericht im versinkenden Osmanischen Reich sie für den Völkermord an den Armeniern zum Tode verurteilt hatte. Am 17. April 1922 denn die Rache. An diesem Tag, es war das Osterfest, erschossen in Berlin zwei junge Armenier die türkischen Völkermörder Cemal Azmi und Bahattin Schakir. Im Jahr zuvor war bereits der für Gesamtdurchführung des Völkermords an den Armeniern zuständige Talaat Pascha, Innenminister der Türkei, in Berlin durch die Operation „Nemesis“ ausgeschaltet worden. Unter Talaat Paschas Führung war beschlossen worden, „alle Armenier, die in der Türkei wohnen, gänzlich auszurotten (…), ohne Rücksicht auf Frauen, Kinder und Kranke (…), ohne auf die Gefühle des Gewissens zu hören“. Ja, auch Talaat Pascha starb in Berlin.
Unheilvolle Islampolitik
Aaron Aaronsohn, ein angesehener Agronom und Gründer des Spionagenetzwerks NILI, das im Dienste der Entente tätig war, lebte im damaligen Osmanischen Reich. 1916 schrieb er nach einer Reise durch das anatolische Armenien in einem Memorandum: „Hunderte von Leichen von Männern, Frauen und Kindern, lagen auf beiden Seiten der Gleise, und Hunde ernährten sich von ihren Kadavern.“ Lewis Einstein, ein jüdischer US-Diplomat an der Botschaft in Istanbul, schrieb im Jahr 1917 in einem Augenzeugenbericht: „In diesem Krieg des Schreckens muss die Vernichtung der Armenier der ultimative Horror bleiben. Nichts ist so scheußlich wie die geplante Vernichtung eines Volkes. Und auch die deutschen Bürokraten können sich ihrer furchtbaren, zustimmenden Rolle bei diesem Verbrechen nicht entziehen.“
In den westlichen Demokratien ist seit Jahrzehnten klar, was es mit dem Völkermord der Türken an der Armeniern auf sich hat. Nur der alte Waffenbruder Deutschland tat sich schwer. Unter größten Mühen gelang es einer von der CDU geführten Bundesregierung am 2. Juni 2016, im Bundestag mit breiter Mehrheit eine Resolution zu verabschieden, in der die grauenerregende Entvölkerung Armeniens korrekt und wahrheitsgemäß benannt wurde. Als Völkermord. In praktische Politik umgesetzt wurde diese Resolution allerdings nicht – ein Makel, den sich eine einst von Kommunisten ausgebildete Bundeskanzlerin und ein maßlos überforderter Außenminister ins Stammbuch schreiben lassen müssen. Ein paar läppische „Bildungsangebote“ – das war’s. Jedwede Umsetzung der Resolution auf diplomatischem Parkett verhinderte ein Diktator aus Ankara.
Brennende Aktualität
Der 2017 verstorbene Professor Giuseppe Laras, dem Oberrabiner von Mailand, verfasste sieben Monate vor seinem Tod einen hellsichtigen Text, der einen Titel trägt, den dreimal zu lesen ist, um ihn wirklich in seiner ganzen Wucht zu verstehen: „Il filo tragico che lega il genocidio armeno e la Shoah è l’Islampolitik“ – auf deutsch: „Die tragische Verbindung zwischen dem Völkermord an den Armeniern und der Shoah ist die Islampolitik.“ Und das ist höchst aktuell in Deutschland, im Jahre 2023! Warum?
Azmi und Schakir, beide Drahtzieher des grausamen Völkermords an bis zu zwei Millionen Armeniern, können im heutigen Berlin ungestraft als „Terroristen“ verunglimpft werden – in goldenen Lettern auf dunkelgrünem Grund, zu finden nahe einer „Märtyrern“ geweihten Moschee, die im übrigen von der Ditib betrieben wird und dem türkischen Verteidigungsministerium (!) gehört. Falls in Deutschlands Regierungsparteien blutigrote und giftiggrüne Christenfeinde zu finden wären, (und diese Möglichkeit besteht!): Das Grab in Tempelhof, in dem Völkermörder als Helden glorifiziert werden – es wird sie kaum stören. Die deutsche Verharmlosung des Völkermords der Türken an den Armeniern steht dabei in unheilvoller Tradition. 1943 wurden die sterblichen Überreste Talaat Paschas in einem Staatsakt mit militärischen Ehren in die Türkei überführt. Auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers.
Heutzutage geradezu unglaublich und zugleich nach wie vor erschütternd muten uns Mitwisserschaft, Ignoranz und indirekte Mitverantwortung der damaligen deutschen Reichsregierung an. Mit Sorge blicken Historiker und politische Beobachter indes auf ein immer igrnoranteres Klima im heutigen Berlin, das zulasten der Armenier und auch zulasten jüdischer Interessen, jüdischer Mitbürger geht. Der türkische Völkermord an den Armeniern, dessen Gedenktag jährlich der 24. April ist, als unheilvolles Vorbild für Nationalsozialisten? Ja, danach sieht es aus. Es ist niederschmetternd.
Sebastian Sigler