Vergessen Sie „CORPS“!

Kluge Worte vom Präsidenten der Bundesärztekammer und vom Tübinger Oberbürgermeister, vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister bis hin zum gehypten Neoexpressionisten und vom äthiopischen Prinzen zum Kurienkardinal. Wo ist ein derart spannendes und breitgefächertes Panorama an bestens gemachten Interviews zu finden? In einem neuen Band, den die Corps-Edition jüngst veröffentlicht hat, der aber über den Rahmen eines Korporations-Dachverbandes weit hinausreicht und sich als druckfrisches Weihnachtsgeschenk ideal anbietet.

Vergessen Sie also „CORPS“. Nun, das gilt selbstverständlich nicht für jenen Fall, daß Sie sich die neuesten Interviews im jeweils aktuellen Magazin „CORPS“, herausgegeben von den beiden corpsstudentischen Dachverbänden, nicht entgehen lassen wollen. Wer jedoch die in den zurückliegenden sechs Jahren erschienenen 25 Interviews mit ausgewählten Persönlichkeiten des Geistes- und Kulturlebens in Ruhe nachverkosten möchte, dem sei der von dem Fragensteller und Magazinmacher Carsten Beck edierte und stilvoll kompilierte Band wärmstens anempfohlen.

Die Kunst der Konversation – der Bogen der Befragten ist weit gespannt, wir erwähnten es schon: vom Ärztepräsidenten zum Tübinger Oberbürgermeister, vom gehypten Neoexpressionisten zum ehemaligen Bundeswirtschaftsminister, vom äthiopischen Prinzen zum Kurienkardinal: Das Bild könnte bunter kaum sein. Ihre Gemeinsamkeit? Sie alle nehmen in angenehm lockerer, gepflegter Art und Weise – man fühlt sich als Leser mitten ins Gespräch hinein versetzt – Stellung zu ihrer je eigenen Sicht auf Binde- und Fliehkräfte einer sich scheinbar immer schneller drehenden Welt, bei einer sich dennoch stets gleich bleibenden Konstante Mensch.

Kulturerbe Corps – und natürlich geht es immer wieder speziell auch um diese ganz besondere Lebensform, Schnittmuster und Blaupause für das in seiner Vielgestalt fast unüberschaubare Korporationswesen weltweit, sei es aus eigener Anschauung als Corpsstudent, sei es in der Außensicht des kritischen Beobachters, sei es verbandsmäßig anderswo angedockt, etwa als CVer und Burschenschafter. Immer wieder wird so die außerordentliche Prägekraft einer vom jungen Studenten bis zum ältesten Alten Herrn aufgespannten, freigewählten Lebensgemeinschaft sichtbar, ihr persönlichkeitsbildender Wert, der Freundschaftsbund als Gleicher unter Gleichen, denn Gegensätze ziehen sich bekanntlich gern an.

Bernhard Grün

Carsten Beck: Perspektiven. Gespräche über Corps und die Welt, 348 Seiten, gebunden, 22 €, beziehbar über: edition-corps.de

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