Vielfach ist Robert von Lucius bereits in Erscheinung getreten: als Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, als Literat in mancherlei Themen, nicht zuletzt als Historiker und Archivar seiner Saxo-Borussia Heidelberg, deren Ehrenmitglied er ist. Nun hat er eine sehr schöne und persönliche Würdigung für Max Tau vorgelegt, den bedeutenden Literaturvermittler und ersten Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der in der Frankfurter Paulskirche verliehen wird.
Tau war Oberschlesier, 1897 wurde er in Beuthen geboren. Er arbeitete in Berlin als Verlagslektor, bis er 1938 vor dem Nationalsozialismus nach Oslo fliehen musste. Doch über die Literatur, die er als geistiges Gepäck in reicher Fülle mitnahm, wurde er zum Weltbürger. 1942 bis 1945 führte er von Stockholm aus einen Exilverlag. Nach den schweren Jahren von Not und Verfolgung für Deutschland zu einem großen Vermittler werden konnte – und wollte. Er wurde vielfach geehrt und erhielt als Erster den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In Oslo, wo er nach dem Kreig und bis zu seinem Tod im Jahre 1976 lebte, begegnete ihm der Autor. Das war ein Glücksfall für den jungen Robert, der zunächst noch ein Kind war, und es wird nun zum Glücksfall für die Leser eines wunderschönen, im wahrsten Sinne des Wortes bibliophilen Büchleins, das der Verlag Hentrich & Hentrich ganz aktuell vorlegt.
Robert von Lucius: Hinführung
Max Tau, geboren am 19. Januar 1897 in Beuthen, gestorben am 13. März 1976 in Oslo, war vor einem halben Jahrhundert einer der einflussreichsten Gestalten der deutschen wie auch der norwegischen Literaturvermittlung, ein Wegbereiter für viele. Große Namen verdankten ihm, dass sie und ihr Schreiben bekannt wurden – Nelly Sachs, Albert Schweitzer, Nikos Kazantzakis, Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen. Dass nordische und vor allem norwegische Literatur, darunter Werke von Sigrid Undset und Olav Duun, über Deutschland ihren Weg in die Weltliteratur fand, war dem jungen Lektor in Berlin beim Verlag Bruno Cassirers zu verdanken, seinem Gespür für Werte und Sprache sowie seiner Beharrlichkeit. Ebenso galt sein Einsatz lebenslang all jenen, die in den Jahren der Brutalität und Menschenfeindlichkeit den Weg in die innere oder äußere Emigration gegangen waren, die den Anstand allzeit gewahrt hatten: Dank seines Wortes wurden die deutsche Literatur und die Deutschen generell nach dem Zweiten Weltkrieg in Norwegen wieder akzeptiert.
Der Oberschlesier zeigte, wie wichtig die Aufgabe eines Lektors und Entdeckers ist, der sich selber zurücknimmt, sich aber für jene einsetzt, bei denen er mit der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit Feuer fängt. Seine Freunde, schrieb Tau, hätten „immer gesagt, ich brauche gar nicht zu trinken, ich bin berauscht geboren“. So bereitete er mit seiner Botschaft der Versöhnung und des Friedens trotz erlittenen Schmerzes den Weg seiner deutschen Heimat zurück als anerkanntes Mitglied der Wertegemeinschaft. Und das, obwohl seine Mutter in Auschwitz vergast wurde. Er selbst wurde von Freunden in Berlin wie in Oslo, und das zweimal, in letzter Minute gerettet.
Die Aufgabe des Lektors, der aufspürt, betreut und berät, gute Übersetzer findet, Verleger überzeugt, schilderte Willy Grabert, der Deutschlehrer, der Tau prägen sollte, als „Menschen im Schatten, die eigentlich im Licht stehen sollten“, als „Schildknappen oder, militärisch gesprochen, als Vortrupp der Dichter“. Ohne diese Entdecker und Wegbereiter, die den Dichtern dienten, wüsste man – so Grabert sinngemäß – von Thomas Mann oder Gerhart Hauptmann deutlich weniger.
Das Netzwerk von Max Tau war immens. Thomas Mann, Knut Hamsun, Trygve Gulbranssen, Martin Buber, Thomas Theodor Heine sowie die bereits genannten Nikos Kazantzakis und Nelly Sachs hatten freundschaftliche und bisweilen entscheidende Begegnungen mit Tau. Immer wieder regte er erfolgreich an – etwa die Vergabe des Friedensnobelpreises an Albert Schweitzer; die Gründung eines Exilverlags in Stockholm und einer Friedensbücherei in Oslo; die Gründung einer Deutsch-Norwegischen Gesellschaft in der Nachkriegszeit. So war es naheliegend, dass auch ihm, der stets gab, gegeben wurde. Tau – von Freunden Magino, der Zauberer, genannt – war der erste Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels; sein Name steht als erster eingemeißelt auf der Tafel der Preisträger in der Frankfurter Paulskirche. Neben Willy Brandt war er der einzige Deutsche, dem die norwegische Exilregierung 1944 ihre Staatsangehörigkeit verlieh und ihm so eine zweite Heimat schenkte. Tau blieb beiden Ländern treu, auf unterschiedliche Weise. Er erhielt hier wie dort zahlreiche Preise und Orden, Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt.
Auch der Autor des jetzt vorliegenden, kleinen Bandes hat ihm viel zu verdanken – Max Tau, Freund seiner Eltern in Oslo, war die erste „große Gestalt“ seines Lebens außerhalb der Familie und blieb präsent als Inbild der Güte und des Gebens. Kinder und Jugendliche nahm er ernst, sichtbar an zwei Buchwidmungen: „Bewahre alles, was Deine Eltern Dir mitgegeben haben; dann wird Dein Lebensweg gesegnet sein!“ Und an den jungen Studenten: „Wer in der wirklichen Welt arbeitet und in der idealen lebt, hat das Höchste erreicht. Das wird Dir lieber Freund Robert gelingen. Glück auf!“ Der Bergmannsgruß deutet auf die Wurzeln, die Max Tau nie vergaß – Beuthen war eine Bergbaustadt. Ja, in wenigen Worten konnte dieser Lektor, Verleger und Intellektuelle anderen Menschen den Weg zeigen. Das war eine seiner Gaben – eine von so vielen.
Lesen Sie diese Rezension auch in der Netzzeitung Tabula Rasa.
Robert von Lucius: Max Tau, Schildknappe der Literatur – Erster Friedenspreisträger, 88 Seiten, Broschur, 20 Abbildungen, erschienen bei Hentrich und Hentrich, Leipzig 2023, ISBN: 978-3-95565-595-2, Preis: 8,90 €.