Wie übergreifend die akademische Kultur Mitteleuropas mit der umgebenden Alltagskultur verzahnt ist, belegt das neue Buch von Roland Girtler. Eigene Forschungen und höchst amüsante Erzählungen verbindet der prominente Soziologe aus Wien mit Zeichnungen und Bildern aus dem Leben der Korporierten, die der aus Linz stammenden Malers Egon Hofmann hinterließ.
Egon Hofmann (1884 – 1972) stammt aus einer großbürgerlichen Linzer Industriellenfamilie. Er war Weltbürger, Bergsteiger und Maler. Als Student, es hatte ihn nach Bayern gezogen, schloß er sich dem Corps Makaria München an. Seine Zeichnungen schmücken nun einen Erzählband, den ein wohl ebenso genialer Weltbürger, Bergsteiger, Corpsstudent, aber auch weitgereister Radfahrer nun herausgegeben hat: Professor Roland Girtler des Symposion, Soziologe aus Wien, berühmt für seine sozilogischen Forschungen zu gesellschaftlichen Randkulturen, aber auch für ein auf allen Ebenen gelebtes Corpsstudententum. Die Bilder selbst sind zwischen kolorierten Zeichnungen, farbenfroh-naiven Stil und abstrakten Skizzen anzusiedeln.
Sehr erfreulich ist natürlich das Sujet – ebenso wie die Tatsache, daß der namhafte Lit-Verlag sich dieser optisch opulenten Abbildungen aus der Welt des korporierten Studententums angenommen hat. Doch das eigentlich Interessante an diesem Band ist das kongeniale Zusammenspiel von Bild und Wort – und so richtet sich der Blick recht bald auf den bekannten Soziologen aus Wien, zumal der auch abseits der Bilder einige höchst interessante Streifzüge durch Europa beisteuert, und zwar von Heidelberg bis Siebenbürgen – immer mit couleurstudentischem Bezug.
Doch Hofmann bleibt mit seinen Bildern durchaus im Blick. Girtler kommentiert das Werk des Malers und Weltbürgers aus Linz aus kulturwissenschaftlicher Sicht – doch nicht nur das. Er bereichert sie kongenial mit Quellen studentischer Kultur. Nicht fehlen darf zum Beispiel der Zwerg Perkeo, der gebührend gewürdigt wird, wobei auch die historische Figur, die diesem legendären Zwerg zugrundeliegt, korrekte Erwähnung findet. Entbehrlich dagegen der Hinweis Girtlers, er habe dieses Lied in Indien gesungen – mit geringem Erfolg. So wandelt der berühmte soziologe immer auf dem schmalen Grat zwischen Wissenschaft und Moritat. Aber genau das macht die Lektüre ja so erheiternd, und völlig korrekt schreibt Girtler selbst von „Erzählungen“, die diesen handlichen Text-Bild-Band bereichern.
Insgesamt entfaltet sich ein vergnügliches Leseabenteuer kreuz und quer durch die studentische Kultur in Europa. Deren schönste Blüten, die stolze Traditionen der Korporationen, deren heutige Relevanz lassen sich mittels dieses Buches wunderbar zeigen. Es ist zur ernsthaften Fuchsenerziehung ebenso wie als leichte Urlaubslektüre geeignet. Diesen Spagat für die Leser hinzubekommen, das schafft kaum einer so wie der berühmte, inzwischen emeritierte Soziologe, der an der Universität Wien lehrte, heute noch als Kolumnist tätig ist, der vor allem – wie bereits angedeutet – berühmt wurde mit seinen „Streifzügen“ zu den Randkulturen. Zu Schmugglern, Gaunern, Obdachlosen, Prostituierten, Wilderern, Aristokraten, aber immer auch zu denen, die sich für „feine Leute“ halten.
Girtlers „Gaudeamus igitur“ ist nicht nur für begeisterte Couleurstudenten aller Dachverbände, sondern auch für Freunde und Bekannte geeignet, denn so mancher Begriff wird erklärt. Wenn der Senior dabei als „Chef der Verbindung“ betitelt wird, so klingt dies nur auf den ersten Blick wie eine leicht naive Erläuterung für unbedarfte Leser. In Wirklichkeit steckt, wie so oft bei Girtler, viel tiefe Wahrheit drin.
Egon Hofmann / Roland Girtler, Gaudeamus Igitur – Lasst uns also fröhlich sein, Münster 2021, 102 S., geb. ISBN: 978-3-643-51030-3, 24,80 Euro.